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Christine Jacobi im Portrait

„Gute Führung bedeutet Wertschätzung und Transparenz.“

Christine Jacobi, Geschäftsführerin der Dieter von Holtzbrinck Stiftung, über berufliche Neuanfänge, ihre Triebfeder für Ehrenamt und Beruf und nachhaltiges Netzwerken.

Liebe Frau Jacobi, Sie sind Geschäftsführerin der Dieter von Holtzbrinck Stiftung. Wie sieht Ihr beruflicher Alltag aus?

Mein beruflicher Alltag besteht im Regelbetrieb vor allem aus Gesprächen – dazu zählen Projektentwicklungen gemeinsam mit Partner*innen, Abstimmungen und Evaluierungen in laufenden Projekten, aber auch Überzeugungsarbeit in Politik, Verwaltung und Gremien, Werbung von Kooperationspartner*innen etc. Spontan kommen immer wieder besondere Aufgaben hinzu, wie im letzten Jahr als Bauherrin, Inneneinrichterin (einmal IKEA leer kaufen) und Aufenthaltsrechtsexpertin, etc.: Angesichts des Krieges in der Ukraine haben wir leerstehende Stockwerke in unserem Bürogebäude umfunktioniert und „ertüchtigt“, um dort zehn schwer erkrankten Kinder mit ihren Familien eine Unterkunft und Unterstützung anzubieten.

Im Laufe Ihrer bisherigen Karriere waren Sie unter anderem Richterin am Amts-, Land- und Oberlandesgericht, Direktorin der Notarakademie Baden-Württemberg, Präsidentin des LJPA und Abteilungsleiterin im Sozialministerium. Wie ist es zu diesen Wechseln gekommen?

Neben meiner richterlichen Tätigkeit haben mich stets Verwaltungsaufgaben und Gremientätigkeiten interessiert. Ein Vorgesetzter, der mir über viele Jahre ein Mentor war, hat mich ermutigt, zusätzliche, aber auch neue Aufgaben zu übernehmen. Wichtig war nach meinem Eindruck auch, dass ich dem Ministerium mein Interesse an der Übernahme von Führungsverantwortung signalisiert hatte und dieses mich daher auf dem Schirm hatte. Für das Sozialministerium hat mich dann ein Prüfer aus dem 2. Staatsexamen, Amtschef in diesem Ministerium, geworben. Der letzte Wechsel in eine Stiftung geht auf die Initiative des Stifters zurück, den ich persönlich kennengelernt hatte und der es verstanden hat, mir die mit der Leitung seiner Stiftung verbundenen Aufgaben schmackhaft zu machen.

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Sie haben in Ihrem Leben viele verschiedene berufliche Positionen innegehabt. Was hat Ihnen geholfen, sich in regelmäßigen Abständen für etwas Neues zu entscheiden?

Ich war stets interessiert, neue Themen, Strukturen und auch Menschen kennenzulernen. Ich liebe Herausforderungen, übernehme gerne Verantwortung und habe Freude an der Gestaltung. Hilfreich war aber auch, dass ich in meinem beruflichen und privaten Umfeld stets Unterstützer*innen hatte, die mich zu diesen Schritten ermutigt haben – zumindest bis es um das Ausscheiden aus der Sicherheit des Beamtinnen-Daseins ging. Bei den letzten beiden Wechseln habe ich mich auch von einer Coachin beraten lassen, was insbesondere das Sortieren und Strukturieren der eigenen Gedanken und Gefühle erleichtert hat.

Sie sind auf Umwegen zum Jurastudium gekommen. Was nehmen Sie aus dieser Zeit für sich mit?

Im Rückblick waren die Umwege eine große Bereicherung. Ich habe Erfahrungen in verschiedenen Bereichen gesammelt und Kenntnisse erworben, die auch Jurist*innen gut gebrauchen können. Vor allem aber war ich mir dann sicher, mit Jura das Studienfach gefunden zu haben, das meinen persönlichen Neigungen und vermutlich auch Fähigkeiten am besten entspricht. Darüber hinaus habe ich mitgenommen, dass es einerseits richtig und wichtig ist, auch Durststrecken überwinden zu können, andererseits jedoch am Ende die Begeisterung für und die Freude an einer Aufgabe entscheidend sind.

Sie engagieren sich ehrenamtlich, sind unter anderem Mentorin für junge Juristinnen und Mitglied im Kuratorium der Welthungerhilfe. Was treibt Sie an?​

Ich lebe ein privilegiertes Leben, das ich vor allem dem Glück verdanke, im richtigen Teil der Erde auf die Welt gekommen zu sein, daher keinen Hunger, keinen Krieg erleben zu müssen, stattdessen in einer Demokratie zu leben, in der individuelle Rechte geschützt sind und der Wert der Bildung hochgehalten wird. Wenn ich dann Gelegenheit erhalte, einen kleinen Beitrag zu leisten, weniger privilegierte Menschen zu unterstützen oder an der Entwicklung besserer Strukturen mitzuarbeiten, freue ich mich sehr darüber und engagiere mich gerne.

 

Den Austausch mit jungen Frauen in meiner Tätigkeit als Mentorin empfinde ich als große persönliche Bereicherung. Es ist spannend zu erfahren, mit welchen Themen sich die jüngere Generation in veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzt; Manches ist für mich neu, Anderes beschäftigt uns schon seit langem. Interessant ist aber auch zu hören, mit welchem Blick junge Frauen auf das Leben schauen, wie ich es gestaltet habe; da nehme ich auch immer wieder Impulse mit.

