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Nina Schaube im Porträt

Man darf im Leben auch mal abwegige Entscheidungen treffen!

Nina Schaube, Leiterin Recht bei der HafenCity Hamburg GmbH, über ihre Begeisterung an der Arbeit im Immobilienwirtschaftsrecht, die Ausgestaltung von Teilzeitmodellen sowie der Vorzüge einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst.

Nina, Du bist Leiterin Recht bei der HafenCity Hamburg GmbH. Wie sieht Dein beruflicher Alltag dort aus?

Ich würde sagen, mein beruflicher Alltag ist abwechslungsreich und spannend. Er ist geprägt von vielen internen und externen Terminen, was mitunter etwas hektisch ist. Ich arbeite mit den verschiedensten Menschen zusammen und habe ein wirklich spannendes, buntes Portfolio an Aufgaben. Dazu gehören unter anderem das Führen von Verkaufsverhandlungen mit Investoren, Abstimmungen mit Behörden zu verschiedenen Themen (z.B. über die politischen Rahmenbedingungen oder Drucksachen), die Teilnahme an Ausschusssitzungen, das Ausarbeiten von Vertragsmustern sowie die ad-hoc Beratung der Geschäftsführung. Neben der rein fachlichen Ebene gehört auch die Organisation der Aufgaben und die Führung meines Teams dazu. Ich arbeite weit überwiegend im Team mit meinen juristischen Kolleg*innen. Insofern ist mein Alltag geprägt von sehr viel Kommunikation.

Was begeistert Dich an Deiner Tätigkeit im Immobilienwirtschaftsrecht?

Zu Beginn meines Berufswegs galt mein Interesse noch eher dem Öffentlichen Recht. Ich habe mich thematisch viel mit dem Thema Erneuerbare Energien und Energierecht auseinandergesetzt. Im Laufe meiner Karriere hat sich mein Interesse in Richtung des Immobilienrechts verschoben, was in den letzten Jahren den Kern meiner Tätigkeit darstellt. Ich finde die Materie großartig, da sie auf der einen Seite juristisch sehr anspruchsvoll ist. Das macht mir viel Spaß. Bei meiner Arbeit stellen sich ganz viele verschiedene komplexe juristische Fragestellungen und es gibt ständig neue Rechtsprechung zu dem Thema. So habe ich das Gefühl, mich fachlich so richtig „austoben“ zu können. Auf der anderen Seite liebe ich, dass ich im Immobilienwirtschaftsrecht sehr kreativ sein kann. Das gilt insbesondere für den Aspekt der Vertragsgestaltung, bei dem man selbst gestalterisch tätig wird und versucht die Interessen in entsprechenden Klauseln zu regeln. Auch gibt es im Immobilienwirtschaftsrecht viele Verhandlungen, in denen es immer mal wieder „heiß hergeht“. So habe ich viel Abwechslung in meinem Alltag. Ich glaube, genau diese Kombination der verschiedenen Aspekte macht für mich die Faszination am Immobilienwirtschaftsrecht aus.

Du hast damals gleichzeitig Jura und Politikwissenschaft in Trier studiert. Warum hast Du Dich für eine Kombination dieser beiden Studiengänge entschieden?

Ich habe zunächst mit dem Jurastudium angefangen und erst später mit dem Studium der Politikwissenschaften zusätzlich gestartet. Ich hatte das Gefühl, mir fehlt etwas im reinen Jurastudium. Zum einen betraf das die Art und Weise der Lehre. Mich hat die andersartige Form des Studierens in der Politikwissenschaft gereizt. Es ist viel mehr von eigenen Referaten, Diskussionen und kleinen Arbeitsgruppen geprägt, was ein echter Gegenpol zu dem doch sehr formalisierten Jurastudium war. Zum anderen habe ich früh bemerkt, dass das Recht nicht für sich allein stehen kann. Es ist eingebettet in die Gesellschaft und letztlich das Ergebnis politischer Prozesse. Diese dahinterstehenden Prozesse haben mich fasziniert. Ich wollte mehr darüber erfahren. Wenn man sich die „Brille der Politikwissenschaft“ aufsetzt, begnügt man sich nicht nur mit der Anwendung und Auslegung des Rechts, sondern erforscht bereits den dahinterstehenden Prozess. Das war für mich sehr bereichernd. Ich habe mich damals insbesondere für die Globalisierung der Finanzmärkte und deren Wechselwirkung in demokratischen Prozessen interessiert. Noch heute helfen mir die im Studium gelernten Instrumente, wie beispielsweise die Policy Analyse, um die mir begegnenden Themen noch einmal in einem größeren Kontext zu betrachten.

