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Dr. Lilly Fiedler im Porträt

„Mehr weibliche Repräsentanz führt dazu, dass Frauen als Individuum angesehen werden.”

Dr. Lilly Fiedler, Partnerin und Notarin bei YPOG, über ihren Wechsel ins Anwaltsnotariat nach fast einem Jahrzehnt als Rechtsanwältin in der Großkanzlei, die Notwendigkeit, die Repräsentanz von Frauen auf allen Ebenen zu erhöhen und ihre Erfahrungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Großkanzlei.

Nach etwa einem Jahrzehnt als Rechtsanwältin in einer internationalen Großkanzlei hast Du Dich dazu entschieden, zusätzlich Notarin zu werden. Was hat Dich dazu bewogen?

Letztlich hat mich dazu der Eindruck bewogen, in der damaligen Funktion erstmal „geparkt“ zu werden und nicht weiterzukommen. Ich hatte damit gerechnet, bei meinem vorherigen Arbeitgeber Freshfields Partnerin zu werden, bin dann jedoch erstmal nur Counsel geworden. Das habe ich als Warteposition empfunden und nach vielen Jahren im Hamsterrad erstmals innegehalten, um zu überlegen, welche Optionen ich habe.

 

Natürlich hätte ich einfach abwarten können, ob ich bei Freshfields doch noch Partnerin werde oder in der Counsel-Position weiterarbeiten können. Ich habe aber auch Gespräche mit anderen Kanzleien über einen möglichen Wechsel geführt, und zudem erstmals ernsthaft eine dritte Option in Erwägung gezogen, und zwar Notarin zu werden. Dazu hatte ich bereits einen Bezug, da meine Eltern beide Notarin bzw. Notar waren. Zudem stellte sich der Zeitpunkt als geeignet heraus, da es bei Freshfields bereits ein gesellschaftsrechtliches Notariat gab, der aktuelle Notar die Kanzlei allerdings verlassen wollte. So tat sich eine Lücke auf, die mir die Unterstützung der Kanzlei bei meinen Plänen sicherte. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, erst einmal zweigleisig zu fahren, um zu testen, ob das Notariat etwas für mich ist. Ich habe 2019 dann kurzentschlossen die Notarprüfung gemacht und für ein Jahr neben meiner Tätigkeit als Anwältin bei Freshfields für einen Tag in der Woche als ständige Notarvertreterin bei meinem Vater gearbeitet. Letztlich habe ich gemerkt, dass mir die Tätigkeit als Notarin großen Spaß bereitet, insbesondere da dies ein noch selbstbestimmteres und abwechslungsreicheres Arbeiten ermöglicht.

Im Anschluss daran hatte ich eine weitere Entscheidung zu treffen: Will ich der Tätigkeit als Notarin wie ursprünglich geplant bei Freshfields nachgehen und dort das Notariat in Berlin weiter- bzw. wieder aufbauen oder doch einen Wechsel in Betracht ziehen? Ich wurde in dieser Zeit aktiv von YPOG, damals SMP, angesprochen, die mir schon zuvor durch ihr dynamisches und angenehmes Arbeitsumfeld aufgefallen waren. SMP hatte den Aufbau eines Notariats bei YPOG als eine Priorität schon bei der Gründung auf dem Schirm, aber bis dahin noch niemanden gefunden, der gepasst hätte. So habe ich mich letztlich dafür entschieden, den nächsten Schritt zu wagen und als Notarin und Equity Partnerin zu SMP zu wechseln und damit auch gleich zur Gründungspartnerin von YPOG zu werden.

Wie hat sich Deine inhaltliche Tätigkeit dadurch verändert?

Meine Tätigkeit ist diverser! Früher war ich hochspezialisiert auf das Kartellrecht, nun habe ich sehr unterschiedliche Mandate, die zahlreiche Rechtsgebiete betreffen, wobei mein Schwerpunkt im Gesellschafts- und Immobilienrecht liegt. Zudem vertrete ich nicht mehr nur die Interessen einer Partei, sondern bin „überparteilich“ im Interesse aller Beteiligten tätig. Auch hat meine Tätigkeit nun einen viel stärkeren Berlinbezug und ich arbeite auch mehr auf Deutsch, während ich früher überwiegend auf Englisch und mit starkem internationalem Bezug arbeitete. Nun habe ich beides, bei den größeren gesellschaftsrechtlichen Notariaten die Arbeit auf Englisch mit häufig auch internationalem Bezug, aber in vielen anderen Bereichen auch eine Tätigkeit auf Deutsch für Personen, die in Berlin leben, eine Immobilie kaufen, einen Ehevertrag schließen oder ihr Erbe regeln wollen.

