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Nina Dethloff

Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M. im Porträt

 

"Man muss wissen was man will und die Dinge selbst in die Hand nehmen!"

Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M., Professorin an der Universität Bonn, über den Einfluss des Rechts auf das Familienleben, den Balanceakt zwischen Beruf, Familie und Freizeit, die Bedeutung von Vorbildern sowie die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen.

Frau Dethloff, Sie sind seit 2001 Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung und Europäisches Privatrecht und seit 2003 Direktorin des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Familienrecht der Universität Bonn. Wollten Sie schon immer Professorin werden und haben sich ihre Vorstellungen an den Beruf verwirklicht?

Die Antwort auf Ihre erste Frage ist ganz klar nein, auf ihre zweite ja! Eine Karriere in der Wissenschaft habe ich zu Schul- oder auch Studienzeiten nie in Betracht gezogen. Während meines gesamten Studiums Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre habe ich an drei verschiedenen Universitäten keine einzige Professorin in meinem Fach erlebt. Wie sollte ich mir da vorstellen, das selbst zu werden? Erst als ich in der Zeit danach für ein LLM-Studium in die USA ging, hat sich das geändert. Viele Frauen gab es dort zwar auch nicht in Jura, aber mein Betreuer und Mentor hat mich sehr dazu ermuntert, diesen Weg zu gehen.

Nun zu Ihrer zweiten Frage, ob sich meine Erwartungen erfüllt haben: Sie wurden sogar noch weit übertroffen: Es ist ein wunderbarer Beruf, unglaublich vielseitig und abwechslungsreich. Sich seine Forschungsfelder und -fragen selbst zu suchen, stellt ein großes Privileg dar. Auch in der Zeiteinteilung eine beträchtliche Freiheit zu genießen, ist natürlich besonders mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Vorteil. Vor allem aber mit jungen begeisterungsfähigen Menschen zusammenzuarbeiten, bereitet mir immer große Freude. Dies erlaubt es auch, begabte Nachwuchswissenschaftlerinnen zu ermuntern, ebenfalls diesen Weg zu gehen.


Sie beschäftigen sich bereits seit mehr als 30 Jahren intensiv mit Themen wie Gleichberechtigung, Diskriminierung innerhalb der Familie und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Wie sehr haben rechtliche Änderungen seither das Familienleben verändert?

Ja, eine lange Zeit, in der sich viel verändert hat. Dem Recht kommt hierbei sicher erhebliche Bedeutung zu. Als ich studierte, gab es noch zahlreiche Frauen diskriminierende Regelungen im Familienrecht. Der Abschied vom Leitbild der Hausfrauenehe durch das 1. EheRG trat erst während meines zweiten Semesters 1977 in Kraft. Meinen ersten Aufsatz während meiner Promotionszeit habe ich zum Namensrecht geschrieben, das mit dem Zwang zum gemeinsamen Familiennamen und der subsidiären Geltung des Mannesnamens noch klar diskriminierend war, und in der Folge ja auch vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wurde. Mittlerweile kann man sagen, dass familienrechtliche Regelungen, die Frauen diskriminieren, wohl der Vergangenheit angehören.

Das gilt für gleichgeschlechtliche Paare noch nicht so lange, die Ehe wurde ja erst vor kurzem geöffnet. Und was die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Paare betrifft, so fehlt es nach wie vor an einer rechtlichen Gleichstellung. Auch transgeschlechtliche und intersexuelle Menschen sind bislang keineswegs gleichgestellt. Im Übrigen bedeutet natürlich der rechtliche Wandel auch noch nicht das Ende aller tatsächlichen Ungleichbehandlungen, weder von Frauen in der Familie noch von anderen Personen oder Lebensformen.

Welche weiteren Änderungen wären Ihrer Meinung nach erforderlich, um dem Ziel der Gleichberechtigung in der Familie noch näher zu kommen? Und wie schätzen Sie die Chancen auf eine Umsetzung ein?

 

Die größte Herausforderung stellt es meines Erachtens dar, eine stärker partnerschaftliche Arbeitsteilung zwischen Vätern und Müttern zu befördern. Wenn Kinder kommen, unterbrechen und reduzieren Frauen nach wie vor ihre Erwerbstätigkeit in erheblich größerem Maße als Männer und übernehmen im Übrigen auch erheblich mehr an Haushaltstätigkeit. Die Vätermonate bedeuten hier einen kleinen ersten Schritt hin zu einer größeren Beteiligung der Väter. Sie sollten deutlich erweitert werden.

