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Elisabeth Kaneza

Elisabeth Kaneza im Porträt

„Wir können eine gerechtere Gesellschaft gestalten.

 

Elisabeth Kaneza, Gründerin und Vorsitzende der Kaneza Foundation & Doktorandin an der Universität Potsdam, über ihre Forschung zur Situation Schwarzer Menschen in Deutschland, die Bedeutung von Allies in der Rechtswissenschaft, ihr Engagement für eine gerechtere Gesellschaft und den Mut, den ersten Schritt zu gehen.

Liebe Elisabeth, 2016 hast Du die Kaneza Foundation for Dialogue and Empowerment gegründet, deren Vorsitzende Du bist. Wofür steht die Kaneza Foundation und welche Ziele verfolgt sie?

Die Kaneza Foundation for Dialogue and Empowerment e.V. fördert Menschenrechte, Diversität und Chancengleichheit. Unsere Vision ist es, eine Welt mitzugestalten, die frei von Rassismus und Diskriminierung ist und in der alle Menschen gleiche Chancen haben. Rassismus ist allgegenwärtig. Es wurden Strukturen gebildet, die es schwierig machen, Rassismus von heute auf morgen zu überwinden. Zudem gibt es Vorurteile, die nicht einfach beseitigt werden können. Wenn sich niemand diesen Herausforderungen stellt, ändert sich nichts. Wir setzen uns dafür ein, dass ein Bewusstsein für die Existenz des Rassismus geschaffen wird. Denn obwohl Rassismus für viele Menschen eine Realität ist, wird er immer noch geleugnet. Wir machen uns außerdem dafür stark, dass Betroffene ihre Rechte kennen und sich gegen Diskriminierungen wehren können.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, die Kaneza Foundation zu gründen?​

Ich wollte aktiv einen Beitrag dafür leisten, Diversität in unserer Gesellschaft zu fördern. Mir ist bewusst geworden, dass es die Notwendigkeit gibt, Betroffene von Rassismus zu unterstützen und Vorbilder zu schaffen. 

Neben Deiner Arbeit bei der Kaneza Foundation promovierst Du an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. In Deiner Dissertation beschäftigst Du Dich mit der rechtlichen Situation Schwarzer Menschen in Deutschland und strukturellem Rassismus generell. Was hat Dich dazu bewogen, dieses Thema im deutschen Kontext zu erforschen?

Ich habe mich dafür entschieden, zu den Rechten von Schwarzen Menschen in Deutschland zu promovieren, weil ich ein persönliches Erkenntnisinteresse habe, zu untersuchen, welche Diskriminierungserfahrungen Schwarze Menschen machen und welche rechtlichen Maßnahmen notwendig sind, um bestehende Schutzlücken zu schließen und Gleichberechtigung zu schaffen. Die rechtliche Situation von Schwarzen Menschen in Deutschland ist unterforscht. Das bedeutet, dass es dazu nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse gibt.

Die strukturelle Diskriminierung von Schwarzen Menschen geht Jahrhunderte zurück und steht im Zusammenhang mit der Historie der Versklavung und des Kolonialismus. Schwarze Menschen wurden in deutsche Gebiete verschleppt und sie wurden während des Nationalsozialismus diskriminiert und ermordet. Als Kolonialmacht hat das Deutsche Reich Afrikaner:innen unterdrückt und systematisch vernichtet. Der Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Der Anti-Schwarze Rassismus ist also kein neues Phänomen in Deutschland. Jedoch führt das Unwissen darüber dazu, dass Schwarze Menschen nicht als Betroffene von struktureller Diskriminierung anerkannt werden. In meiner Dissertation mache ich die strukturelle Diskriminierung von Schwarzen Menschen sichtbar und formuliere Empfehlungen für ihre Gleichberechtigung.

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In welchem Verhältnis stehen für Dich Forschung und zivilgesellschaftliches Engagement?

