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Cosima Preiss, LL.M., im Porträt

"Als Unternehmensjuristin stehe ich für eine Position und ein Produkt."

Cosima Preiss, LL.M., General Counsel bei Oerlikon Textile GmbH & Co. KG, über ihren Weg in ein Maschinenbauunternehmen, den Vorteil, regelmäßig Bewerbungsgespräche zu führen und die Vor- und Nachteile des Berufseinstiegs in einer Großkanzlei.

Frau Preiss, Sie sind als Kind deutsch-indischer Eltern am Niederrhein groß geworden und haben sich schon als Schülerin für ferne Länder und Kulturen – und für internationale Beziehungen – interessiert. Nach einem Schüleraustausch in Japan wollten Sie Diplomatin werden. Heute sind Sie woanders: Sie sind General Counsel bei Oerlikon Textile GmbH & Co. KG (Oerlikon Textile). Wie international ist Ihre heutige Tätigkeit?

In der Tat ist auch meine heutige Tätigkeit sehr international, allerdings weniger glamourös international als ich mir eine Tätigkeit als Diplomatin als Schülerin vorgestellt habe. Oerlikon Textile ist ein Maschinenbauunternehmen, das Chemiefaseranlagen herstellt. Diese Maschinen werden in der ganzen Welt verkauft. In unserem täglichen Geschäft sind Geschäftsbeziehungen zu zahlreichen Ländern betroffen, z.B. China, Türkei und Indien aber auch ungewöhnlichere Länder wie Honduras oder Pakistan. Insoweit habe ich viel mit Anwält*innen dieser Jurisdiktionen und Kund*innen und Zulieferern weltweit zu tun.

Obwohl ich diese heutige internationale Tätigkeit sehr schätze, muss ich auch sagen, dass sich mein Wunsch nach einer Tätigkeit mit Bezug zu anderen Kulturen auf meinem bisherigen Berufsweg verändert hat. Mein früherer Wunsch Diplomatin zu werden war geprägt vom Interesse an fremden Kulturen. Hiervon habe ich mir erhalten, dass mich interessiert, wie Leute an anderen Orten ticken, wie man dort lebt und was man isst. Dieses Interesse muss aber nicht in meinem beruflichen Alltag bedient werden.

Sie haben nach Ihrem Jurastudium in Trier – die Wahl der Universität war bedingt durch eine fachspezifische Fremdsprachenausbildung in Japanisch, die dort angeboten wurde – den Berufseinstieg bei einer britischen Großkanzlei gewählt. Als Kind wollten Sie eigentlich nie Anwältin werden. Wie kamen Sie vom Diplomatin-Wunsch zur Rechtsanwältin?

Ich hatte zu Beginn meines Studiums einen sehr guten Plan, wie mein Ausbildungs- und Berufsweg aussehen soll. Diesen Plan habe ich in den ersten Jahren auch verfolgt. Es haben sich aber immer wieder Chancen geboten, die abseits davon lagen und meine Planung dann überflüssig gemacht haben.

Ein Beispiel: Für meine Wahlstation im Referendariat wollte ich unbedingt nach Japan. Nach dieser Möglichkeit habe ich versucht, die Kanzlei für meine Wahlstation auszuwählen. Im Rahmen der Vorstellungsgespräche bei Kanzleien bekam ich zu hören, dass ein Versenden nach Japan möglich sei, wenn das Mandat es erfordere. Mir war damit klar, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering sein würde, dass dies auf mich als Referendarin zutreffen würde und ich tatsächlich nach Japan komme. Die Kolleg*innen bei Clifford Chance haben mir dann aber angeboten, meine Wahlstation in deren Tokioter Büro zu absolvieren – unabhängig vom Bedarf der Mandatsarbeit. Damit war die Entscheidung für Clifford Chance getroffen.

Was sind aus Ihrer heutigen Sicht die Vor- und Nachteile des Berufseinstiegs in einer Großkanzlei?

