
Priscilla Bonsu, Esq., im Porträt
"Ich würde mich immer wieder für New York entscheiden."
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Priscilla Bonsu, Esq., Associate im New Yorker Büro von Lippes Mathias LLP, über ihren Weg durch das amerikanische Jurastudium, Herausforderungen während des Berufseinstiegs und ihren Arbeitsalltag in New York.
Priscilla, Du bist Corporate Associate im New Yorker Büro der US-amerikanischen Kanzlei Lippes Mathias LLP im Bereich M&A/Private Equity tätig. Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
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Mein Arbeitstag beginnt in der Regel zwischen 9 und 10 Uhr morgens. Anders als in vielen Kanzleien gibt es bei uns keine regelmäßigen Morning Meetings. Wir starten direkt mit der Mandatsarbeit. Da wir viele internationale Mandanten betreuen, ist der frühe Austausch per E-Mail gerade wegen der Zeitverschiebung oft wichtig.
Mittags mache ich eine kurze Pause, meist nicht länger als eine Stunde. Ich arbeite in der Regel bis abends, meist zwischen 18 und 20 Uhr, und wohne zum Glück in der Nähe des Büros.
Inhaltlich bin ich stark im Bereich M&A und Private Equity eingebunden. Unsere Mandate kommen nicht nur aus den USA, sondern auch aus Kanada, Europa und Asien. Ich begleite viele Strukturierungsfragen, arbeite eng mit Mandanten zusammen und bin aufgrund meines Backgrounds im Bereich Securities regelmäßig im Austausch mit der SEC (Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde der USA). Die Arbeit ist oft sehr dokumentenintensiv, insbesondere bei börsennotierten Unternehmen, und mit strikten Deadlines verbunden.
Gerade bei internationalen Mandaten ist gutes Projekt- und Zeitmanagement essenziell. Das prägt meinen Arbeitsalltag sehr.
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Der Weg dahin hat Dich zunächst von einem ersten Staatsexamen in Heidelberg zu einem LL.M. an der University of California, Berkeley, geführt. Wieso hast Du Dich nach dem ersten Staatsexamen dazu entschieden, Deine Ausbildung in den USA fortzusetzen?
Ich hatte eigentlich schon früh den Wunsch, in den USA zu studieren. Vorzugsweise hätte ich sogar direkt dort angefangen. Aber das war damals organisatorisch und finanziell schwer umzusetzen. Deshalb habe ich mich zunächst für das erste Staatsexamen in Deutschland entschieden, um mir anschließend über einen LL.M. den Weg in die USA zu eröffnen. Ich dachte damals, das wäre der einfachste Weg, um dort Fuß zu fassen.
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Offenbar haben Dich das amerikanische Rechtssystem und die kalifornische Lebensweise überzeugt, denn Du hast anschließend einen J.D. an der Emory University sowie das sog. Bar Exam (die amerikanische Anwaltsprüfung) absolviert und bist danach als Anwältin in einer amerikanischen Kanzlei in Atlanta eingestiegen. Was hat Dich dazu bewegt, eine Karriere in den USA zu verfolgen, anstatt zum Beispiel nach Deutschland zurückzukehren?
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Mein Ziel war von Anfang an, im Bereich Entertainment und Media Law tätig zu werden, idealerweise in Kombination mit Corporate Law. In Deutschland habe ich dafür kaum Möglichkeiten gesehen. In den USA, vor allem in Kalifornien, habe ich zum ersten Mal ernsthaft mit IP- und Unternehmensrecht gearbeitet, als ich dort während meines LL.M.-Studiums im Silicon Valley studierte. Da wurde mir klar: Das ist der Bereich, in dem ich langfristig arbeiten möchte.
Ursprünglich war mir der J.D., also das US-äquivalente Jurastudium, gar nicht wirklich ein Begriff. Ich ging davon aus, dass der LL.M. ausreichen würde, um als Anwältin in den USA zu arbeiten. Im Laufe des LL.M.-Studiums habe ich dann allerdings gemerkt, dass das deutlich schwieriger ist, als ich dachte: Die Konkurrenz auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt ist groß, und viele Kanzleien kennen sich mit ausländischen Abschlüssen wie dem LL.M. kaum aus oder wissen nicht, wie sie die Qualifikation einordnen sollen.