Sie arbeiten auch rechtsvergleichend. Wo steht Deutschland bei familienrechtlichen Themen im Vergleich mit anderen europäischen Ländern?

Bis vor kurzem waren wir einen ganz entscheidenden Schritt hinter vielen anderen Ländern her: Deutschland hatte zwar schon 2001 gleichgeschlechtliche Paare mit Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft anerkannt, sich aber mit der Öffnung der Ehe im Vergleich zu vielen anderen Ländern sehr Zeit gelassen. Heute steht die gleichberechtigte Anerkennung ihrer Elternschaft auf der reformpolitischen Agenda, ein Thema, dem wir uns in der familienrechtlichen Abteilung des DJT 2016 gewidmet haben. Auch bei der anstehenden Reform des Rechts transgeschlechtlicher Menschen lohnt der Blick auf andere Rechtsordnungen. Hier geht der Trend international dahin, der Selbstbestimmung mehr Raum zu gewähren und einen relativ freien Wechsel des rechtlichen Geschlechts zuzulassen.

Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Professorin Mitglied der Ständigen Deputation des Deutschen Juristentages, stellvertretende Vorsitzende des Hochschulrates der Universität Bonn sowie Direktorin des Käte Hamburger Kollegs „Recht als Kultur“. Ferner sind Sie in diversen Gremien aktiv und veröffentlichen regelmäßig. Bleibt neben so viel beruflichem Einsatz Zeit für Familie und Freizeit?

Das war und ist immer ein schwieriger Balanceakt. Die Arbeit ist nie fertig, immer gibt es noch etwas, das ich tun muss oder möchte. Für die Familie habe ich mir aber, gerade als die Kinder klein waren, wenn irgend möglich, immer Zeit genommen und auch jetzt genießen wir es, ab und an mit unseren inzwischen erwachsenen Kindern zu reisen. Freunde und Hobbies kamen aber damals leider viel zu kurz. Heute gelingt mir das zum Glück besser und ich habe sogar wieder angefangen etwas zu malen, was ich vor Habilitation und Geburt der Kinder mit großer Freude getan hatte.

Sie und Ihr Mann, ebenfalls Professor für Rechtswissenschaften, haben zwei Kinder zusammen großgezogen. Welche Vor- und Nachteile bietet die Tätigkeit als Professor oder Professorin um Kinder großzuziehen? Wie sehr haben Sie dabei als Nachteil empfunden, dass Ihr Mann und Sie in verschiedenen Städten tätig waren bzw. sind?

Der große Vorteil des Berufs ist in dieser Hinsicht, dass sich die viele Arbeit doch sehr flexibel einteilen lässt. Wir können relativ frei bestimmen, wann und wo wir arbeiten, zumindest was die Forschung anbelangt. Eine große Schwierigkeit besteht allerdings darin, in derselben Stadt oder auch nur einigermaßen in der Nähe zu landen, vor allem wenn auch der Partner nicht mobil ist. Das ist uns auch nicht gelungen. Die große Last des Pendelns hat mein Mann getragen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Der Weg zur Professur ist lang und mit vielen Unsicherheiten verbunden. Wie sind sie mit dieser Unsicherheit umgegangen und was würden sie jüngeren Frauen raten, die sich für eine Position in der Wissenschaft interessieren?

Wenn Sie Freude an Lehre und Forschung haben, just do it! Wichtig sind dann Menschen, die Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Gibt es Ihrer Meinung nach gerade mit Blick auf diesen steinigen Weg einen besseren oder auch schlechteren Zeitpunkt um Kinder zu bekommen, wenn man eine universitäre Laufbahn einschlagen möchte?

Einen idealen Zeitpunkt gibt es dafür nicht. Aber auch im Rückblick erscheint mir die Zeit der Habilitation relativ günstig. Der Druck ist zwar erheblich, aber die zeitliche Flexibilität ist am größten. Voraussetzung ist allerdings, dass der Partner das Projekt voll unterstützt und sich in gleichem Umfang um die Kinder kümmert.

