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Friederike Schäfer

Friederike Schäfer im Porträt

Man sollte sich von Dingen, die man nicht kennt, nicht abschrecken lassen.“

Friederike Schäfer, Counsel an der ICC in Paris, über juristisches Arbeiten im Ausland, das Finden der eigenen Berufung und eine andere Haltung gegenüber arbeitenden Müttern in Frankreich.

Liebe Friederike, 2007 hast du deine juristische Karriere als Anwältin begonnen und warst seitdem für mehrere internationale Kanzleien tätig. Wie kamst du zur ICC?

Ich bin im Jahr 2015 zur ICC gekommen, als die Stelle ausgeschrieben wurde. Ich war zu diesem Zeitpunkt in meiner Kanzlei gerade in einer Phase, in der ich mich gefragt habe, wie es grundsätzlich beruflich für mich weitergeht. Als ich die Anzeige gesehen habe, habe ich diese zum Anlass genommen, es einfach mal zu probieren.

Ich habe diese Stelle als Chance gesehen, mich nochmal zu verändern, ein neues Land kennen zu lernen und meinen Schiedsrechtsfokus auszuweiten.

Ehrlich gesagt, habe ich aber nicht damit gerechnet, dass meine Bewerbung die interessanteste ist, weil ich damals mit meiner Karriere schon relativ weit fortgeschritten war. Meine einschlägige Erfahrung im Schiedsverfahrensrecht und meine Auslandserfahrung durch meine Arbeit in Deutschland und Österreich war letztlich aber dann das Ausschlaggebende. Ich brachte zwei sehr relevante Jurisdiktionen mit für mein Team in Frankreich und wurde eingestellt.

Was macht die Arbeit im internationalen Schiedsverfahrensrecht für dich so spannend? Wie hast du „deinen“ Bereich gefunden?

Wie so viele habe ich diesen Bereich als für mich interessant identifiziert, als ich während meines Studiums an einem Moot Court teilgenommen habe. Ich habe zuerst als Teilnehmerin, dann als Coach und Schiedsrichterin Erfahrung im Schiedsrecht sammeln können und erkannt, dass ich das später auch mal machen möchte. In meiner Anwaltskarriere hatte ich von Anfang an im Bereich Schiedsverfahrensrecht zu tun. Ich glaube, ich mag diesen Bereich so sehr, weil man mit den unterschiedlichsten Streitigkeiten zu tun hat und sich nicht auf ein Rechtsgebiet beschränkt. Und anders als in Prozessen vor staatlichen Gerichten, arbeitet man häufiger im internationalen Kontext und hat prozessual mehr Flexibilität. Ich mag die Abwechslung, sodass es für mich recht einfach war, mich irgendwann auf diesen Bereich zu fokussieren.

Hast du Tipps für andere, die sich noch nicht so sicher sind, was sie genau machen wollen oder wo es sie hinzieht? Wie findet man „seine Berufung“?

Es ist wichtig, dass man mehrere Dinge ausprobiert, während des Studiums, aber auch im Arbeitsleben. Ich halte nicht so viel davon, sich unmittelbar nach dem Studium auf das zu spezialisieren, was man dann für immer macht. Man sollte sich etwas Zeit geben und Kenntnisse sammeln, sowohl materiell-rechtlich als auch prozessual. Ich habe es immer sehr genossen, Mandanten, neben meiner Tätigkeit im Schiedsverfahrensrecht, auch kautelarjuristisch zu beraten.

Ich würde jedem raten, sich nicht abschrecken zu lassen von Bereichen, die einem im Studium vielleicht nicht gefallen haben oder noch gar nicht begegnet sind. Es fällt vieles leichter, wenn man offen bleibt gegenüber Dingen, die man noch nicht kennt. und alles als MÖGLICHE als Berufung aufzufassen.

Abgesehen davon, bin ich mir gar nicht sicher, ob es überhaupt eine Berufung als solche gibt. Mir hat auch oft eine Sache erst dann Spaß gemacht, wenn ich sie eine Weile gemacht habe, weil man sich dann besser damit auskennt und einem die Dinge leichter fallen, die Spezialisierung alleine ist für eine Berufung aber sicherlich nicht ausschlaggebend.

Auch vor deiner Stelle an der ICC, warst du bereits im Ausland tätig, als Partnerin einer Kanzlei. Studiert hast du aber in Deutschland. Wie schwer oder leicht ist es als deutsche Juristin im Ausland Fuß zu fassen?

Ich bin nach Österreich gegangen, weil ich Wien so gerne mochte. Im Ausland zu arbeiten war für mich nicht besonders schwierig. Das lag zum einen daran, dass ich durch das Studium eine sehr gute Grundlage im allgemeinen und besonderen Schuldrecht hatte und ich mich auch schon immer ein bisschen mit IPR, Gesellschaftsrecht und Internationalem Zivilprozessrecht beschäftigt habe. Diese Rechtsgebiete sind in Österreich aufgrund gewisser Ähnlichkeiten für eine Deutsche relativ leicht zu erschließen. Da in Österreich der Rechtskreis derselbe ist und man keine Sprachbarriere hat, begegnet eine anwaltliche Tätigkeit keinen großen Hürden.

