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Regina Fock

Regina Fock im Portrait

„Überlegt, was Euch wirklich motiviert!“

Regina Fock, städtische Oberrechtsrätin bei der Stadt Köln, über ihren Wechsel nach über 14 Jahren aus der Kanzlei in den öffentlichen Dienst, die Wichtigkeit beruflicher Erfüllung und ihre Begeisterung für Vergaberecht.

Regina, Du machst heute Vergaberecht bei der Stadt Köln. Aber fangen wir vorne an: Warum Jura?

Ich wollte tatsächlich schon immer Jura studieren. Bereits in der Schule konnte ich im Abitur das Prüfungsfach „Jura“ belegen. Außerdem ist mein Vater Anwalt; deswegen war es auch etwas, was mir immer nahe lag. Ich habe dann in Göttingen Jura studiert und bin zum Referendariat nach Düsseldorf gegangen. Dort hatte ich auch die ersten Berührungspunkte mit dem Vergaberecht. Ich war zunächst im Gesellschaftsrecht in einer Großkanzlei, dort hat es mir aber nicht so richtig gefallen. Ich hatte nette Kolleginnen und Kollegen, die mich auf das Vergaberecht aufmerksam gemacht haben. Das habe ich mir dann mal angeschaut. So kam es, dass ich im Referendariat die ersten Berührungspunkte mit dem Vergaberecht hatte.

Was macht man denn im Vergaberecht?

Das habe ich mich damals auch erst mal gefragt. Vereinfacht gesagt ist es das Recht, das jede staatliche Einrichtung als öffentlicher Auftraggeber anwenden muss, um ihre Beschaffung durchzuführen. Man kann beispielsweise nicht einfach ein Rathaus bauen und sich dazu das Bauunternehmen XY frei aussuchen, sondern muss hierzu ein förmliches Vergabeverfahren durchlaufen, um dasjenige Unternehmen zu finden, welches das wirtschaftlichste oder das günstigste Angebot einreicht. Anders ausgedrückt: Der Vertragspartner kann – anders als sonst – nicht frei ausgewählt werden. Grundsätzlich ist das Vergaberecht vom Europarecht geprägt, also von europäischen Richtlinien. Deren Fokus liegt tatsächlich eher auf Wettbewerb, Gleichbehandlung und Transparenz. Der Preis spielt daneben aber natürlich auch eine Rolle, hier kommt dann auch das kommunale Haushaltsrecht ins Spiel, welches sicherstellen will, dass öffentliche Gelder nicht verschleudert werden. Also ist Vergaberecht einerseits Haushaltsrecht und andererseits Wettbewerbsrecht.

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Du hast im Vorgespräch erwähnt, dass am Ende eines Vergabeverfahrens nicht der sogenannte „billige Jakob“ gewinnt, sondern auch andere Kriterien eine Rolle spielen. Wie quantifiziert man denn Merkmale wie faire Arbeitsbedingungen oder Klimaschutz?

An dieser Stelle spielt der bereits erwähnte Transparenzgrundsatz aus dem Europarecht hinein. Die Bewerberinnen und Bewerber auf eine Ausschreibung müssen nämlich erkennen können, woran z.B. wir als Stadt Köln etwa Nachhaltigkeit festmachen. Derzeit ist diese Thematik in aller Munde: Wie wird Nachhaltigkeit messbar? Bei Gebäuden beispielsweise kann man bestimmte harte Kriterien ansetzen wie eine Messung anhand des CO2-Ausstoßes. Schlussendlich müssen wir deutlich machen, wie viel Gewicht wir den einzelnen Kriterien beimessen, also etwa 40 % Preis und 60 % Qualität. Qualität ist hier natürlich nur als Oberbegriff zu verstehen. Es bedarf dann noch einer Unterdifferenzierung und einer detaillierten Beschreibung bzw. Definition von „Qualität“. An dieser Stelle kommen die Vergabejuristinnen und Vergabejuristen ins Spiel, weil die Gesetzeslage im Vergaberecht relativ dünn ist und demzufolge die Rechtsprechung in diesem Bereich sehr facettenreich ist.

