
Follow-up Porträt von Su Reiter
"Sichtbarkeit ist heute kein Nice-to-have mehr."
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Su Reiter, Digitalunternehmerin auf dem Rechtsmarkt, im Follow-Up Interview über den Abschied vom Jurastudium, den entschlossenen Schritt, Freiheit und Fokus zurückzugewinnen und warum Google sie inzwischen offiziell als „Person des öffentlichen Lebens“ ausweist.
Was hat sich seit Deinem letzten Interview mit breaking.through bei Dir verändert?
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Seit unserem letzten Gespräch haben sich meine Prioritäten stark verschoben: Ich studiere nicht mehr Jura, sondern stecke meine gesamte Energie in meine Selbstständigkeit. Aus meiner anfänglichen „One-Woman-Show“ ist die Agentur Reiter Media mit einem juristischen Team gewachsen, das vorwiegend Anwält:innen und Kanzleien im Online-Marketing berät und betreut. Wir sind super schnell gewachsen – so schnell, dass ich quasi “über Nacht” zur Chefin wurde. Aus dieser Zeit nehme ich sehr viele wertvolle Erfahrungen für mich mit.
Vor kurzem habe ich mich bewusst wieder verkleinert, um mehr Freiheit und Fokus zurückzugewinnen. Heute stehe ich viel stärker hinter meiner Rolle als Unternehmerin. Ich habe mir ein Leben geschaffen, das nicht nur finanziell erfolgreich ist, sondern auch zu meiner Persönlichkeit, meiner Mission und meinen Werten passt. Mittlerweile kann auch ein kleines juristisches Team davon leben.
Parallel habe ich legalnerd gegründet: eine juristische Contentplattform, die verständlich über rechtliche Fragen aufklärt und inzwischen über 20.000 Ratsuchende pro Monat erreicht (Stand 2025). Wir wollen die Zusammenarbeit mit Anwält:innen in den nächsten Monaten stärker ausbauen.
Mein persönliches Highlight: Google zeichnet mich inzwischen offiziell als “Person des öffentlichen Lebens” aus. Interviews wie das vorherige mit breaking.through, die Sichtbarkeit meiner Arbeit und mein tiefes Verständnis für die Arbeitsweise von Google haben maßgeblich dazu beigetragen. Das zeigt mir, wie sehr sich konsequentes Branding als Expertin für ein bestimmtes Nischenthema über Jahre hinweg auszahlt.
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Was waren Deine größten Learnings der vergangenen Jahre, insbesondere auch im Zusammenhang mit den beruflichen Veränderungen?
Mein vielleicht wichtigstes Learning: Erfolg bedeutet nicht, ständig größer zu werden, sondern kluge Entscheidungen zu treffen. Ich habe erlebt, wie es ist, ein Team aufzubauen, schnell zu wachsen. Plötzlich war ich nicht mehr nur Dienstleisterin, sondern auch Arbeitgeberin und Führunskraft. Die Entscheidung, bewusst kleiner zu werden, hat mir gezeigt, dass Loslassen genauso wichtig ist wie Aufbauen.
Leadership lässt sich nicht aus Büchern lernen. Manche Fehler muss man selbst machen. Gerade diese Erfahrungen geben mir heute das Selbstbewusstsein, meinen eigenen Weg zu gehen. Eine klare Positionierung kann dabei Wunder bewirken, egal wie klein die eigene Nische ist. Man muss nicht 500k Follower:innen haben, um in seinem Bereich führend zu sein.
Persönliche unternehmerische Erfahrungen zu teilen, schafft echte Verbindung zu anderen Unternehmer:innen und Entscheider:innen. Gerade in einem Markt, der oft nur zurückhaltende Neutralität und kalte Professionalität kennt.
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Spannend war für mich daher, dieses Jahr zum ersten Mal Frauennetzwerk-Treffen zu besuchen, z.B. vom Legal Women Network oder den Legally Female Stammtisch.
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Nach Jahren des reinen Remote-Arbeitens habe ich gemerkt, wie schön echter persönlicher Austausch sein kann. Es tut gut, nicht nur virtuell, sondern auch im direkten Gespräch von den Erfahrungen anderer Frauen zu profitieren und gleichzeitig zu sehen, wie viel Resonanz mein eigener Weg auslöst.
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Was würdest Du mit Blick auf die juristische Ausbildung und / oder Deinen Berufseinstieg heute anders machen, und was auf jeden Fall genauso? Wieso?
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Lange habe ich an der Vorstellung festgehalten, das Studium unbedingt zu Ende bringen zu müssen. Das Studium letztlich gegen die Selbstständigkeit “einzutauschen”, war eine der schwierigsten Entscheidungen meines Lebens. Doch erst als ich mir erlaubt habe, diesen Weg loszulassen, ist Raum für etwas Neues entstanden. Genau dadurch konnte ich meine unternehmerische Seite voll entfalten und mich von äußeren Erwartungen und Rollenbildern lösen.
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Genauso würde ich aber meine Entscheidung wieder treffen, überhaupt Jura überhaupt zu studieren. Die “juristische Denkweise” hat mir unglaublich viel beigebracht: analytische Präzision, sprachliche Klarheit und die Fähigkeit, komplexe Themen verständlich zu vermitteln. Diese Fähigkeiten sind bis heute ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit.
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Die Rechtswelt und insbesondere die Selbstständigkeit haben mir Türen geöffnet, die für mich als junge Frau mit Migrationshintergrund ohne Unternehmer-Eltern sonst verschlossen geblieben wären. Dafür bin ich sehr dankbar. Und ich möchte Frauen, vor allem jene mit ähnlichem Hintergrund, ebenfalls dazu ermutigen.
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Gibt es etwas, das Du uns sonst noch mitteilen möchtest?
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Meine Definition von Karriere hat sich verändert. Heute bedeutet Erfolg für mich Selbstbestimmung – die Freiheit, meine Arbeit und mein Leben so zu gestalten, wie ich es möchte. Und mich selbst neu zu erfinden.
Wesentlich dazu beigetragen hat meine Personal Brand, die ich seit Beginn der Selbstständigkeit (vor allem über LinkedIn) aufgebaut habe. Sichtbarkeit hat für mich Türen geöffnet, noch bevor ich sie selbst wahrgenommen habe. Fremde empfehlen meine Arbeit weiter, weil sie mir über meine Präsenz einen Vertrauensvorschuss geben. Diese Form von Reputation ist für mich wertvoller als jede Kaltakquise.
Sichtbarkeit ist heute auch kein “Nice-to-have” mehr, sondern eine eiskalte Strategie. Viele erfolgreiche Jurist:innen machen es vor. Vor allem wir Frauen müssen uns von Selbstzweifeln lösen und alles daran setzen, die eigene Stimme hörbar zu machen. Um es mit den Worten von Tijen Onaran zu sagen: “Nur wer sichtbar ist, findet auch statt”.
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Vielen Dank für das spannende Interview!
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Frankfurt, 10. September 2025. Su Reiter hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellten Nadja Harraschain und Laura Nordhues.​
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