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Heidi Stopper

Heidi Stopper im Porträt

 

"Ich habe keinen Anspruch an mich perfekt zu sein."

Heidi Stopper, Top Management Coach und Unternehmensberaterin, über Authentizität im Berufsalltag, die Herausforderung ein eigenes Unternehmen zu gründen und den Mut etwas Neues zu wagen. 

Frau Stopper, Sie haben eine beachtliche Bandbreite an Branchenerfahrung und haben damit auch schon gleich nach Ihrem Jura-Studium bei der Dornier GmbH und kurz darauf bei Airbus als Personalleiterin begonnen. Warum haben Sie sich gegen die „klassischen Juristenberufe“ entschieden?

Ich würde gar nicht sagen, dass ich mich explizit gegen die klassischen Juristenberufe entschieden habe, vielmehr hatte ich, wie so viele, während meines Studiums noch keine klaren Vorstellungen wie die juristischen Berufe hinterher tatsächlich aussehen. Ich habe mein erstes Staatsexamen mit dem Wunsch beendet, Richterin zu werden. Während meines Referendariats habe ich dann allerdings sehr schnell verstanden, dass es zwar ganz wunderbare Berufe da draußen gibt, gerade der Richterberuf aber nichts für mich ist. Ich brauche viele Menschen um mich herum und muss in Kommunikation treten, statt hinter den Papierbergen auf meinem Schreibtisch zu verschwinden. Ich habe mich daher am Gericht wie in Isolationshaft gefühlt. 

Parallel zum Referendariat habe ich einen Lehrauftrag für Arbeitsrecht an der Uni erhalten und habe dann von der Dornier GmbH ein tolles Angebot erhalten. Das habe ich begeistert angenommen. Also fing ich im Personalbereich zum Thema Arbeitsrecht und Personalgrundsätze an, sodass mein Berufsleben zu Beginn  noch juristisch geprägt war. Das hat dann allerdings sukzessive abgenommen, nachdem ich festgestellt hatte, dass es im Personal Bereiche gibt, die mich  mehr interessieren, als die rein juristische Materie.

Sie waren als weibliche Vice President für HR bei Airbus sicherlich eine Rarität. Wie sind Sie damit umgegangen? Gab es Situationen, in denen Sie das Gefühl hatten, die Tatsache, dass Sie als Frau in der Minderheit waren, beeinträchtigt Sie bei der Umsetzung oder Akzeptanz Ihrer Ideen?

Ich hatte nie das Problem, dass ich mich benachteiligt gefühlt habe. Ich war zwar meistens die einzige Frau auf der Leitungsebene, auf der ich gearbeitet habe, aber ich habe das gar nicht als so ungewöhnlich empfunden. Es war einfach so. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass mir das Probleme bereitete und ich bin selbstbewusst damit umgegangen.

Allerdings musste ich auch einiges lernen. Ich hatte beispielsweise mal einen Chef, der mir geraten hat, ich solle mich nicht zu weiblich anziehen oder zu viel lachen. Sonst würde mich niemand ernst nehmen. Ich habe dann tatsächlich eine Weile mehr Hosenanzüge getragen und versucht männlicher zu agieren. Ich habe mich dabei aber so unwohl gefühlt, dass ich das ganz schnell wieder gelassen habe. Herzlichkeit und Humor machen mich ganz viel aus und ich habe diese Seite von mir auch beim Arbeiten gezeigt. Damit bin ich gut gefahren. Authentizität ist besser, als sich zu verbiegen.

Nach vielen Jahren bei Airbus haben Sie sich auf ein bis dato für Sie unbespieltes Terrain gewagt und sind zunächst als Executive Vice President für HR und schließlich, als damals noch einzige Frau, in den Personalvorstand von der ProSiebenSat.1 Media AG. Wie haben Sie diesen thematischen Wechsel erlebt? War es schwierig, sich nach so langer Zeit in eine ganz andere Branche einzuarbeiten?

