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Johanna Spiegel

Dr. Johanna Götz im Porträt

Kanzleien sollten auf Frauen mit Potenzial zur Partnerin aktiver zugehen.“

Dr. Johanna Götz, Salary Partnerin bei Taylor Wessing im Bereich Technology, Media and Telecoms, über die Erwartungen der Mandanten aus der Tech-Branche, die Vorzüge, mit Spaß und Leidenschaft an die Karriere heranzugehen und wie Frauen in Kanzleien ermutigt werden können, die Partnerschaft anzustreben.

Johanna Götz, Sie sind mit gerade mal Mitte Dreißig bereits zur Salary Partnerin in einer Großkanzlei ernannt worden. Entspringt dies Karriereplanung von langer Hand oder hat sich das einfach so ergeben?

Es hat sich eher so ergeben, denke ich. Ich habe es zwar nie ausgeschlossen, auch einmal Equity Partnerin zu werden, aber richtig planbar ist es nicht. Es ergeben sich vielmehr immer wieder Umstände, wo eines zum anderen kommt. Durch das Referendariat hat sich herauskristallisiert, dass ich gerne Anwältin werden möchte und da war Großkanzlei nie ausgeschlossen, solange es Spaß macht. Spätestens ab dem vierten Jahr wird man bei Taylor Wessing evaluiert, um die Weichen zu stellen, ob es in Richtung Partnerschaft gehen soll oder nicht. Bis dahin habe ich es mehr so auf mich zukommen lassen, weil ich gerne Anwältin bin, die Fälle gerne als meine Projekte sehe und das Ganze mit Leidenschaft angehe. Der Spaß an den Fällen ist mein Antrieb.

Sie beraten überwiegend IT- und Medienunternehmen im gewerblichen Rechtsschutz, Urheber- und Medienrecht. Erfordert Ihre Tätigkeit technisches Hintergrundwissen oder eine besondere Affinität zu Informatik?

Auf jeden Fall eine Affinität und den Willen, das Produkt technisch zu verstehen. Ein gewisses technisches Verständnis wird auch von der Mandantschaft erwartet. Sobald da nächste Mal etwas erklärt wird, wird erwartet, dass man auf Vorwissen aufbauen kann, da hilft es schon sehr, wenn man auch ein gewisses Grundverständnis mitbringt. Man unterhält sich oft auch in einer gewissen Fachsprache. Ich habe aber nicht Informatik studiert oder Programmieren gelernt oder dergleichen; das ist wohl auch für die tägliche Arbeit nicht notwendig. ​

Die Tech-Branche ist eine der Branchen, der man nachsagt, "Gewinnerin der Coronakrise" zu sein. Hat sich das bei Ihrem Workload bemerkbar gemacht?

Tatsächlich sehr. 2020 war sehr intensiv, wir hatten viele kurzfristige Verfahren, teilweise unmittelbar bedingt durch "Corona-Apps". Auch im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken hat das Thema Corona eine Rolle gespielt. Zum Beispiel, wenn Leute in sozialen Netzwerken medizinische Informationen verbreiten und deren Provider entscheiden muss, was zu löschen ist. Da ist dann abzuwägen zwischen einer vermeintlichen Begrenzung der Meinungsfreiheit der Nutzer und Nutzerinnen in Konkurrenz zum Schutz der Öffentlichkeit.

Hand aufs Herz: Wie lange arbeiten Sie durchschnittlich am Tag?

Sicherlich so ca. 10 Stunden. Das beinhaltet aber auch, dass man nach Feierabend oder am Wochenende noch einmal aufs Handy schaut und eine E-Mail beantwortet. Teilweise ist man von Fristen abhängig oder muss sich nach der Mandantschaft richten, die bei uns auch oftmals in den USA sitzt und daher eher später erreichbar ist. An einem normalen Tag bin ich wohl so gegen 9 oder 10 Uhr morgens im Büro, manchmal auch halb 11 Uhr wenn ich davor Sport mache; da bin ich zum Glück recht frei in der Zeiteinteilung. Abends bin ich dann durchschnittlich so gegen 20 Uhr zuhause.

Heutzutage legen immer mehr Bewerberinnen und zunehmend auch Bewerber von Anfang an mehr Wert auf flexible Arbeitszeiten, familienverträgliche Teilzeitmodelle und Homeoffice-Möglichkeiten. Ist das aus Ihrer Sicht mit der Arbeit in einer Großkanzlei vereinbar und, wenn ja, wie?