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Hinzu kommt, dass LL.M.-Programme inhaltlich sehr unterschiedlich sind: Manche haben etwa einen Schwerpunkt im IP- oder Technologierecht, andere im Wirtschaftsrecht oder Public Policy. Wenn man sich in einem sehr spezifischen Bereich spezialisiert, kann es schwer sein, später in einen anderen Sektor zu wechseln. Deshalb habe ich mich entschieden, im Anschluss an den LL.M. noch den J.D. zu machen, um auf dem US-Arbeitsmarkt wirklich konkurrenzfähig zu sein.
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Gerade Kalifornien und New York gelten als Hochburgen für Medien- und Unterhaltungsrecht, deshalb war für mich klar: Wenn ich in diesem Bereich Fuß fassen möchte, dann dort. Auch Atlanta ist in diesem Bereich stark, aber die meisten Möglichkeiten gibt es ganz klar an der Ost- und Westküste. Dass ich dann letztlich in New York gelandet bin, war eine bewusste Entscheidung, auch wenn der Einstieg alles andere als leicht war.
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Was schätzt Du heute persönlich an Deinem Leben und Deiner Arbeit in New York besonders? Haben sich Deine Erwartungen erfüllt?
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Größtenteils haben sich meine Erwartungen erfüllt, doch es war deutlich herausfordernder, als ich dachte. Ich habe unterschätzt, wie anstrengend das Leben und Arbeiten in den USA, besonders in New York, sein kann. Die Stadt ist schnelllebig, intensiv und fordernd, und trotzdem würde ich mich jederzeit wieder für sie entscheiden. Sie hat eine unglaubliche Energie, bietet unzählige Erlebnisse und Begegnungen mit Menschen aus aller Welt und lehrt einen enorm viel – beruflich wie persönlich. In den letzten fünf Jahren habe ich hier mehr gelernt als je zuvor, und die internationale, vielschichtige Arbeit macht New York für mich zum richtigen Ort.
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Wo erlebst Du gegebenenfalls auch Herausforderungen?
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Eine der größten Herausforderungen war für mich der Einstieg ins Berufsleben, vor allem im Corporate-Bereich. Die juristische Ausbildung in den USA ist stark auf Litigation ausgerichtet, und trotz einiger M&A-Kurse im Studium war ich auf die Praxis in einer Wirtschaftskanzlei kaum vorbereitet. Da es in vielen Kanzleien kaum strukturierte Einarbeitungsphasen gibt und erwartet wird, sofort einsatzbereit zu sein, wurde ich schnell ins kalte Wasser geworfen. Diese „Time is Money“-Mentalität war eine große Umstellung, besonders im Vergleich zu Deutschland, wo der Übergang zwischen Studium und Kanzleialltag strukturierter und unterstützter abläuft.
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Im Gegensatz zum deutschen Referendariat sind in den USA Summer Associate-Programme üblich. Welche Erfahrungen hast Du damit gemacht?
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Ja, in den USA gibt es im Rahmen des Jurastudiums sogenannte Summer Associate-Programme. Das ist in etwa vergleichbar mit Praktika oder Stationen, wie man sie im deutschen Jurastudium und Referendariat kennt. Allerdings ist der praktische Lerneffekt dort meiner Meinung nach sehr begrenzt.
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Diese Programme sind stark auf Marketing ausgerichtet. Es geht weniger darum, echte Berufserfahrung zu sammeln, als vielmehr darum, die Studierenden für die Kanzlei zu gewinnen, damit sie das spätere Jobangebot annehmen. Man bekommt zwar einige Aufgaben („Assignments“), aber im Fokus stehen Networking-Events, Socials, Rooftop-Abende und ähnliche Formate.
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Man lernt fachlich in dieser Zeit – ehrlich gesagt – kaum etwas. Der „Ernst des Lebens“ beginnt eigentlich erst mit dem Eintritt als Full-Time Associate. Dann ist die „Sommershow“ vorbei, und auf einmal wird einem bewusst, wie viel man eigentlich noch nicht weiß: Man sitzt da, soll produktiv mitarbeiten, kennt die Abläufe nicht und merkt schnell, dass man auf Vieles nicht vorbereitet wurde.