Der Einstieg in die Medienbranche war tatsächlich ein gewagter Schritt aber auch ein wohlüberdachter und ein ganz großartiger. Meine Lernkurve war extrem steil und es hat mich sehr bereichert, mich in eine neue Branche einzuarbeiten und bei der Digitalen Transformation maßgeblich mitzugestalten. Ich war zu diesem Zeitpunkt offen für Ansprache, reif für Veränderung – ausgelöst durch den Tod meiner Schwester. Ich habe mir damals ganz stark die Sinnfragen gestellt, wie: „was soll einmal auf deinem Grabstein stehen?“ oder „was willst du mit deinem Leben anfangen?“ Der Headhunter, der mich damals angesprochen hat, hat auch einen sehr guten Job gemacht und mir die Aufgabe bei ProsiebenSat1 sehr reizvoll beschrieben. Ich habe dann den Sprung gewagt, wohlwissend, dass das Projekt auch nach hinten hätte losgehen können. Aber ich hatte die Überzeugung, dass etwas Anderes kommt, wenn es nicht klappt, und wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Es war ein großer Gewinn.

Übrigens habe ich bereits Zeitgleich mein eigenes Unternehmen gegründet und so gut es ging, parallel aufgebaut.

Häufig scheuen sich Frauen davor, eine sichere berufliche Position aufzugeben. Würden Sie Frauen aber dazu raten, verschiedene Bereiche auszuprobieren und dafür auch mal etwas „zu wagen“?

Ich würde unabhängig vom Geschlecht dazu raten, ca. alle drei Jahre eine Art Standortbestimmung zu machen, d.h. darüber nachdenken, was man gemacht hat, wo man steht und wo man in den nächsten zwei Jahren hinmöchte. Dabei meine ich nicht nur den Punkt „Karriere“, sondern ganz allgemein: „Lerne ich noch dazu?“, „Fühle ich mich wohl?“ und „Wo sehe ich mich in dem Unternehmen?“, „Für was stehe ich?“. Wenn man dann das sichere Gefühl hat, die Zeit ist reif für eine Veränderung, dann sollte man im Markt den Puls nehmen und ein, zwei Gespräche führen. Gerade am Anfang der Karriere darf man da einiges austesten. Ich bin sehr froh darüber, dass ich bei Airbus die Möglichkeit hatte, oft in neue Jobs reinzuwachsen, zu lernen. Damit meine ich nicht nur fachliches Lernen, sondern auch über mich, wo ich besonders gut bin und was ich brauche, um meine PS auf die Straße zu bringen. Ich habe auch erfahren, dass ich mich trauen kann, Jobs anzunehmen und meinen Hut ins Rennen zu werfen für Jobs, in die ich reinwachsen musste. Wer immer nur macht, was er schon kann, bewegt sich nicht von der Stelle. 

Im Jahr 2010 haben Sie sich entschieden, Ihr zweites Standbein als Unternehmensberaterin und Topmanagementcoach zum Vollzeitjob auszubauen und haben sich mit Ihrer eigenen Coaching & Consulting Agentur selbständig gemacht. War dieser Schritt eine große Herausforderung für Sie?

Es war für mich der logische nächste Schritt, wohl durchdacht und vorbereitet. Für mich war klar, dass ich nicht ewig in der Industrie bleiben werde, sondern irgendwann meine Selbständigkeit zu meiner Haupttätigkeit machen will. Mein ursprünglicher Plan war, nur drei Jahre bei ProSieben zu bleiben. Daraus wurden dann 5 Jahre, weil es so spannend war an dieser Erfolgsgeschichte mitzuschreiben. Der Aktienkurs hat sich in meiner Zeit im Unternehmen von rd. 7 auf 42 € entwickelt und das Unternehmen wurde stark transformiert. Mir ist wichtig, spannende Aufgaben zu bewältigen, ständig zu lernen, mit tollen Menschen zu arbeiten und sicherlich auch erfolgreich zu sein, mit dem was ich tue. Status hingegen ist keiner meiner Treiber. 

Meine Firma läuft hervorragend, ich habe spannende Kunden mit vielfältigsten Herausforderungen und ich habe heute Einblick und Kenntnis in eine große Bandbreite von Branchen und unternehmerischen Reifegraden. Vom erwachsenen Start-up über den mittelständischen hidden champion bis zu Großkonzernen ist alles dabei. Ich bin extrem happy mit meinem Beruf. Selbstständigkeit und Firmengründung sind extrem reizvoll, sollten aber nicht unüberlegt angegangen werden. Ich habe zu viele gesehen, die aus Frust ein Unternehmen verlassen haben, um sich in die vermeintliche Sicherheit der eigenen Selbstständigkeit zu retten. Viele davon haben nach einem Jahr frustriert aufgegeben.

Können Sie uns einen kleinen Einblick in Ihre Arbeit als Karrierecoach geben? Haben Sie mehr weibliche oder männliche Kunden? Und warum, glauben Sie, ist das so?