Zumindest beim Einstieg in die Kanzlei halte ich das eher für schwierig. Bei uns gibt es zwar keine "Facetime", also eine bestimmte Stundenzahl, die man unbedingt "absitzen" muss. Wenn man nichts zu tun hat, kann man gehen – wobei man natürlich meistens etwas zu tun hat. Aber bevor man über lange Strecken im Homeoffice oder in Teilzeit arbeitet, muss meiner Erfahrung nach erst einmal eine gewisse Routine und gegenseitiges Vertrauen im Team entstehen. Sobald man jedoch bisschen drin ist, geht es auf jeden Fall. Das hat ja auch gerade die Coronazeit gezeigt. Viele haben in dieser Zeit ja im Homeoffice gearbeitet, teilweise natürlich auch weil sie irgendwie die Kinderbetreuung managen mussten. Insofern, denke ich, haben wir auch viel an Flexibilität gewonnen. 

Welche Charaktereigenschaften und vielleicht auch welche sonstigen Umstände haben Ihnen bei Ihrem "schnellen Aufstieg" Ihrer Ansicht nach besonders geholfen?

Ich glaube, dass ich sehr direkt bin, deutlich sage, was ich möchte und meine Ziele klar formuliere. Außerdem macht es mir Spaß, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Aber ich hatte auch von den Umständen her ein gewisses Glück. Meine Chefin ist kurz nach meinem Beginn bei Taylor Wessing in Elternzeit gegangen und so hatte ich die Option, viele Dinge zu übernehmen. Da ich relativ druckresistent bin, habe ich dann auch wirklich recht viel übernommen und das auch gut geschafft. Dabei habe ich dann zwangsläufig in recht kurzer Zeit sehr viel gelernt und mich dadurch schnell entwickelt. Das führte dann wiederum dazu, dass ich auch viel Vertrauen bei der Mandantschaft gewinnen konnte, weil ich sehr präsent war.

Fällt Ihnen eine schwierige Situation ein, in der Sie besonders viel gelernt haben?

Ich habe mal ein ganz altes Berufungsverfahren am OLG Hamburg von einem anderen Kollegen übernommen. Die mündliche Verhandlung sollte eigentlich mein Chef machen, aber der war im Urlaub. Dann sollte es ein anderer Partner übernehmen, aber die Mandantin wollte, dass ich es mache, weil ich besser mit den Themen vertraut war. Es ging um sehr neue Rechtsfragen und die Gegenseite wurde von einem recht "alten Hasen" vertreten. In der mündlichen Verhandlung habe ich dann in Sachen Verhandlungsführung sehr viel gelernt; also vor allem ruhig zu bleiben, auf Argumente der Gegenseite auch mal nicht einzugehen, zu priorisieren, was für den Fall wichtig ist und so vom Gericht gehört zu werden.

Welchen Tipp würden Sie jungen Juristinnen geben, die gerne Karriere in der Großkanzlei machen würden?

Nicht zu verbissen an die Sachen rangehen, sehr früh mit dem Mentor oder der Mentorin unterhalten, wo man hinmöchte und aktiv Feedback einfordern. Also wirklich konkret fragen, wo der Mentor oder die Mentorin einen sieht, zur juristischen Leistung, aber auch zur Frage, wie man in Puncto Persönlichkeit und Auftreten an sich arbeiten kann. Außerdem: Verantwortung einfordern. Ehrlicherweise hängt es aber auch extrem vom Partner bzw. der Partnerin ab, wie gut der Aufstieg gelingt, denn man braucht auch Unterstützung und etwas Glück. 

Sind Ihnen auf Ihrem Ausbildungs- und Karriereweg Vorurteile oder Diskriminierung als Frau begegnet und wie kontern sie solche? 

Eigentlich kaum. Vielleicht auch, weil ich nicht so ein typisches "Mädchen" bin, also mich oftmals nicht so verhalte, wie man typischerweise von Frauen erwartet, wobei das natürlich eine gewagte Aussage ist. Ich habe sogar manchmal das Gefühl, dass Frauen zumindest in der Bewerbungsphase momentan eher bevorzugt werden, weil aktuell Themen wie Diversity und Gleichstellung gerade in Großkanzleien natürlich in aller Munde sind. Ich bin gespannt, wie es in dieser Hinsicht weitergeht.