Nach dem Ersten Staatsexamen bist Du als Beraterin im Bankenwesen in einer Unternehmensberatung in Luxemburg tätig gewesen. Wie bist Du zu dieser Tätigkeit gekommen?

Das war tatsächlich dem Zufall geschuldet. Während meines Erasmussemesters in Spanien habe ich mein WG-Zimmer in Trier an einen luxemburgischen Banker vermietet. Nach Abschluss des Studiums wusste ich noch nicht, wie es für mich weitergehen soll. Ich spielte mit dem Gedanken, zu promovieren. Da ich fortan kein BAföG mehr beziehen konnte, hatte ich zunehmend ein Finanzierungsproblem und musste mich daher entscheiden, wie es für mich weitergeht. Über den Kontakt zu dem luxemburgischen Banker bin ich an einen Studentenjob in der Unternehmensberatung in Luxemburg gekommen. Nach wenigen Wochen im ersten Projekt wurde mir von Seiten der Unternehmensberatung angeboten, dort längerfristig als Beraterin einzusteigen. Ich bin dann sozusagen von der studentischen Mitarbeiterin zur Business Consultant „aufgestiegen“. In Luxemburg hatte ich eine tolle und wilde Zeit, die mir den Blick über den Tellerrand ermöglicht hat. Meine Tätigkeit dort war mit vielen Reisen verbunden und ich habe viele Menschen sowie Unternehmenskulturen kennengelernt. Es war wahnsinnig abwechslungsreich und ich konnte mich fachlich enorm weiterentwickeln. Allerdings hat dieser Schritt auch dazu geführt, dass ich das Thema Promotion sehr schnell vergessen habe.

Was hat Dich trotz Berufseinstieg in Luxemburg dazu bewegt, noch das Referendariat in Deutschland zu absolvieren?

Dafür gab es verschiedene Gründe. Zum einen habe ich gemerkt, dass man mit zwei juristischen Staatsexamina sehr viel mehr Möglichkeiten hat als ohne Zweites Staatsexamen. Es ist nach wie vor so, dass man als Volljurist*in in Deutschland deutlich mehr Berufsperspektiven hat. Nachdem ich bereits das Jurastudium und das Erste Staatsexamen erfolgreich absolviert hatte, wollte ich diese Ausbildung unbedingt „zu Ende“ bringen, um mir auch dahingehend weitere Möglichkeiten offen zu halten. Auch war es so, dass mein Mann und ich uns während meiner Zeit in der Unternehmensberatung dazu entschieden hatten, in die Familiengründung zu gehen. Wir haben unsere erste Tochter während meiner Zeit in Luxemburg bekommen. Beim Wiedereinstieg nach etwa sechs Monaten stand dann die Frage im Raum, wie es weiter gehen soll: Entweder würde ich an das Vorherige anknüpfen oder den Bruch dafür nutzen, um etwas Neues zu beginnen. Mein Gefühl sagte mir zu dem Zeitpunkt, es sei eine gute Gelegenheit, in das Referendariat zu starten. Ich hatte die Hoffnung, das Referendariat mit junger Mutterschaft besser vereinbaren zu können als mit meinen Job in der Unternehmensberatung. Dieser war nämlich vor allem deswegen spannend, da ich ständig um die Welt „jettete“.

Du warst bereits während des Referendariats Mutter einer kleinen Tochter und hast kurz nach dem Zweiten Staatsexamen Deine zweite Tochter bekommen. Wie hast Du die Zeit des Referendariats mit einem Kind erlebt?

Ich glaube, herausfordernd ist es mit Kind(ern) immer. Rückblickend war es für uns die Zeit, die sich am besten mit einem Kind kombinieren ließ. Ich habe mich damals für die kleinere Stadt Trier entschieden. Die größte Herausforderung stellte für mich das dort doch sehr beschränkte Betreuungsangebot dar. Mein Mann hatte zu der Zeit noch einen Job in einer anderen Stadt, sodass ich allein vor hohen Betreuungsherausforderungen stand. Die sehr flexible Einteilung von Arbeits- und Lernzeit im Referendariat kam mir da sehr entgegen. Ich konnte mich dadurch sehr nach den Bedürfnissen unseres Kindes bzw. der generellen familiären Situation richten. Sicherlich hat mir an dieser Stelle auch meine Berufserfahrung geholfen. Durch sie war ich in der Lage, sehr viel effizienter zu arbeiten. Meine Tochter hatte insoweit einen positiven Einfluss, als sie mich sehr geerdet hat. Ich nahm das Zweite Staatsexamen daher nicht so bierernst, wie ich es ohne Kind getan hätte. Ich hatte das Gefühl, ich konnte davon profitieren, dass ich eine größere innere Gelassenheit hatte. Auch hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, mein Leben hänge allein von dem Bestehen des Zweiten Staatsexamens ab.