Will man im Ausland arbeiten, ist es als deutscher Jurist wichtig, eine Sensibilität dafür zu entwickeln, dass die deutschen Normen nicht immer die besten oder die einzige Lösung sind, die es für ein juristisches Problem gibt. Meistens liegt der Unterschied im Detail. Wenn man sich dies vergegenwärtigt, hat man es oft leichter, sich neue Jurisdiktionen anzueignen.

Beim Thema Frankreich ist es für mich schwieriger, Fuß zu fassen, allein schon wegen der Sprachbarriere und weil ich in einem internationalen Kontext, sozusagen außerhalb des französischen Systems,  überwiegend auf Englisch arbeite.

Die ICC (der Gerichtshof) ist seit kurzem paritätisch besetzt. Dennoch sind insgesamt vielmehr Schiedsrichter männlich, während die Counsel im Sekretariat zu 50% weiblich sind und vor kurzem noch überwiegend weiblich waren. Woran liegt das deiner Meinung und sollte dies geändert werden – falls ja, wie könnte dies geschehen?

Ich halte es für erstrebenswert, dass auch die Mandate im Schiedsgericht paritätisch vergeben werden. Ich glaube allerdings, dass man da nur hinkommt, wenn alle Beteiligten sich immer wieder vor Augen führen, dass das unser Ziel ist und jede/r Einzelne versucht, sich diesem Ziel anzunähern. Für eine Institution wie die ICC ist es einfacher ein solches Ziel zu verfolgen, als für eine/n parteiernannte/n Schiedsrichter/in.

Manchmal wenn ich nach Kandidaten und Kandidatinnen suche, ertappe ich mich selbst, dass ich nicht immer den Grundsatz anwende: „Im Zweifel nehme ich die Frau“, sondern im Einzelfall schaue, was erwarten die Parteien, was passt, welche Erfahrungen bringen die einzelnen Leute mit. Das sind natürlich wichtige Kriterien, die zu berücksichtigen sind, aber man sollte sich dabei nicht behindern lassen, auch noch unbekannteren Kandidatinnen eine Chance zu geben.

Will man keine Quote einführen, muss auf allen Ebenen ein Bewusstsein geschaffen und möglichst viel dokumentiert werden, was die Besetzung der Schiedsverfahren betrifft; das sollte aber nicht nur in den Institutionen, sondern insbesondere auch in den Unternehmen und Kanzleien passieren, da die im Endeffekt die Schiedsrichter oder Schiedsrichterinnen häufiger benennen oder zumindest bei der Auswahl beraten.

Auch du erhältst regelmäßig Bewerbungsschreiben von Juristinnen. Wie müsste eine Bewerbung bzw. ein Lebenslauf, deiner Meinung nach, aussehen, damit sie dein Interesse weckt?

Für mich gibt es kein Kriterium, was eine Bewerberin anders machen müsste als ein Bewerber. Ich glaube, ich achte auf dieselben Dinge. Das sind insbesondere die juristischen Qualifikationen. Ich nehme natürlich zur Kenntnis, wenn sich Bewerber und Bewerberinnen extracurricular engagieren, glaube aber, dass das bei der Auswahlentscheidung höchstens unterbewusst eine Rolle spielt. In einem Interview würde ich sowohl bei Bewerbern als auch bei Bewerberinnen darauf achten, wie sie sich voraussichtlich ins Team einfügen, willens sind, Neues zu lernen und motiviert, die ihnen übertragene Aufgabe bestmöglich zu erfüllen. 

Du bist Mutter eines dreiährigen Kindes. Was tut die ICC in Sachen Vereinbarkeitsfragen? Gibt es etwas, was die ICC kann, was die französischen, deutschen oder auch österreichischen Kanzleien nicht können?

Die ICC hat mir schon vor der Pandemie die Möglichkeit gegeben, meine Arbeitszeit flexibel zu gestalten, indem ich meine Anwesenheitszeit deutlich reduziert habe und mehr von zu Hause arbeite. Im letzten Jahr haben wir praktisch auf 100% Homeoffice umgestellt. Vieles meiner Arbeit umfasst natürlich Dinge, die man gut von zu Hause erledigen kann. Bei der ICC bin ich Angestellte, was ich als Partnerin in Österreich nicht war, sodass ich einen gewissen Arbeitnehmerschutz genieße.

Im Vorgespräch hast du erwähnt, dass du und dein Partner sich die Kinderbetreuung mehr oder weniger teilen. Würdest du das konkretisieren? Wie sieht euer Alltag aus?