War es selbstverständlich für Sie, dass Sie Karriere und Kinder haben würden? Haben Sie und Ihr Mann sich bewusst mit dem Thema Gleichberechtigung auseinandergesetzt?

Ich wollte immer auf jeden Fall beides! Mein Mann und ich waren uns auch von Anfang an völlig einig darin, dass uns sowohl unsere Berufe als auch Kinder sehr wichtig sind. Als während meiner Habilitation als zweites Kind unser Sohn geboren wurde, sind wir zunächst an die Wirkungsstätte meines Mannes gezogen. Er hat aber schon damals gesagt, dass wir dann den Familienwohnsitz an den Ort meiner ersten Berufung verlegen würden - und so haben wir es gemacht. Seither ist er gependelt.

Professorinnen sind im rechtswissenschaftlichen Bereich weiterhin eher unterrepräsentiert. Hatten Sie in ihrer Karriere jemals den Eindruck als Frau anders behandelt zu werden als ihre männlichen Kollegen?

Es ist in der Tat leider noch immer so, dass die Zahl der Professorinnen recht gering ist. Von daher ließe sich schon von der einen oder anderen Begebenheit berichten. Da fällt mir etwa ein, wie ich als neu berufene Professorin eine Einladung von der Frau des Rektors zum Adventskaffee erhielt. Als ich mich ganz ahnungslos bei meinen ausschließlich männlichen Kollegen erkundigte, ob sie auch kämen, musste ich feststellen, dass nur ihre Gattinnen eingeladen waren! Heute ist vor allem in Vorständen von Vereinigungen oder in Gremien eine angemessene Repräsentanz von Wissenschaftlerinnen noch nicht selbstverständlich. Dann fehlt es manchmal schon an einem Gefühl der Normalität.

Haben Sie sich während Ihrer Laufbahn an Vorbildern orientiert?

Wie gesagt gab es während meiner Studien- und Promotionszeit in meinem unmittelbaren Umfeld leider keine Professorin, an deren Weg ich mich hätte orientieren können. Zu Zeiten meiner Promotion habe ich mich aber regelmäßig zur Diskussion mit einigen Kolleginnen getroffen, beteiligt war auch Ingeborg Schwenzer, die damals bereits an ihrer Habilitation arbeitete und dann schnell einen Ruf nach dem anderen erhielt. Sie hat sich stets nicht nur in ihren Fächern sondern auch für die nachfolgende Juristinnengeneration herausragend engagiert. Auch insoweit ist sie mir ein Vorbild gewesen.

Wie aktiv ermutigen Sie heute nachfolgende Generationen von Juristinnen dazu, eine Professur anzustreben?

Das ist mir ein sehr großes Anliegen. Ich ermuntere meine Mitarbeiterinnen und bemühe mich nach Kräften, sie bei ihren Plänen einer Promotion oder Habilitation zu unterstützen. Aber auch sonst habe ich insoweit einiges unternommen: Um die Zahl der Promovendinnen zu erhöhen, habe ich bereits vor mehr als 15 Jahren ein Programm zur Anschubfinanzierung von Promotionen initiiert, mit dem mittlerweile 60 Doktorandinnen gefördert wurden. Ich habe mich an verschiedenen Mentoring-Programmen, ua auch dem ausgezeichneten Fast Track-Programm der Robert Bosch Stiftung, beteiligt. Als Fachbereichsvorsitzende habe ich in unseren Gleichstellungsplan die Etablierung eines Programms zur Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses aufgenommen, mittlerweile läuft das Justitia-Programm schon eine ganze Weile erfolgreich.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

Eine Karriere im Anwaltsberuf mit einer Familie zu vereinbaren, erscheint mir noch schwieriger, als die in der Wissenschaft. Vor einigen Jahren habe ich Frau Dr. Claudia Jehle kennengelernt, die gerade aus einer höchst erfolgreichen Tätigkeit bei einer der renommierten internationalen Großkanzleien heraus - mit Beginn ihres Mutterschutzes - gemeinsam mit einigen KollegInnen eine Boutique-Kanzlei gründete und mittlerweile mit großem Erfolg führt. Eine junge Kollegin, die inspiriert!

Vielen Dank für das spannende Interview und die persönlichen Einblicke!

Bonn, 15. September 2018. Prof. Dr. Dethloff, LL.M., hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Franziska Härle.

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