Wie läuft die Notariatsausbildung ab und welche Eigenschaften muss ein*e gute*r Notar*in mitbringen?

Das unterscheidet sich je nach Bundesland. In Berlin z.B. gibt es das Anwaltsnotariat. Dafür muss man zunächst eine notarielle Fachprüfung ablegen, auf die man sich neben seiner „normalen“ Berufstätigkeit vorbereitet. Diese wird mittlerweile von vielen als „Drittes Staatsexamen“ bezeichnet, da die Durchfallquoten ähnlich hoch sind und auch der Vorbereitungs- und Prüfungsablauf ähnlich ist: Vorbereitung meist im Repetitorium, handschriftliches Schreiben fünfstündiger Klausuren, mündliche Prüfung und Aktenvortrag – nur eben unter anstrengenderen Bedingungen, da man schon einen Job und ggf. eine Familie hat und dass man selbst und alle um einen herum älter sind (lacht). Zusätzlich zu der Prüfung muss man Praxisstunden und Notarvertretungen bei einer anderen Notarin oder einem anderen Notar ableisten.

Um die Prüfung zur Anwaltsnotarin zu machen, muss man einerseits bereits eine Mindestanzahl an Berufsjahren als Rechtsanwältin und sehr gute Kenntnisse und Interesse an unterschiedlichen Rechtsgebieten mitbringen, andererseits – gerade, wenn man seinen Schwerpunkt auf das gesellschaftsrechtliche Notariat legt – Verfügbarkeit, Schnelligkeit und sehr gute Englischkenntnisse. Zudem sollte eine gute Notarin im Team arbeiten können und empathisch sein, sprich sich in andere Menschen hineinversetzen können. Denn, wenn man nicht auf gesellschaftsrechtliche Themen beschränkt ist, trifft man als Notarin häufig auf Menschen, die eine für ihr Leben wichtige Entscheidung treffen müssen, die für sie alles andere als alltäglich ist.

Bei all der Auswahl an juristischen Jobs hast Du Dich nach Abschluss Deiner Promotion für den Berufseinstieg als Associate in einer Großkanzlei entschieden. Was macht für Dich den besonderen Reiz der Tätigkeit in einer Großkanzlei aus?

Dass ich Anwältin werden will, war mir nach dem Referendariat schnell klar. An der Tätigkeit in der Großkanzlei reizten mich dabei zum einen die vielen intelligenten und spannenden Kolleg*innen. Zum anderen habe ich mir eine gute Ausbildung erhofft und internationale, interessante Projekte im Kartellrecht, für das ich mich nach der Promotion endgültig entschieden hatte. Konkret für Freshfields habe ich mich entschieden, weil ich mir in einer angelsächsischen Kanzlei größere Karrierechancen erhofft habe und mehr weibliche Vorbilder vorfand, da dort zumindest international auf Partnerebene ein höherer Frauenanteil gegeben war als in den rein deutschen Kanzleien.

Wie erhofft konnte ich bei Freshfields ein tolles Ausbildungsprogramm genießen, etwa berufsbegleitend ein Postgraduate Diploma am Kings College in London absolvieren, regelmäßig Kolleg*innen aus der ganzen Welt treffen und zahlreiche fachliche Fortbildungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen. Auch hat mir an meiner Tätigkeit gefallen, dass ich früh die Möglichkeit hatte, mich selbst mit eigenen Ideen einzubringen, etwa im Recruiting, bei der Betreuung von Referendar*innen oder bei der Gründung von Initiativen und der Organisation von Events, z.B. dem von mir initiierten Ladies' Lunch.

Wenn Du auf Deinen bisherigen Karriereweg zurückblickst – gibt es einen Punkt, bei dem Du Dir heute wünschst, dass Du mal anders „abgebogen“ wärst?