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Gerade dieser plötzliche Übergang kann sehr frustrierend sein, wenn man nicht sofort den Anschluss findet. Deshalb sehe ich die Summer Associate-Programme eher kritisch. Sie vermitteln ein etwas verzerrtes Bild vom Kanzleialltag und bereiten einen kaum auf die tatsächliche Arbeit vor.
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Ist die Teilnahme an einem Summer Associate-Programm während des Jurastudiums verpflichtend?
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Nein, verpflichtend ist die Teilnahme nicht. Es gibt keine formale Vorgabe, dass man ein Summer Associate-Programm absolvieren muss. Ich persönlich habe während meines J.D.-Studiums nur einen Sommer in einem solchen Programm verbracht, und das war 2018 bei Smith, Gambrell & Russell.
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Trotzdem würde ich die Teilnahme an einem solchen Programm stark empfehlen – vor allem, wenn man später in einer Kanzlei arbeiten möchte. Die Teilnahme signalisiert, dass man leistungsfähig ist und sich für die Kanzleiwelt interessiert. Viele nutzen das Programm auch gezielt, um schon während des Studiums Kontakte zur späteren Arbeitgeberkanzlei zu knüpfen.
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Wer dagegen in den öffentlichen Sektor will, etwa zur Staatsanwaltschaft oder in den Bereich Public Policy, versucht oft, im Sommer Praktika in staatlichen Institutionen oder Non-Profits zu bekommen. Auch das kann ein wichtiges Signal an potenzielle Arbeitgeber sein.
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Auch wenn Du persönlich diese Angebote bisher nicht genutzt hast, bieten US-Kanzleien grundsätzlich Modelle wie Elternzeit oder Teilzeit an, um Beruf und Familie zu vereinbaren? Und wie werden solche Modelle in der Praxis angenommen?
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Ja, grundsätzlich gibt es in US-Kanzleien durchaus Modelle wie Teilzeit oder Elternzeit, auch wenn ich sie persönlich bisher nicht in Anspruch genommen habe. Ich kenne zum Beispiel Partnerinnen und Partner, die in Teilzeit arbeiten. Auf Associate-Level habe ich das bisher allerdings selten erlebt.
In Großkanzleien sind solche Modelle in der Regel besser etabliert, mit klareren Prozessen und mehr Flexibilität. In kleineren oder mittelständischen Kanzleien ist das schwieriger. Unter anderem auch, weil es dort oft keine festen internen Richtlinien gibt. Vieles hängt vom Einzelfall ab und davon, wie offen man mit seinem Practice Group Leader oder Team Lead sprechen kann. Man muss teilweise selbst aushandeln, wie lange man aussetzen möchte und wann man zurückkehren kann. Transparenz und Planungssicherheit sind in kleineren Strukturen oft begrenzt.
Ich hatte zum Beispiel eine Kollegin, die im Frühjahr in Elternzeit gegangen ist. Sie war drei Monate weg und ist dann im Juli zurückgekommen. Das zeigt: Es geht, aber es ist nicht immer einfach. Gerade als junge Associate hat man oft das Gefühl – unausgesprochen –, dass Kinderkriegen „nicht ideal“ ist oder einfach nicht eingeplant ist. Solche unausgesprochenen Erwartungen können belastend sein.
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Letztlich ist das Thema sehr individuell. Ich denke, man sollte sich davon, was eine Kanzlei möglicherweise denkt oder erwartet, nicht allzu sehr beeinflussen lassen. Wenn der Kinderwunsch da ist, dann ist das eine persönliche Entscheidung und entsprechend sollte man Kanzleien wählen, die diese Lebensphase mittragen können. Die Prioritäten im Leben ändern sich, und dann muss man eben den Arbeitgeber finden, der zu diesen neuen Rahmenbedingungen passt. Ich bin da offen und denke: Wenn es woanders besser passt, geht es eben weiter – man muss flexibel bleiben und sich nicht verbiegen lassen.