In meinem Fall stehen Forschung und zivilgesellschaftliches Engagement in einem engen Verhältnis. Dank meiner Arbeit als Menschenrechtlerin konnte ich relevante Erkenntnisse aus der Praxis für meine Forschung gewinnen. Die Erfahrungen von Betroffenen von Rassismus zeigen, dass sich bestehende Diskriminierungsverbote nicht automatisch in der Rechtswirklichkeit niederschlagen. Zum Beispiel erfahren Schwarze Menschen und People of Color Racial Profiling, obwohl diese Praxis gegen das Grundgesetz verstößt. Die Stimmen der Betroffenen müssen gehört werden, um diese Diskrepanz sichtbar zu machen.

Für beides – Deine Forschung und Dein soziales Engagement – hat Dich die Universität Potsdam im Januar 2021 mit dem Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz ausgezeichnet. Was bedeutet diese Anerkennung für Dich?

Der Voltaire-Preis ist eine wichtige Anerkennung für mich. Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich die diesjährige Preisträgerin bin. Der Preis ist für mich von großer Bedeutung, weil er die Forschung zu Rassismus und Diskriminierung würdigt und Sichtbarkeit für Wissenschaftler:innen schafft, die diese Forschung vorantreiben.

Bevor Du Deine Promotion an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam begonnen hast, warst Du viel im Ausland unterwegs: Nach einem interdisziplinären Studium aus Politik- und Rechtswissenschaften, u.a. in Maastricht, wurdest Du für ein Fellowship-Programm beim UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) in Genf ausgewählt. Später warst Du erneut als Fellow beim OHCHR in Genf und Brüssel tätig. Inwiefern prägen diese internationalen Erfahrungen Deine heutige Arbeit?​

Diese Erfahrungen prägen meine Arbeit sehr. Ich bin national und international tätig und unterstütze Institutionen und Organisationen dabei, Maßnahmen für die Rassismusbekämpfung umzusetzen. Durch meine Arbeit beim UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hatte ich die Möglichkeit an internationalen Initiativen gegen Rassismus mitzuwirken und bewährte Praktiken aus verschiedenen Ländern kennen zu lernen, um Rassismus und Diskriminierung zu begegnen. Diese Erfahrungen und Kenntnisse haben meine Forschung bereichert.

Deinen zahlreichen Aktivitäten ist gemein, dass sie sich mit der Förderung von Chancengleichheit, sozialer Gerechtigkeit und Diversität in unserer Gesellschaft befassen. Wo siehst Du Defizite und Handlungsbedarf?

Ich denke, dass wir in Deutschland Fortschritte machen. Jedoch bleibt Vieles unverändert, weil noch nicht genug dafür getan wird, dass die strukturellen Barrieren beseitigt werden. Ein Beispiel ist das Bildungssystem. Das Elternhaus ist nach wie vor entscheidend für Bildungschancen. Wer nicht aus einem akademischen Elternhaus kommt, hat weniger Chancen, einen akademischen Abschluss zu machen. Dies trifft auch auf Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte zu. Grundsätzlich besteht die Notwendigkeit, dass Diversität in allen gesellschaftlichen Bereichen gefördert wird. Die Vielfalt, die in der Gesellschaft existiert, sollte auch in Institutionen, Organisationen und Unternehmen abgebildet werden. Einerseits geht es darum, dass Chancengleichheit ermöglicht wird. Andererseits wird dadurch die Repräsentanz von verschiedenen Gruppen begünstigt.

