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Pia Lorenz, LL.M. oec., im Porträt

 

"Die eigenen Prioritäten zu kennen, kann Schritte in die falsche Richtung vermeiden."

Pia Lorenz, LL.M. oec., Chefredakteurin bei beck-aktuell, Co-Host bei Gerechtigkeit & Loseblatt und Mitglied der Schriftleitung der NJW, im Follow-Up-Interview über Herausforderungen als Gründerin einer Agentur, das Erkennen eigener Prioritäten und den langsamen, aber stetigen Fortschritt in der doch eher traditionell geprägten Rechtsbranche.

Was hat sich seit Ihrem letzten Interview mit breaking.through bei Ihnen verändert?

Einiges! Ich habe in meinem beruflichen Leben bereits mehrere Stationen hinter mich gebracht – nicht alle verliefen so, wie ich sie mir vorgestellt habe, aber alle waren sehr lehrreich und ich würde keine davon missen wollen. Nach einem eher kurzen Ausflug als Mitgründerin der Agentur für den Rechtsmarkt „Die Lawgentur“ habe ich – nicht ganz leichten Herzens, denn ich hatte ein wunderbares Team – die Agenturwelt wieder verlassen. Ich bin zum Rechtsjournalismus und in die Welt der Fachverlage zurückgekehrt.

Wie kam es zu der Wahl des doch eher traditionsreichen C.H. Beck Verlags?

 

Wenn man so lange in einer Branche unterwegs ist, kennt man einander. Als ein Projekt bei einem anderen Fachverlag, das ich gerade erst übernommen hatte, quasi noch im Entstehen schon wieder beerdigt wurde, war ich froh, mit C.H. Beck bereits in Kontakt zu stehen. Glücklicherweise waren mir dort damals schon Tätigkeiten angeboten worden, die mich sofort interessierten.

 

Ich stimme zu, dass C.H. Beck ein traditionsreiches Medienunternehmen ist und ich bin sicherlich ein eher progressiver Mensch. Das kann aber eine sehr gute Kombination sein, weil ich glaube, hier auch Skills einbringen zu können, die über die rein fachlichen hinausgehen, und vielleicht den Wandel, in dem sich auch C.H. Beck natürlich befindet, ein wenig begleiten zu können. Zudem sind die Werte, die hier gelebt werden, traditionell im besten Sinne:  Der Verlag übernimmt Verantwortung für seine Belegschaft und die Menschen, die – oft seit Jahrzehnten – für „das Haus“ arbeiten, haben eine starke Bindung an das Unternehmen. Überhaupt gibt es eine enorme Loyalität dem Verlag gegenüber, von Seiten der Familie und der Geschäftsleitung wie auch von Seiten der Mitarbeitenden. Es beeindruckt mich sehr, dass dieser Spirit unverändert ist, obwohl das Unternehmen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten so stark gewachsen ist und weiter wächst.

 

Was waren Ihre größten Learnings der vergangenen Jahre, insbesondere auch im Zusammenhang mit den beruflichen Veränderungen?

Das mag banal klingen, ist es aber tatsächlich wohl eher nicht: Auch wenn man sich für selbstreflektiert hält, sollte man sich stets sehr kritisch dahingehend hinterfragen, was einem selbst wirklich wichtig ist. Ich habe nach der Gründung unserer Agentur schnell festgestellt, dass für mich selbst die besten Arbeitsumstände – ein tolles Team, eine freie Zeiteinteilung und ein mobiles Office sogar aus dem Camper – nicht aufwiegen konnten, dass ich die inhaltliche Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit als Journalistin vermisste.

 

Der Schritt, der für meine Kollegen, mit denen ich damals die Agentur gemeinsam gegründet habe, genau richtig war – und bis heute ist –, war es für mich eben nicht. Die eigenen Prioritäten genau zu kennen, kann insofern Schritte in die falsche Richtung vermeiden. Und da kommt auch sofort das zweite Learning: Wenn man mal einen Schritt macht, der nicht dahinführt, wo man anzukommen glaubte, sollte man damit weder hadern noch es bereuen – schließlich nimmt man immer Erfahrungen mit, die man sonst nie gemacht hätte, lernt wieder Wichtiges, nicht zuletzt über sich selbst. Das Einzige, was man am Lebensende ganz sicher bereut, sind bekanntlich die Dinge, die man gar nicht erst versucht hat.

In Ihrem letzten Interview äußerten Sie sich kritisch zur mangelnden Sichtbarkeit von Juristinnen in den Medien. Inwieweit – wenn überhaupt – hat sich die Situation geändert?

