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Inken Knief

Dr. Inken Knief im Porträt

Man muss sich trauen, Dinge anders zu machen als die anderen.“

Dr. Inken Knief, Partnerin bei Hogan Lovells, über ihre Faszination für Prozessführung in den Spezialgebieten Pharma und Defence, Tipps für sicheres Auftreten in Hearings, gutes People Management und die (bleibende) Herausforderung der Teilzeitpartnerschaft in Wirtschaftskanzleien.

Liebe Dr. Knief, Sie sind Partnerin in der Praxisgruppe Prozessführung und zuständig für große internationale Schiedsverfahren, Post-M&A Streitigkeiten, insb. im Bereich Pharma, Aerostructure und Defence. Wie sind Sie zu diesem Fachbereich gekommen?

Ich habe immer gerne mit Sprachen gearbeitet und mag es, mich in einem internationalen Umfeld zu bewegen. Während meiner Promotion habe ich eine Stellenanzeige für "International Arbitration" bei Wilmer Hale in London gesehen, habe mich beworben und wurde glücklicherweise genommen. Ich hatte keinerlei Erfahrung oder Vorkenntnisse im Bereich International Arbitration. Es hat mich interessiert und ich konnte Englisch.

Meine Spezialisierung ist eine prozessuale Spezialisierung, auf internationale  und nationale Schiedsverfahren jedweder Art. Das macht es so spannend, die Materie ist immer neu. Im Moment mache ich in der Tat viel Pharma und Aerostructure und Defence, beides aus meiner Sicht sehr interessante Bereiche.

Was fasziniert Sie an der Prozessführung in den Spezialbereichen Pharma und Defence?

Wir betreuen derzeit eine ganze Reihe von Supply Chain Disputes, sowohl im Pharma als auch im Defence Bereich. Da stehen oft Qualitätsmängel und damit technische Fragen im Vordergrund. Ich persönlich mag die technischen Fragestellungen, weil man dabei sehr viel über Produkte und Bereiche lernt, von denen man vorher gar nicht wusste, dass es sie gibt.

Unsere Mandant*innen sind hochprofessionell, und haben herausragende Expertise in ihrem Bereich. Ich sitze dann viel mit den Chief Engineers oder Pharmazeuten zusammen, die mir erklären, worum es geht. Dabei wundern sich die Mandant*innen oft, wie tief wir in die Materie einsteigen. Ich höre dann oft erstmal: "Wollen Sie das jetzt wirklich so genau wissen?" Wenn den Mandant*innen einmal klar geworden ist, dass wir uns wirklich für die technischen Einzelheiten interessieren, waren sie aber bisher immer und ausnahmslos bemüht, uns die technischen Details zu vermitteln. Da hat mir auch übrigens Frau sein nie geschadet. Vielleicht eher im Gegenteil, weil keiner von mir erwartet, dass ich weiss wie eine Kampfdrohne funktioniert oder Kleber gemacht wird. Ich muss auch nicht so tun, als wüsste ich das alles schon.

Meine oder unsere Aufgabe ist es dann, die Materie so gut zu durchdringen, dass wir sie schriftsätzlich und im Hearing genau erklären können. Ich verstehe das ein bisschen als Übersetzungsarbeit. Das ist sehr dankbar, weil das Schiedsgericht ja zumeist mit demselben technischen Verständnis bzw. Unverständnis anfängt, mit dem wir angefangen haben.

Wie bereiten Sie sich auf ein Hearing vor, um sicher und glaubwürdig auftreten zu können? Ist es beispielsweise in einem Rüstungsprozess wichtig zu wissen, wie eine Kampfdrohne funktioniert?

Ich denke gute Vorbereitung das "A und O". Man muss den Sachverhalt genau verstanden haben, sowohl die technischen Fragen und die Geschichte, die hinter dem Streit steht. Nach meiner Erfahrung gibt es immer eine "Geschichte", so etwas wie ein Thema. Im besten Fall erfasst man das Thema schon am Anfang eines Falles und kann die Strategie danach ausrichten.

Zu einer guten Vorbereitung gehört für mich auch und vor allem, dass man die Dokumente sehr gut kennt. Die lese ich soweit verfügbar schon bei der Erarbeitung der Strategie und während der Arbeit an den Schriftsätzen. Das lässt sich nach meinem Dafürhalten auch nicht weg delegieren, weil man mit wachsender Erfahrung mehr sieht und mir ansonsten die Gefahr, dass wir etwas übersehen, zu groß wäre.