Der größte Vorteil – den ich bei meinem Berufseinstieg nicht auf dem Schirm hatte – ist, dass in einer Großkanzlei eine große Gruppe gleichaltriger Berufsanfänger*innen ist, mit denen man sich austauschen kann. Es ist weniger die professionelle Ausbildung oder ein Ausbildungsprogramm, das den entscheidenden Faktor ausmacht. Es ist vielmehr der niederschwellige Austausch mit Gleichaltrigen, der umfänglich möglich ist. Ich hatte dadurch bei meinem Berufseinstieg viele Leute um mich, die ich nach Organisatorischem wie zum Beispiel Papier für den Drucker fragen konnte – ebenso wie nach Hilfestellung bei der Mandatsarbeit.

Als nachteilig empfinde ich, dass zu wenig Zeit für andere Dinge bleibt. Ich habe meinen Job zwar schon immer sehr gerne gemacht – aber auch andere Dinge in meiner Freizeit. Zu meiner Zeit war der Job in der Großkanzlei mit Freizeitwünschen nicht gut vereinbar. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich meinen Wunsch nach mehr Freizeit in den ersten Jahren weniger wahrgenommen habe. Zudem hat mir dieser Nachteil der starken Arbeitsintensität geholfen, meine Grenzen der Belastbarkeit kennenzulernen. Dieses Wissen hilft mir heute, meine Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu leben.

Nach Ihrem Berufseinstieg blieben Sie ca. sieben Jahre in der Großkanzlei, bevor Sie in eine kleinere Kanzlei als Partnerin wechselten. Wie unterscheiden sich große und kleinere Einheiten von Kanzleien??

Generelle Unterschiede lassen sich nur schwer ausmachen. Diese liegen eher an den Personen, mit denen man jeweils zusammenarbeitet sowie der Kanzleistruktur, die unabhängig von der Größe sein kann.

Bei mir war es so, dass ich mich am Ende in der Großkanzlei sehr stark spezialisiert habe. Ich hatte im Bereich Corporate / M&A angefangen zu arbeiten. Danach habe ich vor allem Energiesektor-Transaktionen begleitet und ab einem späteren Zeitpunkt im Energiesektor nur noch Netze. Das war am Ende also extrem speziell und ergab sich nicht durch meine Auswahl, sondern eher zufällig und dann durch erworbene Vorkenntnisse. Von all den vielen Sachen, die die Kanzlei inhaltlich auch machte, habe ich nicht mehr viel mitbekommen.

Für mich war der Schritt in die kleinere Kanzlei damit begründet, dass ich nicht so extrem spezialisiert sein wollte. Ich wollte die Möglichkeit haben, an inhaltlich verschiedenen Mandaten mitzuarbeiten – auch wenn dann gegebenenfalls nicht der ganz große Name auf der Akte stehen würde. Der Name auf der Akte determiniert nicht, wie spannend nachher das Mandat sein wird. Es kann gut sein, dass bei vermeintlich kleineren Mandaten der lustigere Sachverhalt, die spannendere Rechtsfrage oder der nettere Mandant dahintersteht.

Sie blieben nicht lange Partnerin in dieser Kanzlei: Kurze Zeit nach Ihrem Wechsel kam eine befreundete Headhunterin mit Ihrer jetzigen Stelle auf Sie zu. Was ließ das neue Angebot Sie so schnell annehmen?

Ich bin in meiner gesamten beruflichen Karriere immer zu Vorstellungsgesprächen gegangen – unabhängig davon, ob ich mit meiner Position zufrieden war oder nicht. Hintergrund war, dass ich dadurch Praxiserfahrung in Vorstellungsgesprächen sammelte, um im Ernstfall gelassen an ein solches herangehen zu können.

So kam ich auch zu dem Vorstellungsgespräch bei Oerlikon Textile. Mein Mann hatte kurz zuvor in einem anderen Unternehmen in Remscheid angefangen zu arbeiten, was die Headhunterin wusste. Obwohl ich als Partnerin in der Kanzlei eigentlich sehr zufrieden war, war das Gespräch mit meinem jetzigen Arbeitgeber für mich dann sehr spannend. Ich habe schnell festgestellt, dass mein Interesse für internationale Bezüge in einem Unternehmen anders im beruflichen Alltag anklingt als in einer Kanzlei. Als deutsche Anwältin in einer deutschen Kanzlei habe ich primär deutsches Recht behandelt. In einem Unternehmen mit globalen Geschäftsbeziehungen tauchen hingegen auch Rechtsfragen anderer Jurisdiktionen im Alltag auf, die praxisorientiert beantwortet werden müssen.