Ja, einen Punkt gibt es da für mich. Als mein jüngerer Sohn gerade etwas über ein Jahr alt war, bin ich für ein halbes Jahr für ein Secondment nach London gegangen. Da wir das als Familie nicht anders organisieren konnten, bin ich allein gegangen und war für dieses halbe Jahr quasi nur eine „Weekend-Mom“. Im Nachhinein betrachtet war das für meine Familie und auch für mich selbst eine zu große Herausforderung, da ich einerseits meine Familie sehr vermisste und andererseits stets mit dem Gefühl leben musste, weder meiner Arbeit in London noch meiner Familie wirklich gerecht zu werden. Ich arbeite viel und gern und habe mich nach den Geburten beider meiner Kinder dazu entschieden, relativ schnell in den Job zurückzukehren. Aber ein halbes Jahr bis auf die Wochenenden komplett weg von meiner Familie zu sein, das war nichts für mich.

Wichtig ist es, alle Entscheidungen immer für sich zu treffen, gerade wenn es um die Frage geht, wie man Familie und Arbeit miteinander vereinbaren möchte und ob man das überhaupt möchte.

Hattest Du im Rahmen Deiner Tätigkeit als Rechtsanwältin jemals das Gefühl, als Frau weniger ernstgenommen zu werden als Deine männlichen Kollegen?

Ja, leider. Als besonders einschneidendes Erlebnis habe ich folgendes in Erinnerung: Ich saß als First-Year-Associate einem ehemaligen Dax-Vorstand gegen, den ich in Vorbereitung auf einen Kronzeugenantrag interviewen musste. Er sagte mir direkt ins Gesicht, dass er nur mit einem männlichen Anwalt sprechen werde. Er arbeite beruflich nicht mit Frauen zusammen. Mein damaliger Chef hat darauf sehr souverän reagiert und klar gesagt, dass er das wohl müsse, da er sonst ein großes Problem hätte. Ich habe das Interview dann letztlich auch führen können, wobei das natürlich nach wie vor eine spezielle Situation war, jemandem gegenüber zu sitzen, der zuvor wortreich klargemacht hatte, dass er nicht mit einem reden will.

Ansonsten hatte ich eher das Gefühl, dass das Geschlecht erst eine Rolle spielt, sobald man ein Kind bekommen hat. Je nachdem, ob man Frau oder Mann ist, fällt die Reaktion darauf, dass man als Anwältin oder Anwalt ein Kind bekommt, ganz anders aus. Da hatte auch ich das erste Mal wirklich das Gefühl, ungleich behandelt zu werden. Obwohl mein Mann und ich uns nach der Geburt unseres ersten Kindes beide für das gleiche Modell entschieden hatten – Rückkehr in die Anwaltstätigkeit nach drei Monaten auf einer 80 %-Stelle – wurden wir mit komplett unterschiedlichen Unterstellungen konfrontiert: Während ich beweisen musste, nicht nur ein „oberehrgeiziger Arbeitsroboter“ zu sein, musste mein Mann zeigen, dass er mit dieser Entscheidung nicht seinen Job an den Nagel gehängt hat und nur noch für Haushalt und Kind da sein will. Es werden so viele Erwartungen an einen gestellt, dass man es eigentlich nur falsch machen kann. Kommt man erst nach langer Zeit mit deutlicher Reduktion aus der Elternzeit zurück, hatte man damals letztlich keine Vorbilder, die es dennoch geschafft haben, in der Großkanzlei wirklich Karriere zu machen. Kommt man dagegen – wie ich – für deutsche Verhältnisse früh aus der Elternzeit zurück, hat man zwar seine Karrierechancen nicht geschmälert, dafür wird einem aber unterstellt, man sei oberehrgeizig und man wird gefragt, warum man denn überhaupt Kinder bekommen hätte. Dies habe ich tatsächlich als Frage zu hören bekommen.

Ähnliches habe ich im Kontext meines Secondments nach London erfahren, dessen Absolvierung damals auf dem Partnertrack bei Freshfields üblich war und auch eingefordert wurde. Auch hier habe ich mitbekommen, wie teilweise hinter meinem Rücken darüber geurteilt wurde, dass ich so etwas trotz meiner kleinen Kinder mache. Im Endeffekt war das jedoch wieder mal ein klassischer Fall von doppelten Standards: Man muss es machen, aber wenn man es macht, kommt es als Frau mit Kindern auch nicht gut an.

Welche Maßnahmen hältst Du für geeignet, um die weibliche Repräsentanz auf Equity-Partner-Ebene in Kanzleien zu stärken?