Eine Gleichstellung von Frauen und Männern in der Anwaltschaft – zumal in den höheren Rängen – ist noch lange nicht erreicht. Was können Kanzleien tun, um hier Fortschritte zu erzielen?

Ich finde, es wäre sehr wichtig, dass weibliche Rolemodels sichtbarer werden, also im Grunde genau das, was breaking.through auch anvisiert. Viele Frauen sagen schon vor der Familienplanung, sie kriegen es nicht hin, weil sie einfach nicht wissen, wie, und zu wenig vorgelebt kriegen, dass es klappen kann. Je mehr Frauen zeigen, dass es geht, desto besser. Es gibt Beispiele von Equity Partnerinnen in unserer Kanzlei, die zeigen, dass es geht, aber die müssten sichtbarer werden. In diesem Sinne gibt es bei Taylor Wessing zum Beispiel seit neuestem das Format "Ungeschminkt". Hier erzählt eine Partnerin einmal im Monat einem kleinen Kreis von Kolleginnen von ihrem Werdegang. So erfährt man die unterschiedlichen Möglichkeiten, wie es funktionieren kann. Das fördert auch das Netzwerken unter den Frauen und motiviert ungemein.

Außerdem sollten Kanzleien aus meiner Sicht stärker Potenziale ansprechen, wenn sie sie sehen. Wenn in der Evaluation klar wird, dass es passende Frauen gibt, dann sollte man diese aktiver fördern, ihnen Wertschätzung entgegenbringen und vielleicht klarer den Weg aufzeigen, wie sie Partnerin werden kann. Denn selbst unter den Frauen mit sehr viel Potenzial gibt es zu viele, die ihr eigenes Licht unter den Scheffel stellen und insofern eine Hilfestellung benötigen.

Man sagt, hinter richtig steilen Karrieren stehen meistens persönliche Förderer oder Förderinnen, irgendwer, der oder die es gut mit einem meint und einen so gut es geht unterstützt. Würden Sie dieser These zustimmen?

Absolut. Wie schon erwähnt, braucht man eben in der Regel immer auch ein gewisses Glück betreffend die Umstände und die Personen, auf die man trifft.

Viel Arbeit erfordert viel Ausgleich. Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?

Ich rudere. Das habe ich im Referendariat begonnen, damals in einer Kanzleigruppe. Mittlerweile bin ich Mitglied in einem der alteingesessenen Ruderclubs hier in Hamburg, seit er seit relativ Kurzem Frauen aufnimmt. Das mache ich etwa zweimal die Woche und es bringt mir sehr viel Spaß. Außerdem nähe ich auch, das hat mir meine Großmutter als ich klein war schon beigebracht. Sehr oft schaffe ich das im Alltag aber leider natürlich nicht.

Wenn Sie sich nicht für Jura entschieden hätten, was wären Sie dann heute?

In der Retroperspektive hätte ich vermutlich stattdessen einen Ingenieursberuf erlernt. Aber ich muss ehrlich sagen, ich bin sehr gerne Juristin. Als es darum ging, mich zu entscheiden, war meine Entscheidung für Jura sehr klar und ich habe auch nie mit meinem Studium gehadert, anders als so manch anderer Jurist. Dass ich heute Anwältin bin, ist insofern kein Zufall.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Maja Stadler-Euler, die war schon in den 1980ern Partnerin und hat damals gemeinsam mit Gisela Wild das berühmte Volkszählungsurteil vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten. Sie ist bis ins hohe Alter in der Kanzlei gewesen und hat immer frischen Wind hereingebracht. Sie hat eine beeindruckende Persönlichkeit, ist extrem kunstinteressiert und auch ihr stilvolles Auftreten ist bewundernswert – ein absolutes Vorbild für mich. Ebenfalls sehr inspirierend ist auch meine unmittelbare Chefin Britta Heymann. Sie wirkt einfach vollkommen unverbissen und geht ihren Weg, den sie auch mit Kind und Elternzeit sehr gut gemacht hat, ohne die Freude an der Sache zu verlieren. Ich finde gut, dass sie immer die Einstellung hatte, es muss Spaß machen und erfüllend sein. Das ist ein tolles Vorbild in meinem direkten Umfeld.

Vielen Dank für das spannende Interview! 

Hamburg, 18. Juni 2021. Das Interview führte Dr. Graziana Kastl-Riemann. 

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