Ich habe ungefähr 70 % männliche und 30 % weibliche Kunden. Das liegt aber einfach daran, dass die Ebene, auf der ich coache, leider immer noch überwiegend von Männern repräsentiert wird.

Ich beobachte bei meiner Arbeit, dass Frauen und Männer aus unterschiedlichen Gründen zu einem Coach gehen: Männer sehen das Top-Management viel häufiger als Hochleistungssport, bei dem es völlig legitim ist, sich jede Unterstützung zu holen, die man brauchen kann, um besser zu werden. Coaching ist im Topmanagement und für diejenigen, die Topmanager werden wollen, oft Status und Wettbewerbsvorteil. Frauen kommen sehr häufig, wenn es um unangenehme machtpolitische Themen geht oder wenn sie einen ganz starken Leidensdruck haben, d.h. Frauen kommen meist erst dann, wenn sie es kaum mehr aushalten. Bis dahin versuchen sie sehr lange den Weg oder die Aufgabe alleine zu meistern. Da könnte viel Frust und Aufgeriebensein vermieden werden und mit Unterstützung wird auch der Stärkste noch besser.

Frauen haftet oft der Vorwurf an, Sie wären nicht auffällig genug, wären zu selbstkritisch und würden deshalb nicht genügend fordern. Was raten Sie Ihren Kundinnen, wenn diese sich fragen, wie Sie auf sich aufmerksam machen können?

Ich halte nichts von solchen pauschalen Ratschlägen. Aber natürlich ist es wichtig zu lernen, ein gutes Selbstmarketing zu betreiben. Ich meine damit nicht ein unangenehmes Prahlen, sondern das Zeigen von guter Arbeit. Wer konsequent Gelegenheiten nutzt, sich sichtbar zu machen, hat große Vorteile bei anstehenden Jobvergaben. Das können Projekte sein, die übernommen und präsentiert werden aber auch einfache Dinge, wie ein Weiterleiten einer begeisterten Kundenrückmeldung an den Chef etc. ...

Im Studium und auch danach, bekommt man als Frau oft den Hinweis sich zusätzliche Softskills wie „weibliche Führungsstrategien“ oder „weibliche Rhetorik“ zuzulegen, um mit den Männern später besser konkurrieren zu können. Was halten Sie tatsächlich von solchen Seminaren? Braucht Frau das?

Nein, nicht zwingend. Ich bin da immer hin und her gerissen. Zu üben und zu lernen, sich durchzusetzen, Dinge nicht so sehr an sich ran zu lassen oder rhetorisch zu überzeugen ist ja nicht falsch und oft sehr wertvoll. Was falsch ist, ist zu glauben, man werde nicht genommen, weil man ein bestimmtes Seminar nicht belegt oder irgendeine Fortbildung nicht besucht hat. Denn überspitzt formuliert: während Frau Kurve um Kurve in der Fortbildungsschleife dreht, macht der Mann Karriere. Deshalb rate ich Frauen, auch dann einen Job anzunehmen oder sich dafür zu bewerben, wenn sie noch nicht das komplette Anforderungsprofil beherrschen. Man darf sich zutrauen, einen Job auch dann anzugehen, wenn man in diesen noch hineinwachsen muss. Wenn wir nur täten, was wir zu 100% können, würden wir uns nach der Ausbildung nicht mehr weiterbewegen. Mehr als „Nein“ kann sowieso nicht passieren. 

Auf einer Veranstaltung zum Thema „Mehr Frauen in Aufsichtsräte“ haben Sie einmal gesagt: „Die Frauenquote ist Pest und keine Frauen in Aufsichtsräten sei die Cholera.“ Was haben Sie damit gemeint?

Ich bin kein Fan einer Quote aber auch ein großer Fan von Fairness und gleichberechtigter Teilhabe, unabhängig vom Geschlecht. Es ist also die Wahl zwischen Pest oder Cholera. Derzeit sieht es so aus, als würde diese nicht ohne Quote erreicht. Wenn ich also zwischen Pest und Cholera wählen muss, dann würde ich halt doch die Quote befürworten. Unser Wirtschaftstandort braucht das Know-how der hervorragend ausgebildeten Frauen – auf allen Stufen. 

Frau Stopper, Sie sind verheiratet und haben einen mittlerweile erwachsenen Sohn. Wie haben Sie Ihre beruflichen Ziele und Bedürfnisse mit den Bedürfnissen Ihrer Familie in Einklang gebracht?