Wie hast Du dieses Teilzeitmodell in der Großkanzlei konkret ausgestaltet?

Als ich bei Freshfields eingestiegen bin, habe ich drei Tage Vollzeit gearbeitet und zwei arbeitsfreie Tage gehabt – das waren 60 %. Es war viel Flexibilität erforderlich und ich konnte die Arbeitszeit nicht immer akribisch einhalten. Ich habe häufig den Austausch mit meinen Kolleg*innen gesucht. Immer mal wieder war es erforderlich, dass ich Arbeitstage tauschen musste. Auch trotz Teilzeit gehörte es zu meinem Alltag, an meinen freien Tagen hin und wieder Anfragen zu beantworten. Mein Blackberry war damals mein ständiger Begleiter. Im weiteren Verlauf habe ich auf 80 % aufgestockt. Das Teilzeitmodell erfordert eine wahnsinnig gute Organisation meiner Arbeit. Man muss immer sehr stark priorisieren. Auch bedarf es sehr präziser Absprachen mit den Kolleg*innen. An dieser Stelle war es natürlich hilfreich, dass ich immer tolle Kolleg*innen hatte, die auf mich und meine familiäre Situation Rücksicht genommen haben. Die Erfahrung hat mir jedoch gezeigt, dass man „overperformen“ muss, um im gleichen Maße wie eine Vollzeitkolleg*in akzeptiert zu werden.

Du hast berichtet, dass sich während Deiner Zeit in der Großkanzlei viele Kolleg*innen mit Fragen hinsichtlich einer Tätigkeit in Teilzeit an Dich gewandt haben. Welchen Rat hast Du diesbezüglich für junge Jurist*innen?

Kinder und Familie brauchen Zeit, die man in sie investiert. Man muss dieses Thema frühzeitig im Team mit seinem/r Partner*in angehen und absprechen, wie man Arbeits- und Familienzeit aufteilt. Leider ist es immer noch nicht selbstverständlich, eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen, in der man seine Wünsche und Erwartungen kommunizieren kann. Jedoch ist gerade das das Wichtigste, um das gewählte Modell im Berufsleben auch tatsächlich umsetzen zu können. Daher kann ich nur empfehlen, dass man Wünsche und Erwartungen ganz offen kommuniziert und Verantwortung verteilt. Dennoch muss man sich bewusst sein, dass regelmäßig einige Abstriche gemacht werden müssen. Es ist immens wichtig, sich Unterstützung im Alltag zu suchen und zu holen, sofern man in der privilegierten Position ist, sich diese Unterstützung leisten zu können.

Wenn man sich für berufliche Verwirklichung in Teilzeit entscheidet, braucht man ein dickes Fell und muss sich damit abfinden, weder in der privaten noch in der beruflichen Welt den Idealen zu entsprechen. Dadurch steht man oft in der Kritik. Für mich persönlich hat sich das Teilzeitmodell mit festen Arbeitstagen und festen Familientagen bewährt. So hatte ich die Möglichkeit, mich an den jeweiligen Tagen immer auf das eine Thema zu stürzen, ohne das andere Thema ständig im Hinterkopf zu haben. Bei einer anderen Aufteilung hätte ich das Gefühl gehabt, beiden Welten nicht gerecht zu werden – insbesondere da man zeitliche Grenzen nicht immer einhalten kann. Dieses Modell hat mir die Aufteilung zwischen Berufsleben und Privatleben erheblich erleichtert.

Nach Deiner Zeit in der Großkanzlei hast Du Dir eine neunmonatige Auszeit genommen, um zu überlegen, in welche Richtung es für Dich weitergehen soll. Wie bist Du bei der Entscheidungsfindung, was Du zukünftig machen willst, vorgegangen?

Ich bin tatsächlich wenig planvoll vorgegangen. Ich habe erst einmal viel Urlaub und Sport gemacht, viel Zeit mit meinen beiden Mädels verbracht und ganz bewusst den Fokus auf andere Interessen gelegt. Ich bin dann relativ schnell von einer ehemaligen Kollegin angesprochen worden, die in einem Freshfields Spin-Off gearbeitet hat. Sie trat an mich heran, um mich zu fragen, ob ich mir diese Tätigkeit vorstellen könnte. Dieser Möglichkeit habe ich mich mit offenen Augen gestellt und hatte nach verschiedenen Gesprächen mit dem Team ein gutes Bauchgefühl. Auf dieses habe ich mich verlassen und mich dazu leiten lassen, dort anzufangen. Diesen Schritt habe ich nie bereut. Ich habe durch die Tätigkeit eine ganze andere Art der Arbeit als Rechtsanwältin kennengelernt und vor allem von dem herausragenden Team profitiert.