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Schon der Weg an eine amerikanische Universität ist mit einem aufwendigen Bewerbungsverfahren verbunden, das sich sehr von dem Bewerbungsverfahren für die meisten deutschen Universitäten unterscheidet. Wie läuft der Bewerbungsprozess für einen LL.M. oder einen J.D. üblicherweise ab?
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Ich erinnere mich noch gut daran, wie stressig der Bewerbungsprozess für ein Studium in den USA war. Der bürokratische Aufwand war enorm, vor allem, was die Unterlagen anging. Inzwischen ist das, glaube ich, gängige Praxis und besser etabliert, aber damals war das alles noch kompliziert.
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Auch das Visumsverfahren war anstrengend. Ich musste zum amerikanischen Generalkonsulat, damals noch in Frankfurt, was natürlich mit zusätzlichen Wegen und Zeitaufwand verbunden war. Hinzu kamen die zahlreichen Gebühren – Visumgebühr, Bewerbungsgebühren und so weiter. All das hat sich schnell summiert.
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Für den J.D. musste ich zudem den LSAT absolvieren, das ist der standardisierte Test, der für das Jurastudium in den USA erforderlich ist – vergleichbar mit dem MCAT für Medizin oder dem GMAT für ein MBA-Studium. Ich habe den LSAT damals in München abgelegt. Das bedeutete nicht nur eine Menge Vorbereitung, sondern auch eine Reise dorthin, was den Aufwand natürlich noch einmal erhöhte.
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Wie viel Zeit hast Du in die Vorbereitung investiert und welche finanziellen Aufwände waren damit verbunden?
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Die Vorbereitung hat auf jeden Fall mehrere Monate in Anspruch genommen. Besonders für den J.D. war der Aufwand deutlich größer als für den LL.M. – ich würde sagen, für den J.D. habe ich mindestens drei Monate intensiv gelernt.
Ich bin in dieser Zeit nach Kalifornien zurückgekehrt, um mein Studium abzuschließen, und habe während des Sommers auch einen LSAT Vorbereitungskurs in San Francisco belegt, der etwa zweieinhalb Monate dauerte. Danach bin ich zurück nach Deutschland und habe mich nach dem Kurs vor allem auf das Absolvieren von Practice Tests konzentriert. Die Vorbereitung war also ein kontinuierlicher Prozess, der sich insgesamt über mehrere Monate gezogen hat – nicht zuletzt, weil man sich zeitlich auch nach den Prüfungsangeboten richten musste. Der LSAT wird nur zu bestimmten Terminen im Jahr angeboten, was zusätzliche Planung erfordert.
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Finanziell ist der Aufwand ebenfalls nicht zu unterschätzen. Neben den Studiengebühren und dem Visum fielen zusätzliche Kosten für den Vorbereitungskurs sowie für Testgebühren an. Alles in allem war es eine intensive Phase, sowohl zeitlich als auch finanziell.
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Was hat Dir bei Deinen Bewerbungen außerdem geholfen?
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In den USA wird bei Bewerbungen – sowohl für den LL.M. als auch für den J.D. – grundsätzlich ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Das bedeutet: Es wird nicht nur auf Noten oder Testergebnisse geschaut, sondern auf das Gesamtbild einer Bewerberin oder eines Bewerbers. Besonders zentral ist dabei das Personal Statement. Das bietet die Gelegenheit, die eigene Motivation, den bisherigen Werdegang und die persönlichen Ziele authentisch darzustellen. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Teil der Bewerbung eine sehr wichtige Rolle gespielt hat – vielleicht sogar die wichtigste.
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Transcripts (Notenauflistungen) werden ebenfalls verlangt, allerdings habe ich den Eindruck, dass sie insbesondere im LL.M.-Verfahren weniger entscheidend sind als oft angenommen. Die Anforderungen an LL.M.-Bewerber und Bewerberinnen sind meiner Meinung nach auch etwas flexibler. Gerade weil viele internationale Bewerber und Bewerberinnen aus ganz unterschiedlichen Notensystemen kommen – wie etwa dem deutschen Staatsexamen –, fehlt es den amerikanischen Unis oft an einem direkten Vergleichsmaßstab. Daher liegt der Fokus stärker auf dem, was man als Person mitbringt.