Ich habe immer ganztags gearbeitet und mit Freude Karriere und Familie verbunden. Ich hatte aus meiner Sicht immer doppelte Freude, bin glücklich verheiratet und liebe unseren Sohn. Dazu war und bin ich auch beruflich engagiert. Wir sollten aufhören, solche Fragen zu stellen, die suggerieren, wir müssten uns für ein“ entweder oder“ entscheiden. 

Als wir in Frankreich gelebt haben, war das Thema nicht mal eine Frage wert. Da wurde vielmehr oft gefragt, warum ich nicht mehrere Kinder habe.

Immer wieder, so scheint es, stehen sich Frauen in der Vereinbarkeitsfrage selbst im Weg, indem Sie, im Vergleich zu Männern, einen zu hohen Anspruch an sich haben, die Rolle der Mutter als auch die der Karrierefrau zu 100 % perfekt meistern zu wollen. Wie sind Sie mit dem Anspruch an sich als Mutter und Berufstätige umgegangen?

Ich habe keinen Anspruch an mich, perfekt zu sein. Außerdem glaube ich nicht, dass großes Engagement im Job zwangsläufig zu einer schlechten Mutter-Kind-Beziehung führt. Ich habe im Laufe meiner Karriere so viele Männer kennen gelernt, die den ganzen Tag arbeiten, ihre Kinder teilweise unter der Woche sehr wenig sehen und trotzdem so eine innige, liebevolle Beziehung zu ihnen haben. Wieso sollte das also bei Frauen anders sein.

Sie haben mit Ihrer Familie auch einige Zeit im Ausland – in Frankreich – gelebt. War dieser Schritt, im Nachhinein betrachtet, ein positiver für Sie? 

Die Auslandszeit war toll. Für meine Familie war das ein Abenteuer und eine große Bereicherung.  Ich würde den Schritt jederzeit wieder gehen. Auch für unseren Sohn war es wunderbar, er konnte kulturelle Erfahrungen machen und mehrsprachig aufwachsen.

Haben Sie, nachdem Sie Mutter wurden, immer in Vollzeit gearbeitet? Wie stehen Sie zu dem Modell „Karriere in Teilzeit“? Ist das realistisch? 

Zunächst glaube ich, dass Frauen in der Lage sind, das Modell für sich zu wählen, was für sie in ihrer persönlichen Lage am besten ist. Für mich selber war Karriere in Teilzeit keine Option.

Bestimmt gibt es tolle Fälle von Karriere in Teilzeit. Die Lebenswirklichkeit gibt heute leider noch en gros ein anderes Bild. Ich ermutige, genau zu überdenken, was man möchte und realisieren kann in seiner Familiensituation. Dabei sollte man nicht zu kurzfristig denken, sondern auch anschauen, welche Konsequenzen unser Handeln in der Zukunft hat.

Aus Ihrer Sicht: Was glauben Sie, braucht man für eine essentielle gute Karriere? Sind es die 2 x 9 Punkte im Examen? 

Nein, natürlich nicht. Gute Noten sind sicherlich nicht schädlich und für den Staatsdienst ja immer noch Voraussetzung, aber längst nicht alles. Viele meiner Referendarkollegen haben tolle Werdegänge – auch ohne Prädikat. Was ich wichtig finde für eine gute Karriere, sind zwei Dinge.

Erstens: Verstehen, was man braucht, um gut zu funktionieren. Nicht jedes Umfeld ist für jeden gleich gut. Man sollte daher genau kennen, wo und wie man sich wohl fühlt und was man braucht, damit man sein Potenzial ausschöpfen kann. Zweitens: Seine Stärken kennen und sich nicht so sehr auf die Schwächen konzentrieren. Man sollte sich klarmachen, was sein eigenes Kompetenzfeld ist und wo man besser ist als andere, z.B. „Ich kann komplexe Sachverhalte gut auf eine verständliche Ebene herunterbrechen“ oder „Ich bin stark in der Kommunikation“. Wenn man zu diesen beiden Fragen eine Antwort hat, hat man schon einen sehr weiten Vorsprung und sicherlich ein erfülltes Berufsleben.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

 

Es gibt sehr viel inspirierende Juristinnen. Eine für mich ganz inspirierende Frau ist Katharina Miller von 3C Compliance, die heute in Spanien arbeitet.

Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Sie sich dafür genommen haben!

Heidelberg, 8. Oktober 2018. Das Interview führte Alicia Pointner.

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