Daneben hat mir sehr gut gefallen, dass ich mich mit einer Position und einem Produkt identifizieren konnte und nicht, wie in Kanzleien üblich, je nach Mandat den Blickwinkel wechseln musste. Ich freue mich, jetzt für ein Produkt zu stehen, dessen Technologie mich total begeistert! Natürlich wusste ich zu Beginn nicht, wie Chemiefaseranlagen funktionieren. Ich fand es aber großartig, als mir mein jetziger Chef im Vorstellungsgespräch unser Technikum gezeigt und eine Anlage erklärt hat.

Sie sagten, dass Sie schon während Ihrer Zeit in der Großkanzlei und danach ab und an Bewerbungsgespräche für andere Positionen geführt haben. Trotzdem hat Sie eine Stelle mehrere Jahre gehalten, eine andere weniger Zeit – woher wussten Sie jeweils, wann es Zeit war, weiterzuziehen?

Die Übung der vorherigen Bewerbungsgespräche hat mich das Abwägen zwischen aktueller und angebotener Stelle gelehrt. Ich habe immer versucht, möglichst neutral meine aktuelle und die angebotene Stelle miteinander zu vergleichen und da fiel die Abwägung zu den entsprechenden Zeitpunkten eben so aus, dass ich einmal nach längerer und einmal nach kürzerer Zeit weiterzog. Ich hätte mir gut eine längere Zeit als Partnerin in der zweiten Kanzlei vorstellen können, aber die Stelle im Unternehmen klang eben noch spannender.

 

Zu der Zeit in der Großkanzlei muss ich rückblickend sagen, dass ich vermutlich schon früher hätte gehen können. Es kostet Elan und systematisches Herangehen, sich einen guten anderen Job auszusuchen, was mir damals fehlte.

Frau Preiss, Ihr Weg zeigt, dass es ganz anders kommen kann, als wir uns unseren Arbeitsweg vor, während oder nach dem Studium ausmalen. Wie – und wie sehr – können wir und sollten wir diesen Weg aktiv planen und gestalten?

Wenn einem die Gestaltung und Planung Freude bereitet, sollte man sich da nicht bremsen. Es ist aber sicherlich wichtig, sich die Flexibilität zu bewahren, es auch anders kommen zu lassen. Daneben sind bei der Planung Unwägbarkeiten zu beachten: Den Menschen in einem Bewerbungsgespräch können wir ja immer nur vor den Kopf schauen. Wie die Zusammenarbeit nachher tatsächlich aussehen wird, weiß man nicht.

Bei der Gestaltung und Planung des beruflichen Weges finde ich zudem ein Hinterfragen hilfreich: Was genau gefällt mir an einer bestimmten Tätigkeit? Bei mir waren es die Transaktionen, die mir über einen langen Zeitraum Spaß an der Arbeit bereitet haben – aber was genau an Transaktionen? Die Dokumentensichtung in Datenräumen, das Schreiben des Vertrages, die Verhandlung oder noch etwas anderes? Gerade als Berufsanfänger*in bietet es sich an, viel auszuprobieren und diesen Fragen auf den Grund zu gehen.

In Ihrer heutigen Position in einem Maschinenbauunternehmen sind Sie in einer klassischen „Männerdomäne“. Welche Schwierigkeiten kann dies mit sich bringen? 

Ich hatte jedenfalls mit mehr Schwierigkeiten gerechnet. Ich bin bei Oerlikon Textile in den meisten Besprechungen die einzige Frau. Ich bin auch eine der Jüngsten und die Einzige mit Migrationshintergrund im deutschen Führungsteam.​

Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass meine Kollegen zu Beginn meiner Arbeit geschaut haben, ob ich kann, wofür ich eingestellt wurde. Als sie feststellten, dass ich die Anforderungen erfülle, war das Thema des Sich-Beweisens aber erledigt. Das wäre auch bei einem Mann nicht anders gewesen. Die Tatsache, dass ich eine Frau bin, stellt meine Kompetenz nicht in Frage.