Wir arbeiten beide in Vollzeit. In der Regel bringe ich unseren Sohn in die Schule (ecole maternelle) und dann hängt es davon ab, wo mein Partner an diesem Tag arbeitet. Wenn er nicht in Paris ist, hole ich unser Kind ab. Wenn er da ist, holt er ihn ab und ich kann länger arbeiten, wobei ich versuche, nicht zu viel Zeit vorm Computer zu verbringen, während mein Sohn da und wach ist. Die Zeit, die wir beide zu Hause sind, haben wir nicht besonders organisiert. Wir teilen meistens die Aufgaben, die anstehen, dann auf, wenn sie anfallen. Im Ergebnis gleicht sich der Anteil der Arbeit aber aus. Ich kümmere mich im Ergebnis wahrscheinlich etwas mehr um das Kind, während er etwas mehr im Haushalt macht. Wenn unser Sohn krank ist, dann regeln wir das ad hoc, je nachdem was in der jeweiligen Arbeit gerade ansteht.

Man hört oder liest immer wieder, dass Frankreich viel kinderfreundlicher sein soll, als Deutschland. Empfindest du das auch so? Hat man als Mutter „weniger“ Druck alles unter einen Hut bekommen zu müssen?

Ich weiß nicht, ob das eine oder andere Land kinderfreundlicher ist. Das hängt wahrscheinlich davon ab, wie man „kinderfreundlich“ definiert. Ich erfahre hier sehr viel Offenheit meinem Sohn gegenüber, d.h. mein Sohn wird überall gern gesehen und gut aufgenommen. Ich habe aber auch das Gefühl, dass die Erwartung an die Kindererziehung strenger ist. Kinder sollen in ihrem „Bereich“ bleiben und gewisse Erwachsenenbereiche nicht durchkreuzen. Konkret bedeutet das, dass das Kind dem Alltag der Eltern folgen muss, während in Deutschland - so habe ich zumindest den Eindruck - man den Alltag häufig eher um das Kind herum plant. 

Was das Frauenbild angeht, so glaube ich beobachtet zu haben, dass eine Frau in Frankreich nicht anders betrachtet wird, weil sie Mutter ist. Man erwartet also auch von einer französischen Mutter, dass sie dem aktuellen Schönheitsideal entspricht, sich toll kleidet, sozial integriert und verfügbar ist. Das Leben ändert sich insofern weniger mit Kind.

Das erkennt man z.B. daran, dass Mütter nach der Geburt recht schnell wieder anfangen zu arbeiten. Der schnelle Wiedereinstieg wird auch gefördert vom Staat. Man hat zwar den Mutterschutz, es gibt aber keine Einrichtung wie das Elterngeld. Zwar gibt es einen Conge parental von maximal 500 Euro ungefähr pro Monat, das deckt aber natürlich nicht die Lebenshaltungskosten.

Oh – das hört sich mehr als stressig an. Wie kommt es, dass die Frauen sich diesen Erwartungen unterordnen und wie schaffen sie das? Wie gehst vor allem du im Alltag mit diesen Erwartungen um? 

Ich habe die Äußerlichkeiten oft als Druck empfunden. Der Erwartung zu entsprechen, 100 % zu arbeiten und gleichzeitig meinen Sohn hübsch angezogen in die Krippe zu bringen, Spielroutinen zu etablieren und soziale Kontakte zu pflegen.

Manchmal empfinde ich es aber auch als befreiend. Ich musste mich beispielsweise nicht rechtfertigen, bereits fünf Monate nach der Geburt wieder Vollzeit gearbeitet zu haben, geschäftlich zu verreisen oder abends wegzugehen und einen Babysitter zu organisieren. Man wird deshalb nicht als „schlechtere“ Mutter angesehen.

Insgesamt ist es also sehr ambivalent und hängt vom persönlichen Stresslevel ab.

Was würdest du jungen Juristinnen, die in Deutschland studiert haben, raten, wenn sie eine Karriere im Ausland anstreben?

Karrieren sind ganz individuell, daher ist das eine schwierige Frage. Gute Erfahrungen sind auf jeden Fall ein Auslandssemester, L.L.M., Moot Court und/oder die Arbeit bei internationalen Organisationen. Für mich war der richtige Weg einfach anzufangen und auszuprobieren, ob es zu einem passt.

Welche Juristin hat dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

Ich würde jedenfalls zwei Freundinnen aus Wien nennen, mit denen ich mich auch schon oft über ähnliche Themen ausgetauscht habe, nämlich Valentina Wong und Anne-Karen Grill. Anne-Karin hat kürzlich den Schritt in die komplette Selbstständigkeit gemacht und ihre eigene Kanzlei eröffnet. Im akademischen Bereich fällt mir Prof Mary-Rose McGuire ein, die Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung mit beeindruckender Kompetenz und Einsatz betreibt.

Und wer nach wie vor eine Ansprechpartnerin und Vorbild ist, ist Dorothee Ruckteschler, die Ihr hier ja auch schon vorgestellt habt.

Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Du Dir dafür genommen hast! 

Heidelberg, 21.05.2021. Das Interview führte Alicia Pointner.

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