Was macht für Dich den besonderen Reiz des Vergaberechts aus?

Ich finde es besonders reizvoll, dass man einerseits in den tatsächlichen Bauprozess involviert ist und andererseits Dienstleistungen erbringt. Außerdem sind immer politische Entscheidungen involviert und zu berücksichtigen. Außerdem lese ich jede Bekanntmachung genau, weil ich nicht möchte, dass die Presse eine Vergabe schon angreift, bevor sie wirklich gestartet ist. Vergaben sind in einer großen Kommune wie Köln immer in aller Munde. Auch wegen dieser großen Bedeutung für das Gemeinwesen macht mir Vergaberecht so viel Spaß. Eine Stadt wie Köln kann ohne Vergaberecht nicht agieren. Daher ist es besonders wichtig, dieses so anzuwenden, dass es am Ende zu einem vernünftigen Vertragsabschluss führt.

Du hast also im Studium das Vergaberecht ausprobiert und augenscheinlich bist Du dabeigeblieben. Wie ging es danach weiter für Dich?​

Genau. Nach dem zweiten Examen habe ich geschaut, wie man im Bereich Vergaberecht arbeiten kann. Ich bin zuerst in Düsseldorf bei Heuking gelandet. Später wollte ich nach Köln wechseln und habe mich dort bei der mittelständischen Kanzlei CBH beworben. Dort war ich einige Jahre und bin dann zu DLA Piper gegangen. Über all die Jahre habe ich stets im Vergaberecht gearbeitet, jedoch mit etwas unterschiedlichem Fokus. Denn in diesem Sektor muss man immer sehen, ob man eher die öffentliche Hand oder die Privatwirtschaft berät. Durch die drei verschiedenen Kanzleien mit ihren unterschiedlichen Ansätzen konnte ich in allen Bereichen Erfahrungen sammeln.

Du arbeitest heute bei der Stadt Köln. Wann kam für Dich der Moment als Du Dir überlegt hast „auf die andere Seite“ zu wechseln?

Ich habe schon in meiner Zeit bei Heuking und CBH viel für die öffentliche Hand gemacht und dabei bemerkt, dass ich die Sprache der öffentlichen Hand spreche. Also war ich der richtige Typ, um den Mandantinnen und Mandanten diese trockene Materie zu vermitteln; vermutlich weil ich einen eher pragmatischen „Hands on“-Ansatz habe. Nicht, dass es das in Großkanzleien ansonsten nicht geben würde, aber vielleicht lag dort der Fokus manchmal etwas zu sehr auf theoretischen oder rein rechtlichen Fragen. Mir liegt es, in solchen Situationen quasi als Dolmetscherin zu fungieren. Denn die Kundschaft will letztlich nur wissen, wie man die Vergabe vernünftig gestaltet, nicht aufgrund welcher Paragrafen dies so oder so zu sein hat. Ich hatte also immer ein Faible für die öffentliche Hand und habe sogar als Anwältin immer wieder etwas für die Stadt Köln gemacht. Ich hatte dadurch stetig Kontakt zu jetzigen Kolleginnen und Kollegen der Stadt und war mit diesen im Austausch. Irgendwann haben sie mich dann, halb im Scherz, gefragt, weshalb ich nicht zur Stadt komme. Mit dem öffentlichen Dienst habe ich dann schon zuerst ein bisschen gehadert. Mir wurde die Stelle bei der Stadt dadurch schmackhaft gemacht, dass das Rechtsamt letztlich wie eine große mittelständische Kanzlei agiert. Daran gefällt mir, dass man tatsächlich wie eine Anwältin oder ein Anwalt arbeitet, indem man die einzelnen Dienststellen der Stadt Köln berät. Ich habe damals das Angebot erstmal sacken lassen und bin in mich gegangen. Dann war ich für fünf Wochen in Neuseeland. Diese längere Auszeit hatte ich mir ausbedungen, bevor meine erste Tochter zur Schule kam. Es war nicht so, dass ich mir grundsätzlich die „Kanzleifrage“ gestellt habe. Aber ich habe mich schon gefragt, was ich machen kann, was mir nochmal einen ganz anderen Drive gibt. Also habe ich mir den öffentlichen Dienst genauer angesehen. Es war dann auch tatsächlich eine Stelle frei, auf die ich mich spaßeshalber beworben habe und es hat geklappt. Ich habe mich seitdem immer wohl gefühlt und es ist auch cool, in der eigenen Stadt etwas zu bewegen.