Einige Frauen berichten von Kommentaren von männlichen Arbeitskollegen zu ihrem Outfit oder ihrer Frisur, die sie verunsichern oder unwohl fühlen lassen. Wie gehen Sie mit gegebenenfalls solchen oder anderen schwierigen Situationen um?

Ich persönlich habe mich in solchen Situationen nie als Opfer gefühlt – ob das eine Stärke oder Naivität ist, kann ich nicht sagen. Ich habe mir solche Situationen mit der Unwissenheit der Person, die den Kommentar abgegeben hat, erklärt – Unwissenheit darüber, wie unpassend der Kommentar war. Unter dieser Gegebenheit konnte ich immer gut mit Humor auf solche Situationen reagieren und es hat mich nie beeinträchtigt.

 

Humor ist für mich persönlich hier auch die richtige Reaktion, da er erlaubt, den Kommentar zur Sprache zu bringen und zu kritisieren, ohne dass das Gegenüber sich gleich in die Defensive gedrängt fühlt. Aus meiner Erfahrung ist dann nämlich meist kein zielführendes Gespräch mehr möglich und man erreicht nichts. Ich habe auch gute Erfahrungen damit gemacht, solche Situationen im Nachhinein bilateral anzusprechen und zu klären.

Welchen Tipp würden Sie Ihrem 25-jährigen Ich heute geben?

Ich würde mir raten, entspannter zu sein. Damit meine ich auch die Planungsfreude, die ich hatte und habe und die zu Beginn unseres Interviews auch schon mehrfach zur Sprache kam. Es ist völlig in Ordnung, viel zu planen. Daneben sollten aber die notwendige Flexibilität und der Mut viel auszuprobieren nicht abhandenkommen. Letzteres meine ich mit „entspannt sein“. Als junger Mensch habe ich vielleicht zu sehr an einer Idee eines Jobs festgehalten. Das Motto sollte sein: „Wenn wir es so gut machen, wie wir können, wird es schon gut sein!“. Ich hätte mir beispielsweise durchaus mehr Zeit für andere Dinge zwischen Berufseinstieg und Ausbildungsende geben und die Zeit für nicht berufliche Aktivitäten nutzen können.  

Wir sprachen viel über Ihre Vergangenheit. Zu Ihrer Zukunft: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Ich bin beruflich da, wo ich gerne bin, und suche insofern gerade keine Veränderung. Ich möchte vielmehr noch besser werden, in dem was ich tue. Ich habe in meiner Kanzleizeit viel gelernt und mir einige Kernkompetenzen erarbeitet. In meinen ersten sechs Jahren bei Oerlikon Textile habe ich viele dieser juristischen Kompetenzen nutzen und weiterentwickeln können und mir viele weitere Themenfelder erarbeitet. Als nächstes möchte ich gerne meine Kenntnisse und Fähigkeiten bezüglich unserer Technologie verbessern und sehen, wie ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass unser Unternehmen weiterhin floriert.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Zunächst möchte ich Elisabeth Drews nenne. Sie war meine erste Mentorin bei Clifford Chance. Ich finde, dass sie ein gutes Vorbild ist, weil sie nach einer Anfangszeit in der Kanzlei sowohl den Schritt in die Selbständigkeit als auch den Schritt weg von der Rechtsberatung geschafft hat und nun juristische Personalberaterin ist. Ich finde auch ihre immer positive Art sehr inspirierend.

Daneben möchte ich Caroline Gilles nennen. Sie ist General Counsel bei Miele und war davor lange bei Grohe und Lanxess. Sie hat mehrere Unternehmen von innen gesehen, in verschiedenen Branchen und in verschiedenen Rollen. Auch Caroline Gilles finde ich immer positiv und wertschätzend, ohne dass dabei der Biss verlorengeht.

Zuletzt muss auch Anahita Thoms genannt werden. Sie ist ja schon auf der Website und selbsterklärend, finde ich. Anahita Thoms zeigt, was man alles schaffen kann, wenn man wirklich für ein Thema brennt.

Alle drei zeigen, dass man nett UND erfolgreich und durchsetzungsstark sein kann.

Vielen Dank für das spannende Interview! 

Köln, 2. Februar 2023. Das Interview führte Dr. Ilka Beimel.

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