Bei der Hamburger Boutique Kanzlei trûon bot sich Dir im Laufe der Zeit die Chance, Partnerin zu werden. Dennoch hast Du dich gegen eine Partnerschaft entschieden und bist mittlerweile im öffentlichen Dienst tätig. Wie kam es zu diesem Wechsel?

 

Den letzten Ausschlag hat tatsächlich eine Ausstellung im Hamburger Museum der Arbeit zum Thema „Entscheiden“ gegeben. Den Besucher*innen wurde eine Leitfrage zum Entscheidungsverhalten gestellt: „Was möchten Sie, was in einer Rede anlässlich Ihres 70. Geburtstag über Sie erzählt wird?“ Als Antwort auf diese Frage ist mir viel in den Sinn gekommen – allerdings waren weder erfolgreiche Rechtsanwältin in einer Kanzlei noch beste Immobilienrechtsanwältin in Hamburg darunter. Diese Begriffe kamen mir nicht in den Sinn und herrschten nicht als Wunschvorstellung darüber vor, was mich im Kern ausmachen sollte. Das hat mir sehr zu denken gegeben. Es hat mir gezeigt, dass mein derzeitiger Beruf keine Herzensangelegenheit war, obwohl die Rahmenbedingungen ideal waren, um den Schritt Richtung Partnerschaft zu gehen. Ich habe gemerkt, dass ich dafür nicht wirklich brenne. Parallel dazu stellte ich fest, dass der öffentliche Dienst viele Themen vereint, die ich gerne mache. Zum einen finde ich die Arbeit im öffentlichen Dienst besonders sinnstiftend. Als Teil der Verwaltung sorge ich jeden Tag dafür, dass Steuergelder sinnvoll eingesetzt werden. Zum anderen eröffnet mir der öffentliche Dienst die Möglichkeit, in ganz vielen unterschiedlichen Bereichen tätig zu werden und bietet mir einen abwechslungsreichen Alltag.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Deiner vorherigen Tätigkeit als Rechtsanwältin und Deiner jetzigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst?

Man muss hier unterscheiden zwischen den Aufgaben, die ich in der Vergangenheit in der Verwaltung übernommen habe und den Aufgaben und Bereichen, die ich heute betreue. Damals habe ich im Justiziariat des Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen begonnen und später auch eine Zeit lang den Bereich Ankauf geleitet. Als Referatsleitung war ich für alle Ankäufe und die Ausübung von Vorkaufsrechten durch die Freie und Hansestadt Hamburg verantwortlich. Bei dieser Stelle ging es deshalb vor allem um die Leitung der Fachabteilung. Das bedeutet, dass die juristische Arbeit deutlich in den Hintergrund getreten ist und Themen wie Strategie, Personalführung und Budgetplanung im Vordergrund standen. Dies gibt einem die Möglichkeit, die Kompetenzen, die man im Jurastudium erlangt hat, einbringen zu können – insbesondere strategische und analytische Fähigkeiten.

In meiner jetzigen Tätigkeit als Leiterin Recht bin ich so etwas wie eine Inhouse-Kanzlei. Anders als in der Kanzlei arbeite ich mit meinen Kolleg*innen im Team an unserer gemeinsamen Sache, nämlich der Verwirklichung des Unternehmensziels. Der Umgang mit den Kollegen*innen ist dadurch viel intensiver und auch vertrauter. Gleichzeitig bin ich nicht nur in der Rolle der Beraterin, sondern darf auch entscheiden. Meine Arbeit ist, anders als zuvor, sehr politisch geprägt. Dies bereitet mir sehr große Freude – insbesondere durch den notwendigen Austausch mit den städtischen Stakeholdern, die alle einbezogen werden müssen. Das Schöne ist, dass ich durch meine Tätigkeit die Stadtentwicklung und die Grundstückspolitik der Freien und Hansestadt Hamburg aktiv mitgestalten kann. In meiner jetzigen Position ist mein Alltag durch noch mehr Kommunikation und zahlreichere Meetings als im Vergleich zur Kanzlei geprägt. Das führt unmittelbar auch dazu, dass ich viel weniger Zeit für intensivere Rechtsprüfungen habe.