Geduldiges Bretter bohren, dicke Bretter bohren (lacht). Wichtig ist es, den Anteil von Frauen insgesamt zu erhöhen und das auf allen Ebenen zu monitoren. Das fängt damit an, bei den Einstellungen auf Associate-Ebene auf ein Gleichgewicht in der Geschlechterverteilung zu achten. Darüber hinaus sollten Frauen gezielt angesprochen werden über Headhunter oder eigene Recruiting-Events. Ich finde es wichtig, Frauen auch innerhalb der Kanzlei gezielt zu sponsoren und transparent zu sein hinsichtlich der Entwicklungschancen und der Auswirkungen von Teilzeit auf die Karriere. Entscheidend sind Vorbilder, die einem Optionen aufzeigen, insbesondere dass es nicht den einen richtigen, sondern unterschiedliche Karrierewege gibt, auch in die Equity Partnerschaft einer großen Kanzlei und das auch als Mutter, die nicht nur „Wochenendelternteil“ ist. Um wirklich etwas zu verändern, müssen Vorbilder existieren. Ich selbst merke das auch im Rahmen des Recruitings: In Teams, mit höherem Frauenanteil ist das Recruiting von weiteren Frauen meist fast schon ein Selbstläufer. Von Teams, die nur oder im Wesentlichen aus Männern bestehen, fühlen sich Bewerberinnen dagegen nicht so angezogen. Insofern sind, glaube ich, zumindest in Teilen feste Vorgaben wichtig, um diesen Tipping Point, der häufig bei 30 % Frauenanteil gesehen wird, zu erreichen.

Was würde sich Deiner Einschätzung nach durch mehr weibliche Repräsentanz in diesen Positionen verändern?

Mehr weibliche Repräsentanz in Führungspositionen würde die Partnerschaft für andere Frauen attraktiver machen und insbesondere dazu führen, dass Frauen in Teams nicht mehr nur als „die eine Frau“ im Team angesehen und wahrgenommen werden, sondern als die Persönlichkeit, die sie sind – mit all ihren Stärken und Macken.

Generell würde das die Attraktivität der Tätigkeit als Rechtsanwältin für Frauen insgesamt erhöhen. Als ich Examen gemacht habe, haben sich viele meiner Freundinnen, die tolle Juristinnen sind, schon zu diesem frühen Zeitpunkt in einer Art vorauseilendem Gehorsam gegen eine Tätigkeit als Rechtsanwältin, insbesondere in einer Großkanzlei, entschieden, weil sie später gern eine Familie gründen wollten und dies als nicht kompatibel erachtet haben.

Wie wurde Deine Entscheidung, eine Familie zu gründen, in der Großkanzlei aufgenommen und inwiefern hat dies Dein berufliches Vorankommen beeinflusst?

Grundsätzlich wurde das schon gut aufgenommen und ich wurde unterstützt, z.B. auch über die Einschaltung einer Agentur zur Suche von einer Kinderbetreuung. Auch wurde ich nach meiner Rückkehr aus der Elternzeit weiter in spannende Mandate eingebunden. Allerdings lag das möglicherweise auch daran, dass ich mit einer 80 %-Stelle und freier Verfügbarkeit etwa für Reisen zurückgekommen bin. Zwar wurde das nie direkt so verbalisiert, ich hatte aber schon das Gefühl, dass ich das so liefern muss, um keine Nachteile für meine Karriere zu erleiden.

Was damals definitiv eine Benachteiligung war, ist, dass die Anrechnung von Teilzeit auf den sog. „Track“, bei einer Teilzeittätigkeit nur anteilig erfolgte, sodass es – insbesondere für Frauen, die nach der Geburt eines Kindes in Teilzeit arbeiteten – länger dauerte, um zur Senior Associate aufzusteigen oder für die Partnerschaft überhaupt infrage zu kommen. Das hat sich meines Wissens aber mittlerweile geändert.

Trotz zweier Kinder bist du weiterhin auf dem „Partnertrack“ geblieben. Welches Betreuungsmodell habt Ihr gefunden, um Familie und Beruf zu vereinbaren?

Wir hatten von Anfang an Unterstützung durch eine externe Kinderbetreuung und durch meine Eltern, die zunächst beide jeweils einen Nachmittag die Kinderbetreuung übernommen haben. Besonders hervorzuheben ist hier sicher auch – da in der Form ungewöhnlich – die Unterstützung durch meinen Vater, der seit Geburt meines ersten Kindes und trotz seiner Berufstätigkeit sehr regelmäßig und zuverlässig bei der Kinderbetreuung mit einem „Opatag“ in der Woche und vielen weiteren „Einsätzen“ unterstützt hat und immer noch unterstützt.