Und ja, um Ihre Frage zu beantworten, wenn es darum geht, wie Kampfdrohnen funktionieren, muss man sehr genau wissen, wie eine Kampfdrohne funktioniert. Daran führt kein Weg vorbei, wenn man im Hearing mit den Sachverständigen und Zeug*innen auf Augenhöhe diskutieren will. Dazu muss man es mindestens genauso gut verstehen bzw. eigentlich besser.

Haben Sie Tipps für sicheres Auftreten in den Hearings?

 

Ja, gute Vorbereitung. Wortbeiträge im Hearing, also vor allem das Opening und die Kreuzverhöre, sind im Detail vorbereitet, da ist nichts dem Zufall überlassen. Ich würde auch selbst den begabtesten Rhetoriker*innen keinen Spontanauftritt im Hearing empfehlen. Dafür sind unsere Fälle und gerade die technischen Sachverhalte zu komplex, und die Anlagenkonvolute zu umfangreich.

Ein gutes Skript gibt per se schon Sicherheit. Vor dem Hearing kennt man es dann normalerweise so gut, dass man wenig ablesen muss. Fürs Kreuzverhör ist natürlich die genaue Kenntnis der Dokumente absolut wesentlich.

Uns wurde im Vorfeld des Interviews aus Ihrem Team viel Gutes über Sie als Chefin berichtet. Welche Eigenschaften zeichnen Sie als Chefin aus, was ist Ihnen bei der Führung Ihres Teams besonders wichtig?

Das freut mich sehr zu hören. Ich strenge mich an und lerne dazu. "People Management" empfinde ich vor allem deshalb als schwierig, weil eben jede*r Mitarbeiter*in anders ist. Was für die eine Person eine geeignete Motivation ist, mag für die andere ungeeignet sein.

Mir sind Freundlichkeit und Respekt gegenüber meinen Mitarbeiter*innen sehr wichtig. Ich denke, es hat noch nie jemand bei schlechter Behandlung besser gearbeitet, daher ist das aus meiner Sicht keine sinnvolle Strategie. Wenn das mit der Freundlichkeit einmal nicht gelingt, hat das meist auch weniger mit der Leistung des anderen, als mit der eigenen Unsicherheit zu tun. Und gut zuhören und herausfinden, was den anderen motiviert.

Welche Fähigkeiten muss ein Berufseinsteiger oder eine Berufseinsteigerin mitbringen, um in Ihrem Team und in dem Bereich Prozessführung zu arbeiten?

Neugierde, geistige Beweglichkeit, Selbstvertrauen, Teamfähigkeit. Sehr gute Englischkenntnisse sind Grundvoraussetzung. 

Beobachten Sie derzeit eine Veränderung der Einstellung/Motivation der Berufseinsteiger*innen im Unterschied zu früher? Welche?

Mein Team ist sehr motiviert. Ich sehe aber schon einen größeren Fokus auf "Work-Life-Balance." Das finde ich im Prinzip richtig, es darf aber nicht auf Kosten des Teams gehen. Wenn wir in einer intensiven Arbeitsphase sind, müssen alle mitziehen, sonst geht es nicht.

Und ich sehe einen größeren Fokus auf abrechenbare Stunden. Auch das finde ich im Prinzip gut, allerdings gibt es immer einen Anteil nicht abrechenbarer Arbeit, z.B. business development, project management, den jede*r mit übernehmen muss. Ich fand es als Associate immer ganz schön, nicht so sehr auf die Profitabilität schauen zu müssen, deshalb verstehe ich die Entwicklung in diesem Punkt nicht ganz. Die Ausrichtung an Zahlen kommt schon noch früh genug.

Sie arbeiten Vollzeit und sind alleinerziehend mit einer Tochter. Wie organisieren Sie den Berufs- und Familienalltag?

Ich mag den Begriff alleinerziehend für mich eigentlich nicht so sehr, weil er meine Situation nicht passend beschreibt. Der Vater meiner Tochter kümmert sich sehr gut und viel, das schafft mir Freiräume, die ich auch für meine Arbeit nutze. Auch ansonsten habe ich viel Hilfe, also eine Ganztagsbetreuung und Kinderfrauen, die im Notfall einspringen. Insofern ist meine Situation eine ganz andere als beispielsweise die einer alleinerziehenden Krankenschwester, die alleinverantwortlich ist und keine finanziellen Mittel hat, um sich helfen zu lassen.