Wie gehst Du mit Zweifeln und Rückschlägen um? Welche Tipps hast Du dazu für junge Jurist*innen?

Ich hoffe, dass ich in der Zukunft auf diese Frage eine gute Antwort finde. Ich hege wie viele Frauen gerne und schnell Zweifel. In meinem Partner, meinen beiden Töchtern und guten Freund*innen habe ich gute Sparringspartner gefunden, die mich unterstützen. Bei all diesen Themen hilft meines Erachtens der Blick von außen. Es braucht immer Verbündete im Leben. Das Leben ist ein ständiger Lernprozess. Einige Stationen waren auch in meinem Leben hart und tränenreich. Es ist okay, auch mal abwegige Entscheidungen zu treffen. Als ich mich damals für den öffentlichen Dienst entschieden habe, haben sich sicherlich viele Menschen im meinem Umfeld über diese Entscheidung gewundert. Letztendlich ist jedoch nur wichtig, dass man selbst mit den getroffenen Entscheidungen gut leben kann.

Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Dennoch habe ich das Gefühl, dass innerfamiliäre Absprachen meistens bereits so gesetzt sind, dass die Frau zu Hause bleibt, ohne dass es überhaupt besprochen wird. Das ist schade. Ich finde es wichtig, dass die Aufgabenverteilung innerhalb der Partnerschaft auf Augenhöhe diskutiert und als gemeinsame Aufgabe verstanden wird. Der/Die Partner*in soll eben gerade nicht nur „helfen“, sondern selbst Verantwortung übernehmen. Nur so werden die Bedürfnisse und Erwartungen beider beachtet. Die Modelle können je nach Lebensabschnitt variieren. Während meines Referendariats haben mein Mann und ich auch eher ein „klassisches“ Modell gelebt und ich habe mich überwiegend um das gemeinsame Kind gekümmert. Andersherum haben wir allerdings auch das „umgekehrte Modell“ gelebt, als mein Mann promoviert hat. In all diesen Phasen haben wir uns immer wieder zusammengesetzt und einfach darüber gesprochen, was dem jeweils anderen gerade wichtig ist und wie wir das konkret organisieren und ermöglichen können.

Wenn ich aus der heutigen Perspektive auf diese Momente und Situationen zurückschaue, habe ich sie nicht bereut. Meine Rückschläge haben mich stets weitergebracht und mich zu dem gebracht, was ich heute gerne mache. Dennoch hilft es manchmal, sich seine eigene Unbedeutsamkeit im Kontext von Raum und Zeit zu vergegenwärtigen.

Wie schaffst Du es, den Kopf freizubekommen?

Um ehrlich zu sein, manchmal hilft gar nichts. Kritisches Nachdenken kann auch sehr viel Freude und Spaß bereiten. Ansonsten helfen mir Yoga, Weißweinschorlen und „Trash-TV“. Die letztere Leidenschaft teile ich mit meiner großen Tochter und auch die Fußballturniere meiner jüngeren Tochter helfen mir dabei, abzuschalten.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Hier fallen mir zwei Personen ein, die unterschiedlicher nicht sein können und mich bis heute inspirieren.

 

Zu einen wäre da Dr. Hilke Schapp. Sie ist eine Juristin, mit der ich einige berufliche Stationen geteilt habe und die mich tief mit ihrem grandiosen fachlichen Wissen beeindruckt hat. Sie hat einen bunten und spannenden Karriereweg hingelegt. Heute ist sie in der Verwaltung tätig, aber war, wie ich, auch in Kanzleien tätig. Sie leitet eine Fachabteilung und ist Vorständin im Deutschen Erbbaurechtsverband e.V. In diesem Fachgebiet gibt es meines Erachtens keine bessere Juristin in Deutschland. All das hat sie mit drei Kindern geschafft. Ich wäre gespannt auf ihre Antwort auf die vorherige Frage, da sie immer strahlt und heiter ist.

 

Zu anderem fällt mir Dagmar Jonski ein. Sie ist eine beeindruckende Rechtsanwältin, von der ich wahnsinnig viel lernen konnte. Ihre große Stärke ist der Blick auf die Praxis und ihr herausragendes Verhandlungsgeschick. Sie lässt sich nie in eine bestimmte Schublade stecken, sondern ist herrlich unangepasst. Ich verstehe sie als ein Vorbild, das aufzeigt, dass man sich nie in bestimmte Rolle begeben muss – insbesondere nicht als Frau.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Hamburg, 9. Februar 2023. Das Interview führten Lina Runge und Dr. Christina Albath.

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