Das kann ich nur anekdotisch und nicht auf Grundlage statistisch belegter Erkenntnisse beantworten. Ich habe schon den Eindruck, dass Frauen heute durchaus sichtbarer sind als damals und dass es auch einfacher geworden ist, sich öffentlich zu äußern und zu veröffentlichen. Aber dennoch gibt es rein zahlenmäßig immer noch eine erhebliche Kluft zwischen sichtbaren Juristinnen und sichtbaren Juristen. Das ist natürlich nicht zuletzt auf die bekannte Tatsache zurückzuführen, dass es weiterhin die Frauen sind, die den größten Teil der Care-Arbeit machen. Bekanntlich führt das gerade im wichtigen Alter zwischen 30 und 40 Jahren, in dem oft Familie gegründet wird, aber auch beruflich Weichen gestellt werden, bei Frauen dazu, dass Veröffentlichungen und andere Sichtbarkeitsthemen in den Hintergrund treten.

Hat die juristische Fachwelt sich sonst aus Ihrer Sicht seit unserem letzten Interview verändert?

Wenn man einen Schritt zurückgeht und sich die Rechtswelt ansieht, verändern sich durchaus bestimmte Dinge. Während ich kaum fassen kann, dass in den vergangenen Jahren, seit wir das letzte Mal miteinander sprachen, in Sachen Reform der juristischen Ausbildung weiterhin wenig bis nichts geschehen ist, ändert sich zumindest das Berufsbild der Jurist:innen doch – langsam, aber sicher.

 

Es wird normaler, dass Männer mehr als zwei Monate in Elternzeit gehen und auch im Alltag mehr Care-Arbeit übernehmen. Sie fordern die Möglichkeiten dazu auch immer stärker und lauter ein, auch in Wirtschaftskanzleien, wo das traditionell ein schwieriges Thema ist. Das hat natürlich Konsequenzen dafür, wie, wie viel und wann man arbeiten kann. Und das kommt langsam auch an entscheidenden Stellen an. Die Satzungsversammlung hat z.B. gerade beschlossen, dass Anwältinnen und Anwälte nun fünf statt der bisher vorgeschriebenen drei Jahre Zeit haben, um ihre praktischen Fälle für den Fachanwalt zu sammeln. Das hat die Satzungsversammlung ausdrücklich mit einem geänderten Berufsbild in der Anwaltschaft und unter anderem auch damit begründet, dass gerade Frauen, die Familie gründen, sonst nicht genug Zeit hätten, die Fälle zu bearbeiten.

 

Schließlich eröffnen sich durch Legal Tech und vor allem KI, aber zum Beispiel auch durch das gestiegene Bewusstsein für die Notwendigkeit von Öffentlichkeitsarbeit in der Jurawelt immer mehr und ganz neue Berufsbilder. Auch den jungen Jurist:innen, die keine Lust haben auf die tradierte Auswahl zwischen Justiz, Kanzlei oder Rechtsabteilung, bieten sich heute viel mehr Perspektiven als noch vor zehn Jahren.

 

Ja, es geht langsam und unsere Branche ist traditionell eher veränderungsavers – aber es geht voran!

Was würden Sie mit Blick auf die juristische Ausbildung und / oder Ihren Berufseinstieg heute anders machen, und was auf jeden Fall genauso? Wieso?

Rückblickend würde ich mir früher darüber Gedanken machen, wo ich mich selbst sehe – das führt ein wenig zurück zu dem Learning, sich selbst kritisch daraufhin zu hinterfragen, was einem wirklich wichtig ist. Daher der klare Ratschlag an alle, die die Möglichkeit dazu haben: Verschaffen Sie sich möglichst früh möglichst viele Einblicke in Tätigkeiten, die Sie potenziell interessieren – und gleichen Sie sie ab mit Ihren eigenen Interessen, aber auch mit Ihren Talenten und Wertvorstellungen.

 

Sprechen Sie mit Menschen, die Sie als top in ihrem Job empfinden und versuchen Sie herauszufinden, welche Eigenschaften sie so gut machen. Eine Richterin muss andere Dinge können als eine Anwältin, es geht im Job nicht nur um Jura. Was am Ende wirklich vom Durchschnitt abhebt, sind Talent und Leidenschaft für das, was man tut.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Frankfurt am Main, 11. Juni 2025. Pia Lorenz hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellten Mara Alin Brinker und Apollonia Denkler.

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