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Beim J.D.-Studium hingegen spielen Noten und Testergebnisse (wie der LSAT) in der Regel eine größere Rolle. In meinem Fall war es allerdings etwas anders: Ich hatte ja bereits mein LL.M.-Studium an der UC Berkeley abgeschlossen. Das Transkript aus diesem Studium, also meine Leistungen während des LL.M., sowie Empfehlungsschreiben von Berkeley-Professoren und Professorinnen, hatten bei meiner J.D.-Bewerbung ein deutlich höheres Gewicht als der LSAT. Der Test war zwar nach wie vor Teil der Bewerbung, aber für Bewerber und Bewerberinnen, die bereits juristische Studienerfahrung in den USA mitbringen, wird er oft nicht mehr ganz so stark gewichtet – im Gegensatz zu den klassischen „Undergraduate“-Bewerber und Bewerberinnen, für die der LSAT häufig ein zentrales Kriterium ist.
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In meinem Personal Statement für den J.D. konnte ich zudem auf meine Erfahrungen bei der Deutschen Botschaft, Weltbank und vor allem im Silicon Valley eingehen, die ich im Rahmen meines LL.M.s gesammelt hatte. Auch meine Beweggründe für das Jurastudium in den USA – und speziell an der gewünschten Universität – habe ich darin verdeutlicht. All diese Aspekte fließen in die Entscheidung mit ein.
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Insgesamt würde ich sagen: Der Bewerbungsprozess ist vielschichtig. Es geht nicht nur um Zahlen, sondern vor allem darum, wie man sich selbst als Persönlichkeit präsentiert – besonders beim LL.M., aber auch für den J.D., kann ein starker Hintergrund, wie absolvierte Praktika und LL.M. in den USA, eine wichtige Rolle spielen und andere Kriterien – wie den LSAT – in den Hintergrund rücken.
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Im Vergleich zur deutschen Juristenausbildung ist ein Studium in den USA mit erheblichen Kosten verbunden – allein für einen LL.M. können schnell Unkosten in Höhe von USD 100.000 entstehen. Konntest Du Stipendien oder andere Formen der finanziellen Unterstützung in Anspruch nehmen?
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Die Finanzierung des Studiums in den USA ist definitiv eine Herausforderung. Studiengebühren in den USA sind bekanntlich sehr hoch. Ich habe jedoch ein Stipendium erhalten – wobei man sagen muss, dass es sich dabei eher um eine Ermäßigung der Studiengebühren handelt als um ein klassisches Stipendium, wie man es vielleicht aus Deutschland kennt. Anders als zum Beispiel beim DAAD musste ich mich nicht gesondert bei einer Organisation bewerben, sondern die Stipendienentscheidung war direkt an die Bewerbung gekoppelt. Wenn man eine Zusage erhält, bekommt man im selben Zug auch das Angebot für das Stipendium. Durch so einen Studiengebührenerlass von der UC Berkeley konnte ich einen großen Teil der Kosten meines LL.M Studiums abdecken.
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Aus Deutschland habe ich für das LL.M-Studium selbst keine finanzielle Unterstützung erhalten. Für ein klassisches DAAD-Stipendium zum Beispiel hätte ich damals ein „vollbefriedigend" im Examen gebraucht – das hatte ich leider nicht.
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Für ein J.D.-Studium ist es kaum möglich, finanzielle Unterstützung aus Deutschland zu erhalten. Die fördernden Institutionen haben in der Regel ein Interesse daran, dass Geförderte nach dem Studium nach Deutschland zurückkehren – was bei einem J.D.-Studium jedoch in den meisten Fällen nicht das Ziel ist. Stattdessen gibt es in den USA verschiedene Möglichkeiten der finanziellen Förderung, insbesondere durch staatliche oder gemeinnützige Organisationen. Jede State Bar Association verfügt über eigene Programme und Fördermittel. Ich selbst habe im zweiten Jahr meines J.D.-Studiums ein Stipendium von der Georgia Association of Black Women Attorneys (GABWA) erhalten. Dort war ich auch als Vorstandsmitglied aktiv, was sicherlich zu meiner Förderung beigetragen hat.