Was hat Dich konkret überzeugt in den öffentlichen Dienst zu wechseln?​

Tatsächlich hat mich auch die Verbeamtung gelockt. Gerade in der jetzigen Zeit bietet diese natürlich einen sicheren Hafen. Vorher war das für mich zwar nie ein Thema, aber als mir die Vorteile dargestellt wurden, fand ich es tatsächlich ganz charmant. Viel mehr überzeugt hat mich aber die inhaltliche Komponente. Also die Aussage: „Wir brauchen jemanden wie Dich, die die Leute ein bisschen antreibt und mal einen anderen Blick auf das Vergaberecht einbringt.“ Natürlich hat die Stadt Köln auch vorher schon Vergaberecht gemacht, aber mit einem etwas anderen Fokus. Mittlerweile ist das Vergabeamt ins Rechtsamt fusioniert und übernimmt auch die projektbegleitende Rechtsberatung. Schließlich stand damals auch das große zweite Maßnahmenpaket Schulbau an. Das fand ich sehr reizvoll, vor allem auch, weil meine Kinder in Köln zur Schule gehen. In Summe hat mich die Entwicklungsmöglichkeit, etwas mehr über den Tellerrand zu schauen und nicht mehr rein rechtlich zu arbeiten, sondern auch organisatorisch in eine Prozessverwaltung eingebunden zu sein, überzeugt. In der Kanzlei wäre der Weg zur Partnerschaft vorgezeichnet gewesen. Ich finde es spannend, vor Ort wirklich Projekte durchzusetzen. Schlussendlich dachte ich: „Das versuche ich einfach mal!“ Der Weg zurück ist ja auch nicht ausgeschlossen.

Du warst insgesamt über 14 Jahre Anwältin in verschiedenen Kanzleien und bist dann zur Stadt gewechselt. Was würdest Du jungen Juristinnen und Juristen raten, die Zweifel an ihrem Job oder ihrer Berufswahl hegen?​ 

Ich würde jeder bzw. jedem immer erstmal raten, das Referendariat wirklich zu nutzen, um sich möglichst viel anzuschauen. Mittlerweile ist die Anwaltsstation ja lang. Ich weiß, dass viele Kanzleien auch im Referendariat schon sehr viel bezahlen, sodass die Referendarinnen und Referendare häufig in einer Kanzlei kleben bleiben, weil das attraktiv ist. Es kann natürlich ein tolles Sprungbrett sein, um dann in der Kanzlei bleiben zu können, vielleicht verpasst man aber auch etwas. So hat man etwa auch in der Wahlstation die Möglichkeit, sich, ergänzend zur Verwaltungsstation, beispielsweise den öffentlichen Dienst anzuschauen oder einmal eine Boutiquekanzlei, im Vergleich zu einer Großkanzlei, auszuprobieren. Also ich würde jeder bzw. jedem raten, sich im Referendariat ein breit gefächertes Bild zu machen und nicht nur zu tauchen. Nutzt vielmehr die Zeit und überlegt, was Euch – neben den harten Faktoren – motiviert.

Ist das nach Deiner Erfahrung häufig auch das richtige Team?

Ja, es sind auf jeden Fall die Leute. Also ich wäre, glaube ich, nicht einfach so zur Stadt gegangen, wenn ich nicht schon gewusst hätte, dass dort ein paar Kolleginnen und Kollegen sind, die wie ich ticken. Ich würde immer dazu raten, die Vorstellungsgespräche zu nutzen, nicht nur die Partnerin oder den Partner kennenzulernen, sondern auch nach den Associates zu fragen, mit denen man arbeiten würde. In der aktuellen Zeit bewerben sich die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ja eher bei den jungen Arbeitssuchenden. Daher sollten diese die Chance nutzen, den potenziellen Arbeitgeber abzuklopfen. Es geht dabei nicht nur um Themen wie Gehalt und Urlaubstage. Stellt Euch Fragen wie: „Kann ich ein Sabbatical machen?“, „Habe ich die Möglichkeit ein Secondment zu machen?“ oder – im öffentlichen Dienst – „Kann ich mir auch mal eine andere Dienststelle anschauen?“. Wenn man nach einer Zeit merkt, dass man keinen Spaß bei der Arbeit hat, sollte man nochmal etwas anderes ausprobieren. Man arbeitet zu lang, um bei irgendetwas hängenzubleiben, was einem keine Freude bereitet.

