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Sommerreihe

 

 

Dr. Daria Bayer im Porträt

Genieß die Zeit! Du bist nie wieder so frei.

Dr. Daria Bayer, Postdoktorandin an der Goethe-Universität Frankfurt,  im Rahmen unserer Sommereihe zu Themen der juristischen Ausbildung und des Berufseinstiegs über die juristische Promotion, zu der sie als Co-Autorin 300 Promovierende und Promovierte für ihren Promotionsratgeber befragte.

Was motiviert Deiner Erfahrung nach Jurist:innen zu einer Promotion?

Es gibt, wie unsere Umfragen gezeigt haben, ganz verschiedene Motivationen: Einige Personen wollen schlichtweg den Titel führen. Dies kann gerade als Frau in der juristischen Arbeitswelt von Bedeutung sein. Andere wollen nur den Berufseinstieg noch etwas hinauszögern oder die Wartezeit zwischen Abschluss des Studiums und Beginn des Referendariats überbrücken. Es gibt keine „bessere“ oder „schlechtere“ Motivation. Die meines Erachtens tragfähigste Motivation ist allerdings das genuine Interesse an einem Thema verbunden mit dem Wunsch, ein eigenes Projekt selbstbestimmt zu realisieren.

Kannst Du uns etwas über Deine Doktorarbeit erzählen?

Sehr gerne. Meine Doktorarbeit dreht sich um Jewgenij Paschukanis, einen sowjetischen Rechtstheoretiker, der 1937 von Stalin prozesslos liquidiert worden ist. Paschukanis selbst hatte die Theorie aufgestellt, dass es in einer vollentwickelten kommunistischen Gesellschaft keinen Streit um Besitzgüter und folglich auch kein Recht mehr geben müsse, um diesen Streit zu regeln. Das Recht könne daher „absterben“. Dass Paschukanis seiner Theorie selbst zum Opfer gefallen ist, weil er die Schutzfunktion subjektiver Rechte verkannte, wird in der westlichen Wissenschaft oft als „tragischer Ausdruck eines fehlgeleiteten Utopismus“ (Head) gesehen. Ich habe beschlossen, hieraus ein Theaterstück zu machen, dass Paschukanis Theorie plastisch darstellt und die Zuschauenden zum Nachdenken über Grund, Ursprung und Funktion(en) des Rechts anregt. Mein Ziel war es dabei, den rechtsphilosophischen Diskurs über die akademische Welt hinaus zu öffnen und so einen Beitrag zu einer Demokratisierung des Rechts zu leisten. Das Stück habe ich im Mai 2019 gemeinsam mit meinem Theaterkollektiv kollektivimfenster inszeniert.

Welche Vorteile hat ein Doktortitel außerhalb der Wissenschaft (insbesondere für Frauen)?

Zu den generellen beruflichen Vor- oder Nachteilen gibt es keine „harten“ Fakten. Es erscheint allerdings nicht unplausibel, dass ein Titel in der eher konservativ geprägten juristischen Arbeitswelt dazu führt, dass einem mehr Respekt entgegengebracht und einem mehr Kompetenz zugeschrieben wird – selbst wenn das Thema der Dissertation und der Bereich, in dem man jetzt arbeitet, keinerlei Überschneidungen aufweisen. Dies gilt leider, so zumindest mein subjektiver Eindruck, nach wie vor besonders für Frauen. Ich bin beispielsweise früher, wenn ich für Lehrstuhlsachen tätig geworden bin, häufig für die Sekretärin des Professors gehalten worden. Mit dem Doktortitel passiert mir dies nicht mehr.

Welche formalen Kriterien müssen Absolvent:innen erfüllen, um promovieren zu können?

Ganz pauschal gesagt meistens: VB in einem der beiden Staatsexamina und eine Zusatzvoraussetzung wie ein mit „gut“ bewerteter Seminarschein. Die Kriterien variieren aber von Universität zu Universität stark. Es lohnt sich also immer, in die Promotionsordnung der jeweiligen Fakultät zu schauen. In unserem Ratgeber gibt es eine Tabelle, in der wir die einzelnen Voraussetzungen an den verschiedenen Universitäten überblicksartig aufgelistet haben (s. Bayer/Schmidt, Die juristische Dissertation, Verlag C.H. Beck, 2023, S. 13 ff.).

Was ist der optimale Zeitpunkt für eine Promotion, wenn es ihn gib?