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Spannend fand ich auch, dass man in den USA durchaus ein wenig verhandeln kann. Wenn man zum Beispiel eine Zusage von einer anderen Universität inklusive Stipendium erhält, kann man damit auf die favorisierte Uni zugehen und versuchen, bessere Konditionen auszuhandeln. Ich habe mich damals zum Beispiel auch bei UC Davis beworben – nicht, weil ich dort unbedingt studieren wollte, sondern eher strategisch, um bei Emory University bessere finanzielle Bedingungen herauszuholen. Das hat tatsächlich funktioniert: Ich habe ein sogenanntes Dean’s Merit Scholarship von UC Davis bekommen und konnte dadurch bei Emory erfolgreich nachverhandeln.
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Das Tolle in den USA ist: Es wird nicht auf Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus geschaut – es zählt allein, ob man eingeschrieben ist und aktiv am akademischen und gesellschaftlichen Leben teilnimmt. Wer sich engagiert, hat sehr gute Chancen auf Unterstützung. In vielen Fällen reicht eine einfache Bewerbung mit Nachweis der Immatrikulation und etwas Engagement aus.
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Insgesamt war es zwar nicht einfach, aber es gibt deutlich mehr Flexibilität und Offenheit bei der finanziellen Förderung in den USA, als ich es aus Deutschland kannte – gerade was internationale Studierende betrifft. Das hat mir persönlich sehr geholfen. Rückblickend war der ganze Prozess zwar alles andere als einfach, aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt.
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Während deiner Studienzeit warst du mit einem Studentenvisum in den USA. Die Trump-Administration hat bereits während ihrer ersten Amtszeit den Zugang zu Studierendenvisa erschwert. Aktuell spitzt sich die Lage weiter zu. Etwa hat die US-Regierung die Verfahren zur Aufnahme ausländischer Studenten vorläufig gestoppt. Würdest Du deutschen Studierenden derzeit abraten, einen LL.M. oder einen J.D. in den USA zu beginnen?
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Das kommt sehr darauf an, was man selbst anstrebt und welches Risiko man bereit ist einzugehen. Schon während meiner Studienzeit in den USA war der Umgang mit dem Studentenvisum (F-1) und den dazugehörigen Arbeitsmöglichkeiten kompliziert – insbesondere während der Trump-Administration, die den Zugang deutlich erschwert hat. Das betraf vor allem die Möglichkeiten, während und nach dem Studium zu arbeiten, etwa im Rahmen von Summer Associate Programmen.
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Besonders kritisch ist die Übergangsphase nach dem Abschluss: Wer längerfristig in den USA bleiben möchte, ist auf ein H-1B-Visum angewiesen. Dieses Visum wird allerdings per Lotterie vergeben – man kann sich also nicht sicher darauf verlassen, es auch tatsächlich zu bekommen. Wenn das nicht klappt, läuft das F-1-Visum aus, und man muss das Land wieder verlassen. Das ist besonders bitter, wenn man bereits hohe Studiengebühren bezahlt hat und beruflich eigentlich in den USA Fuß fassen wollte.
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Ich kenne einige, die – trotz hervorragender Abschlüsse – letztlich zurück in ihr Heimatland mussten. Andererseits gibt es auch viele, die mit einem J.D. oder LL.M. in Deutschland oder Asien sehr erfolgreich sind, z. B. im Kapitalmarktrecht oder in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Der Abschluss kann also auch außerhalb der USA sehr wertvoll sein.
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Aktuell scheint die Lage für internationale Studierende noch schwieriger zu sein als damals – etwa durch verschärfte Visa-Verfahren oder ausbleibende Konsulats-Termine. Wer jedoch gezielt in die USA möchte, bereit ist, bürokratische Hürden und finanzielle Risiken in Kauf zu nehmen, und idealerweise zusätzliche Sicherheit (z. B. eine Greencard) mitbringt, für den kann es sich trotzdem lohnen.
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Wer hingegen flexibler ist, sollte vielleicht auch Alternativen wie Großbritannien in Betracht ziehen – mit einem britischen Abschluss kann man ebenfalls international sehr viel anfangen.
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Beeinflusst die Unsicherheit rund um Einwanderungs- und Visapolitik Deine eigenen Überlegungen, langfristig in den USA zu bleiben?