Das entspricht wohl auch dem Zeitgeist. Während manche in der Perspektive, 30 Jahre im gleichen Job zu arbeiten, eine gewisse Konsistenz und Beruhigung sehen, nehme ich wahr, dass die weit überwiegende Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht nur in der jüngeren Generation, immer wieder Lust auf Wandel verspürt. Wie siehst Du das?
 
Das würde ich auf jeden Fall unterschreiben. Hinsichtlich meiner Verbeamtung sagen mir auch viele nach, ich würde nun nie wieder etwas anderes machen. Ich kenne aber tatsächlich auch den „Move in die andere Richtung“, also vom öffentlichen Dienst in die Privatwirtschaft. Wir hatten hier beispielweise eine Kollegin, die in eine Kanzlei gewechselt ist, weil sie die Arbeit hier nicht hundertprozentig erfüllt hat. Vielleicht kommt sie in fünf Jahren wieder, keine Ahnung. Man hat nur ein Leben und der Job ist einfach ein wichtiger Teil davon, der sollte auch Spaß machen und man sollte darin für sich in gewisser Weise Erfüllung finden. So sehe ich das jedenfalls.
Du hast im Vorgespräch schon verraten, dass Du auch nicht die einzige Person bei der Stadt Köln bist, die vorher mal in einer Kanzlei gearbeitet hat?
Genau, das fand ich auch sehr interessant! Vor mir hatten tatsächlich schon andere Kolleginnen und Kollegen aus Kanzleien hierher gewechselt. Einer von ihnen ist beispielsweise nun der Leiter der Rechtsabteilung. Wir haben einerseits mittlerweile auf allen Senioritätsstufen Personen, die mal etwas anderes gemacht haben. Andererseits haben wir auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier, die bereits ein Traineeship bei der Stadt gemacht haben. Die sind also direkt nach dem Examen eingestiegen, haben verschiedene Stationen durchlaufen und sind irgendwann im Rechtsamt gelandet. Daneben gibt es noch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, etwa Architektinnen und Architekten, die bei uns im Vergabecenter arbeiten und die Juristinnen und Juristen bei fachlichen Themen unterstützen und die Fachdienststellen mit beraten. Daher sind wir hier eine gemischte Truppe, was ich schön finde.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Frau Dr. Ute Jasper, bei der ich meinen ersten Job bei Heuking hatte, das war 2006. Sie hat vier Kinder und hat aus meiner Sicht daneben das Vergaberecht in Deutschland als sehr junge Anwältin in einer doch eher noch „Männerdomäne“ mit aufgebaut, aus meiner Sicht zu einer Zeit, in der Frauen mit kleinen Kindern in Führungspositionen noch eher die Ausnahme waren. Sie wird immer mit dem Vergaberecht in Verbindung gebracht, hat also trotz des Spagats zwischen Kindern und Job sehr viel erreicht. Auch wenn es mich dort am Ende aus verschiedenen Gründen nicht lange gehalten hat, habe von ihr sehr viel mitgenommen (auch vieles, was ich erst richtig bewerten konnte, als ich selbst Kinder und Karriere vereint habe) und daher sollte sie definitiv einmal interviewt werden!

 
Vielen Dank für das spannende Interview!

Köln, 26. Juni 2023. Das Interview führte Dr. Christine Straub zusammen mit Marc Ohrendorf von „Irgendwas mit Recht“. Mehr zu hören von Regina Fock gibt es im Podcast „Irgendwas mit Recht“, hört rein!

 

 

 

 

Hier mit Kapitelübersicht und Transkript.

 

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