Auch die deutsche Rechtswissenschaft ist davon nicht ausgenommen. In unserem Vorgespräch haben wir festgestellt, dass ein Bewusstsein für (die mangelnde) Diversität in der deutschen Rechtswissenschaft wächst. Was braucht es Deiner Meinung nach, um diese Entwicklung zu forcieren?​

Es ist wichtig, dass mehr Diversität in der juristischen Ausbildung geschaffen wird. Das betrifft die Studierenden und das Lehrpersonal. Aktuell sind Schwarze Menschen und People of Color nicht ausreichend repräsentiert. Diversität trägt dazu bei, dass die Rechtswissenschaft neue Perspektiven erhält. Anders als beispielsweise in den USA legen juristische Fakultäten in Deutschland noch keinen großen Fokus auf Diversität, Rassismus und Diskriminierung. Es ist zwar eine positive Entwicklung, dass es nun mehr rechtswissenschaftliche Beiträge zu diesen Themen gibt. Ich denke, dass es dennoch notwendig ist, das Antidiskriminierungsrecht und die Menschrechte in der juristischen Ausbildung stärker zu verankern und die Forschung zu Rassismus in der Rechtswissenschaft zu fördern.

Welche Rolle spielen dabei Allies, also Personen, die selbst nicht von Diskriminierung betroffen sind, sich aber dennoch für mehr Diversität in der Rechtswissenschaft stark machen?​ 

Allies spielen eine wichtige Rolle in der Rechtswissenschaft. Im Grunde geht es darum, dass Personen, die keine Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung machen, sich ihrer Machtposition und Privilegien bewusst werden und die Entscheidung treffen, diese zu teilen und sich aktiv für die Beseitigung bestehender Ungleichheiten einzusetzen. Das kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen. Allies können Diversität an den Hochschulen fördern. Sie können sich zudem dafür einsetzen, dass die Rechtswissenschaft diverser wird, indem sie gezielt von Diskriminierung betroffene Nachwuchswissenschaftler:innen unterstützen.

Die Themen mit denen Du Dich in Deiner Forschung auseinandersetzt sind nicht gerade leicht. Was treibt Dich an? Und was gibt Dir vielleicht auch in schwierigen Momenten Kraft und Zuversicht?

Mich treibt die Überzeugung an, dass ein positiver Wandel möglich ist und dass wir eine gerechtere Gesellschaft gestalten können. Es ist eine große Motivation für mich, dass ich einen Beitrag dazu leisten kann. In schwierigen Momenten hilft mir der Austausch mit Familie, Freund:innen und Kolleg:innen.

Was kannst Du denen mit auf den Weg geben, die gesellschaftlichen Wandel aktiv gestalten möchten, aber unsicher sind, ob ihre Ideen Erfolg versprechen?
 
Das Wichtigste ist, den Mut zu haben, den ersten Schritt zu machen. Jede Idee, die das Ziel hat, unsere Gesellschaft gerechter und inklusiver zu gestalten, ist wichtig. Deshalb ermutige ich jede Person, die sich aktiv engagieren möchte, sich auf ihre Vision und den positiven gesellschaftlichen Beitrag zu fokussieren und weniger auf das, was schief laufen könnte. Herausforderungen gehören dazu. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sie gut bewältigen kann, wenn man sich immer das Ziel vor Augen hält. Um es mit den Worten von Martin Luther King zu sagen: „Du musst nicht die ganze Treppe überblicken. Nimm nur die erste Stufe.“
Was hat Dir auf Deinem Weg geholfen?

Mir hat geholfen, dass ich ein breites Netzwerk habe. Ich konnte so Mitstreiter:innen gewinnen und Unterstützung erhalten. Die Vernetzung mit anderen Engagierten und Wissenschaftler:innen ist sehr wichtig, um die eigenen Projekte erfolgreich umzusetzen.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Mich haben viele Jurist:innen inspiriert. Ich kann deshalb nicht nur eine Person nennen. Sie alle haben gemeinsam, dass sie sich für Gleichheit und Diversität engagieren. Sie stehen trotz aller Widrigkeiten für ihre Überzeugungen ein und verteidigen die Rechte von Personen und Gruppen, die Diskriminierung erfahren.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Berlin, 17. Oktober 2021. Elisabeth Kaneza hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Susann Aboueldahab.

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