Auch hier gilt, wie bei der Frage nach der Motivation: Den optimalen Zeitpunkt gibt es nicht. Vielmehr hängt dies von den persönlichen Lebensumständen ab. Eine Promotion kann einem einen flexiblen Rahmen ermöglichen, gerade wenn man nebenher noch Care-Arbeit zu leisten hat. Außerdem gibt es auch – solange man die entsprechende Finanzierung findet – keinen fixen Zeitpunkt, zu dem die Dissertation fertig sein muss. Gleichzeitig nimmt einen eine Promotion auch sehr ein, sodass es sich anbieten kann, diese zu einem Zeitpunkt zu beginnen, zu der man weiß, dass man nicht zu viele andere Verpflichtungen hat. Oft kann man dies natürlich im Vorhinein nicht wissen oder beeinflussen. Aber man sollte sich bewusst sein, dass eine Promotion bei aller inhaltlichen Freiheit ein Vollzeitjob ist und der Gedanke, „dass mache ich so nebenbei“, oft nicht aufgehen wird.

Die Promotion beginnt oft mit der Wahl des Promotionsthemas. Worauf sollten Doktorand:innen hier achten?

Man kann die Themenwahl sehr strategisch angehen. Ich würde aber dazu raten, in der Promotion ein Thema zu wählen, das einem wirklich am Herzen liegt. Für strategische Entscheidungen ist dann ggf. in einer Habilitationsphase noch Zeit. Ferner solltet Ihr schauen, dass Ihr ein Thema wählt, dass zwar gerne aktuell sein kann, aber nicht so vom tagespolitischen Geschehen abhängig, dass es sich innerhalb weniger Monate erledigen kann (z.B. Kommentierung eines Gesetzentwurfs, der dann verworfen wird). Denn das kann Euch ziemlich in die Bredouille bringen, wenn Ihr es – was in einer Promotionsphase total normal ist – nicht schafft, Euren viel zu eng gesteckten Zeitplan einzuhalten.

Eine wichtige Bezugsperson während der Promotion ist die Betreuerin bzw. der Betreuer. Nach welchen Kriterien sollte die betreuende Person ausgewählt werden?

Am wichtigsten ist meiner Meinung nach, dass die Chemie stimmt. Schaut nach einer Person, der Ihr vertraut und die Euch ein angenehmes Gefühl im Umgang gibt. Denn am Ende wird diese Person Eure Arbeit nicht nur bewerten und damit ziemlich viel Macht über Euch ausüben. Sondern sie wird auch durch ihren Namen immer mit Eurer Arbeit verbunden bleiben. Eine gewisse thematische Überschneidung zwischen Eurer Betreuungsperson und Eurem Thema muss natürlich bestehen, sonst wird die Person Euch nicht als Doktorand:in annehmen können. Es ist natürlich sehr schön, wenn diese Person darüber hinaus auch ausgewiesene Expertin in Eurem Themengebiet ist. Aber meiner Erfahrung nach bekommt man den inhaltlichen Input auch im Austausch mit Kolleg:innen, anderen Professor:innen oder Netzwerken. Dagegen ist der Wechsel einer Betreuungsperson im Nachhinein mit einigem Aufwand verbunden, sollte man merken, dass das Zwischenmenschliche oder die Arbeitsweise doch nicht passt.

 
Welche anderen Anlaufstellen stehen Promovierenden neben der betreuenden Person offen, wenn sie während der Promotionszeit auf Fragen oder Probleme stoßen?

Es gibt viele verschiedene Arten, sich zu vernetzen. Gerade für Frauen kann es sich anbieten, in den Deutschen Juristinnenbund (djb) einzutreten, hier gibt es auch das DokNet, ein Netzwerk für Doktorandinnen innerhalb des djb.

In Eurem Buch beschäftigt Ihr Euch auch mit der Frage, ob die Dissertation gegendert werden sollte. Wie habt Ihr diese Frage beantwortet?

Wir können nicht pauschal sagen, ob man in einer Arbeit gendern sollte oder nicht – denn dies hängt leider am Ende stark von der Wahl der Betreuungsperson ab. Wenn Ihr aber gendern wollt, dann gibt es hier einen Leitfaden: https://de.wikibooks.org/wiki/OpenRewi/_Gendern_in_der_Dissertation.

Würdest Du empfehlen mit einem Zitierprogramm zu arbeiten? (Wenn ja, mit welchem?)

 

Definitiv! Ich habe mit Citiavi gearbeitet. Citavi geht aber nur für Windows. Am Mac kann man etwa mit Zotero arbeiten.

Was ist der beste praktische Rat, der Dir zum Promovieren gegeben wurde?

Genieß die Zeit! Du bist nie wieder so frei.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Frankfurt / Berlin, 18. Juni 2023. Dr. Daria Bayer hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Anna Isfort.

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