Ich lasse mir aber auch helfen, das kommt dazu. Ich bin der festen Überzeugung, dass es für Kinder absolut wesentlich ist, dass die Eltern ausgeglichen und zufrieden sind. Insofern versuche ich auch im Sinne meiner Tochter, die totale Überforderung zu vermeiden. Und ich delegiere Dinge, die ich nicht selber machen muss, wie etwa große Teile des Haushalts. Aber wie gesagt, ich habe einen guten Job und kann das bezahlen. Die alleinerziehende Krankenschwester kann das nicht.

In unserem Vorgespräch haben Sie berichtet, dass das Thema Teilzeitmöglichkeiten und deren Wahrnehmung auf Partner*innenebene präsent ist, aber bislang wenige Partner*innen diese Möglichkeit wahrnehmen. Was ist aus Ihrer Sicht der Grund dafür?

Ich bin mir nicht sicher, woran das liegt. Bei uns in der Kanzlei besteht die Möglichkeit zur Teilzeitpartnerschaft, aber es wird nicht so häufig genutzt wie man denken würde. Ich bin dafür ein gutes Beispiel. Ich war vor der Ernennung zu Partnerin zu 70% tätig und bin dann umgestiegen auf Vollzeit. Als Partnerin ist man ja auch für eine Business Unit verantwortlich, da erschienen mir 70% unrealistisch. 

Ich finde das auch gar nicht schlimm. Es würden ja auch die wenigsten einen eigenen Laden aufmachen und dann sagen, ich kann aber grundsätzlich nur bis 17.00 Uhr. Wenn man für ein Business verantwortlich ist, dann lässt sich das eben sehr schwer zeitlich begrenzen.  Wahrscheinlich hat das etwas mit dem Konzept der Verantwortung zu tun.

In unserem Vorgespräch haben Sie gesagt, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf keine Frauensache ist. Sollte es in Unternehmen und Kanzleien eine Quote von Männern in Führungspositionen geben, die Elternzeit und ggf. Teilzeit nehmen? 

Nein, ich finde nicht. Meiner Meinung nach sollte es ja auch keine Quote von Frauen geben, die Frauen verpflichtet, in Elternzeit zu gehen oder Teilzeit zu nehmen. Das fände ich skandalös.

Man könnte allenfalls über Fördermodelle für Väter nachdenken. Prinzipiell finde ich aber, dass es Sache der Eltern ist, für sich zu besprechen und zu entscheiden, wann wer arbeitet und sich um die Kinder kümmert und weder Sache des Arbeitgebers noch des Staates.

Gibt es einen Ratschlag, den Sie früher selber gern gehabt hätten und jungen Juristinnen geben könnten?

Ich würde Kolleginnen im Hinblick auf die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf  raten, ihren eigenen Weg zu gehen. Es gibt dazu ohnehin wenige Vorbilder, an denen man sich orientieren könnte. Mein Konzept war zum Beispiel nicht so geplant, aber funktioniert sehr gut. Man muss sich aber auch trauen, Dinge anders zu machen als die anderen.

Ich habe manchmal den Eindruck, viele Frauen stecken da noch ein bisschen in herkömmlichen Modellen fest. Ich höre zum Beispiel sehr häufig, dass sich Kolleginnen keinen "Hausmann" vorstellen können, weil sie den Respekt verlieren würden. So etwas könnte kein Mann mehr öffentlich sagen. Warum muss der Mann der Versorger sein? Was ist unmännlich daran, sich um seine Kinder zu kümmern? Mir persönlich ist das zu "retro".

Wie wichtig sind Rollenbilder für Sie?

Naja, es wäre schon hilfreich, als Frau Orientierungspunkte für bestimmte Konzepte zu haben, davon gibt es zu wenig. Andererseits verengen Rollenbilder eben auch, weil sie bestimmte Rollen festlegen. Ich persönlich finde es besser, seine eigene Rolle zu finden.

Haben oder hatten Sie Vorbilder?

Ja, viele, aber nicht ein Vorbild für alles, sondern viele Vorbilder für verschiedene Eigenschaften oder Fähigkeiten. Ruth Bader-Ginsburg für den Kampfgeist und kritischen Widerspruch, Christine La Garde fürs Frau bleiben in einer Männerwelt, Alice Schwarzer für die Bereitschaft, sich für einen guten Zweck zu opfern. Es gibt sehr viele tolle Frauen und Männer.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Prof. Dr. Maxi Scherer, eine herausragende Schiedsrichterin und Akademikerin.

Vielen Dank für das spannende Interview! 

München, 1. Juli 2021. Das Interview führte Marina Arntzen, LL.M.

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