Inwieweit hat Ihr ehrenamtliches Engagement Ihren Beruf und Ihre Berufswahl beeinflusst und inspiriert?

Eine spannende Frage, über die ich bislang noch nicht nachgedacht habe. Spontan fällt mir aber gleich auf, dass für die Tätigkeit als Richterin oder als Geschäftsführerin einer Stiftung für mich die gleichen Motive ausschlaggebend waren wie für die ehrenamtliche Tätigkeit: Menschen zu Wort kommen zu lassen, ihnen zuzuhören, Konflikte zu schlichten und Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken, Teilhabe zu ermöglichen. Das klingt nach Schlagworten, aber ich glaube, das ist tatsächlich die Triebfeder, die hinter allem steht, was mich bewegt.

Was bedeutet für Sie guter Führungsstil?​

Das schließt unmittelbar an die letzte Frage an: Eine gute Führungskraft hat ein offenes Ohr für ihre Mitarbeiter*innen, begegnet ihnen auf Augenhöhe, bringt ihre Wertschätzung für den Menschen zum Ausdruck und macht ihre Entscheidungen transparent. Sie erkennt und fördert die Potentiale ihrer Mitarbeiter*innen und ermöglicht ihnen durch ein offenes Feedback berufliche und persönliche Weiterentwicklung.

Sie waren bereits am Anfang Ihrer Karriere alleinerziehend. Welche Herausforderungen gingen damit einher?​ 

Die Entscheidung für den Beruf der Richterin war ein Glücksfall. Sie ermöglichte mir, meine Zeit frei einzuteilen, bei Bedarf die Kinder mit ins Büro oder die Akten mit nach Hause zu nehmen. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (Kindergarten ab drei Jahre, ohne Mittagessen, Grundschule nur vormittags – alles andere als verlässlich, keine weiterführende Ganztagsschule im Stadt- und Landkreis) waren bescheidener als sie es heute sind. Besonders dankbar bin ich jedoch Familie und Freund*innen, wohlmeinende Kolleg*innen und Vorgesetzte für Unterstützung, Rat und Verschnaufpausen.

Wenn Sie Ihrem früheren Ich einen Rat geben könnten, welcher wäre es? Würden Sie etwas anders machen?

Eine schwierige Frage: Betrachte ich alleine die berufliche Seite, so glaube ich – unterstützt durch Glück und Zufall – Vieles richtig gemacht zu haben. Meinen Kindern habe ich dabei vielleicht manches Mal etwas mehr zugemutet als ich es heute tun würde.

Welche Bedeutung hat Netzwerken für Sie? Wie gelingt nachhaltiges Netzwerken?
 
Die Entwicklung eines Netzwerks habe ich in den Anfängen nicht gezielten Aktivitäten zu verdanken, sondern vor allem dem glücklichen Umstand, dass ich als Präsidentin des Landesjustizprüfungsamts (LJPA) ein breitgestreutes Aufgabenfeld und damit vielfältige Kontakte hatte. Dieses Netzwerk hilft mir insbesondere bei meiner aktuellen Aufgabe, Projekte zu gestalten, Menschen zum Mitmachen zu bewegen und persönliche sowie finanzielle Unterstützer*innen zu gewinnen.
 
Nachhaltiges Netzwerken gelingt nach meiner Erfahrung am ehesten dann, wenn neben dem beruflichen Band auch ein darüberhinausgehendes, persönliches Interesse an der anderen Person oder eine weitere Gemeinsamkeit hinzukommt; Sympathie ist auch immer hilfreich.
Was würden Sie jungen Juristinnen raten, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen?
Nutzen Sie das Referendariat, um möglichst viele Berufsbilder kennenzulernen, in einem geschützten Rahmen so selbständig wie möglich zu arbeiten und die ersten Kontakte für Ihr Netzwerk zu sammeln. Schließen Sie sich den Jungen Juristinnen im Juristinnenbund an und nehmen am Mentoring-Programm teil. Besuchen Sie den djb-Bundeskongress, den Deutschen Juristentag oder eine andere Fachtagung – tauschen sich mit anderen aus.
 
Entscheiden Sie sich für den Beruf und das Fachgebiet, das Ihnen am interessantesten scheint – und seien sich bewusst, dass dies keine Entscheidung für immer sein muss; bleiben Sie flexibel.
 
Last but not least, beherzigen Sie den Tipp vieler erfolgreicher Frauen: Glauben Sie an sich selbst, haben Sie Vertrauen in Ihre Fähigkeiten und sagen Sie „JA“, wenn Sie gefragt werden, eine neue, eine besondere, eine unbekannte Aufgabe zu übernehmen.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Juli Zeh – sie zeigt, dass man mit einem 2. juristischen Examen nicht auf einen bestimmten Berufszweig festgelegt ist und begeistert mich mit ihren literarischen Werken und pointierten journalistischen Beiträgen zu Gesellschaft, Philosophie und Politik. Mittlerweile sind ihre juristischen Fähigkeiten auch als Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gefragt.

 
Vielen Dank für das spannende Interview!

Stuttgart, 5. Juli 2023. Christine Jacobi hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Jennifer Seyderhelm.

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