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Zum Teil, ja – wobei ich sagen würde, dass die Unsicherheit vor allem Studierende betrifft, weniger diejenigen, die bereits im Arbeitsprozess stehen. Über den Arbeitgeber kann man langfristig ja auch eine Greencard beantragen, und die klassischen Kategorien wie das H-1B Visum bestehen weiterhin. Ich glaube, Trumps Fokus liegt eher auf der illegalen Migration – weniger auf regulärer Einwanderung über Arbeitsvisa. In diesem Bereich fühlen sich viele von uns relativ sicher.
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Problematisch wird es eher für internationale Studierende, insbesondere weil es da oft zu politischen Spannungen zwischen der Regierung und den Universitäten kommt. Es scheint weniger um die Studierenden selbst oder den Arbeitsmarkt zu gehen, sondern eher darum, den Bildungseinrichtungen ein politisches Signal zu senden. Das ist frustrierend – vor allem, wenn man ausgerechnet zu so einer Zeit in den USA ist.
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Für viele andere ist die Lage noch viel schwieriger. In einer WhatsApp-Gruppe von „African Women Attorneys“, in der ich bin, lese ich regelmäßig, wie hart es gerade für Studierende aus Ländern wie Nigeria, Ghana, Kenia oder Südafrika ist. Viele bekommen schlicht keine Termine für Visa-Interviews, und wenn sie einmal in den USA sind, dürfen sie teils nur einmal ausreisen – mit dem Risiko, dann nicht mehr zurückzukommen. Das wirkt schon gezielt restriktiv und trifft gerade Studierende aus Ländern des globalen Südens besonders hart.
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Auch wenn die Verfahren für Arbeitsvisa (z. B. H-1B) oder Greencards aktuell nicht grundlegend verschärft wurden, bleibt die Visapolitik insgesamt unberechenbar. Für Studierende, die ohnehin schon viele Hürden überwinden müssen, kann das ein erheblicher Stressfaktor sein.
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Ich selbst kenne auch Beispiele, wo es problemlos läuft – etwa ein Freund mit Greencard, der problemlos zwischen den USA und Europa pendelt. Wer diesen Status hat, ist deutlich besser abgesichert. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg – gerade für internationale Studierende, die mit einem F-1-Visum starten.
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Langfristig hoffe ich, dass sich die Situation wieder stabilisiert.
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Gibt es ein persönliches oder berufliches Ziel, das Du Dir für die nächsten Jahre noch gesetzt hast und auf das Du Dich besonders freust?
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Ja, sowohl persönlich als auch beruflich habe ich mir einige Dinge vorgenommen. Persönlich steht für mich das Thema Familiengründung im Vordergrund – das ist definitiv ein wichtiger nächster Schritt für mich.
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Beruflich möchte ich weiterhin im Bereich Corporate Law bleiben, das ist klar mein Fokus. Ich spiele auch mit dem Gedanken, ein Executive MBA-Programm zu machen – etwa ein Inactive MBA oder ein vergleichbares Format. Mich interessiert besonders der Bereich Corporate Finance, da würde ich gern noch tiefer einsteigen und meine Kenntnisse erweitern.
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Langfristig hoffe ich natürlich auch auf berufliches Weiterkommen, auch wenn ich weiß, dass das hier in New York ein sehr langsamer und kompetitiver Prozess ist.
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Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?
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Ich bin ein großer Fan von Sandra Navidi, die Ihr ja schon interviewt habt. Sie ist Juristin und Journalistin – eine Kombination, die ich extrem spannend finde. Besonders beeindruckend finde ich, dass sie sich als Juristin in der Finanzwelt, speziell an der Wall Street, etabliert hat und gleichzeitig im journalistischen Bereich sehr präsent ist.
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​Ich selbst mache aktuell das „Modern Journalism Program“ an der NYU, weil mich Journalismus – gerade in Verbindung mit Wirtschaft und Recht – sehr interessiert. Insofern ist Sandra Navidi für mich ein echtes Vorbild, weil sie diese Bereiche so überzeugend miteinander verbindet.
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Vielen Dank für das spannende Interview!
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New York/Mannheim/Hamburg, 14. Juli 2025. Das Interview führten Jennifer Kneisl und Klara Grube.​
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