Mein Mann und ich haben beide nach unserer gemeinsamen Elternzeit mit 80 % wieder angefangen zu arbeiten und versucht, jeweils an zwei Nachmittagen die Woche für die Kinder da zu sein. Ein wesentlicher Faktor ist, dass wir einen Großteil der Hausarbeit outgesourced haben, damit wir die Zeit, die wir zu Hause hatten, auch wirklich mit der Familie verbringen konnten. Das Outsourcing von Betreuung und Hausarbeit ist gerade am Anfang natürlich eine große finanzielle Belastung gewesen. Das muss man schon wirklich wollen. Mein Mann und ich haben auch gemerkt, dass uns das unterschiedlich leicht gefallen ist. Ich selbst hatte als Kind immer Au-Pairs oder später eine Kinderfrau, sodass ich dem Modell gegenüber sehr aufgeschlossen war. Mein Mann dagegen ist mit einer Mutter, die zu Hause war, aufgewachsen, sodass ihm die Abgabe eines größeren Teils der Kinderbetreuung an Dritte schwerer gefallen ist. Letztlich gibt es für die Kinderbetreuung nicht die eine Lösung, sondern es ist ein stetiger Prozess zum Finden neuer Lösungen. Während sich der Haushalt konstant an Dritte outsourcen lässt, haben sich die Bedürfnisse unserer Kinder über die Zeit verändert. Aktuell fordern sie nun im Grundschulalter meinen Mann und mich ganz aktiv ein und wollen, dass wir auch unter der Woche möglichst viel präsent sind.

Du hast viel internationale Erfahrungen gesammelt und Dich mit internationalen Kolleginnen ausgetauscht. Hast du das Gefühl, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen in anderen Ländern einfacher ist als in Deutschland?

Da gibt es große Unterschiede. Ich habe das etwa an den unterschiedlichen Reaktionen auf meine „kurze“ Elternzeit von nur drei Monaten nach der Geburt meines ersten Kindes gemerkt. Während das in Deutschland überwiegend zu Irritationen geführt hat, wurde das unter den ausländischen Kollegen eher als normal bzw. unproblematisch wahrgenommen. Ich denke, das liegt an unserer in Deutschland noch vorherrschenden Prägung einer starken Mutterrolle und der teils noch mangelnden Bereitschaft der Väter, sich wirklich einzubringen, was mit einer Reduktion der Arbeitszeit und des eigenen Einkommens einhergeht und es erfordert, externe Hilfe bei der Kinderbetreuung zuzulassen.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Viele Frauen, die mich inspiriert haben, sind bereits in der Porträtgalerie von breaking.through vertreten und ich bin begeistert, wie ihr durch diese Zusammenstellung genau das schafft, was meiner Ansicht nach so wichtig ist: Visibilität von Vorbildern, von denen man sich inspirieren lassen kann und die einem zeigen, welche Vielfalt es gibt und welche unterschiedliche Wege für einen denkbar sind.

Für mich selbst war eine große Inspiration meine Mutter, die als Rechtsanwältin und Notarin gearbeitet hat. Direkt nach dem Zweiten Staatsexamen hat sie gemeinsam mit meinem Vater und einem Freund eine eigene Kanzlei gegründet. Dabei war sie die erste in ihrer Familie, die überhaupt studiert hat, und zwar gegen den Willen ihres eigenen Vaters. Bis zu seinem Tod (während ihres Studiums) hat er nie erfahren, dass meine Mutter Juristin wird, da er nicht wollte, dass sie studiert und wenn überhaupt dann nur Lehramt. Aus Angst, so leben zu müssen wie ihre Mutter, wollte meine Mutter eigentlich keine Kinder haben. Letztlich hat sie sich doch für die Gründung einer Familie entschieden, unter der Maßgabe, dass mein Vater und sie sich die Betreuung gerecht aufteilen. Dass sie das – für diese Generation total untypisch – durchgezogen hat und es so geschafft hat, erfolgreich im Beruf und in der Familie zu sein und sich nebenbei noch stets ehrenamtlich zu engagieren, hat mich sehr geprägt.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Berlin, 9. Dezember 2022. Das Interview führte Kathrin Klose.

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