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Susanne Fabry

Susanne Fabry im Porträt

 

"Man muss nicht der bessere Mann sein - positionier Dich als Frau!"

Susanne Fabry, Mitglied des Vorstandes und Arbeitsdirektorin bei der RheinEnergie AG*, über den Alltag in einem Energiekonzern, die Fähigkeit, mit Rückschlägen umgehen zu können und einen weiblichen Kleidungsstil in Männerrunden. 

Liebe Susanne, Du bist Leiterin der Energienetze Deutschland bei E.ON SE und arbeitest schon seit vielen Jahren im Bereich der deutschen Strom- und Gasnetze. Wie bist Du als Juristin in den Energiesektor gekommen?

Anfangs hatte ich einen anderen Plan. Ich habe erst eine Verwaltungsausbildung gemacht und dann Jura studiert, um meine Aufstiegschancen in der Verwaltung zu erhöhen, weil ich dort arbeiten wollte. Als Studentin bin ich dann mehr oder weniger zufällig über einen Werkstudentenjob zu einem kleinen Energieversorger in  Ostwestfalen gekommen, wo ich dann während der Semesterferien gearbeitet habe. Das hat mir so gut gefallen, dass ich nach Abschluss des Studiums von meinem eigentlichen Plan abgewichen bin und in der Energiebranche angefangen habe. Energie ist einfach ein spannendes Thema. 

Was genau darf man sich unter Deiner Tätigkeit vorstellen? Worin liegen die größten Herausforderungen?

Ich leite drei Bereiche, in denen insgesamt 20 Mitarbeiter arbeiten: Regulierung, Politik & Energierecht und Asset Management & Innovation. Was heißt das konkret? Leute zusammenbringen, Lobbying, Organisation von verschiedenen Veranstaltungen und Meetings und Entscheidungen vorbereiten oder anregen. In Deutschland haben wir vier Netzgesellschaften, zwischen denen ich die Zusammenarbeit koordiniere und fördere. Allein im Bereich Innovation koordinieren wir z. B. derzeit über 140  Projekte zu Innovationen in unseren Netzen. 

Manchmal dauert es in diesen Angelegenheiten länger bis sich der Erfolg von Entscheidungen zeigt. Deswegen ist es hier besonders wichtig, für Entscheidungen zu werben,  andere mit ins Boot zu holen und davon zu überzeugen, dass die Strategie erfolgreich sein wird. Das kann herausfordernd sein! Daneben ist es nicht immer leicht, all die Bälle in der Luft und im Auge zu behalten. Hierzu male ich mir oft eine Mindmap auf und überprüfe: Habe ich noch alle Themen im Kopf? Welche stehen noch an? Es macht gleichzeitig auch einen riesen Spaß, so viele verschiedene Themen bearbeiten zu dürfen. 

Schon vor Deiner jetzigen Position warst Du als Geschäftsführerin bei der Avacon Netz GmbH tätig und hast in Tschechien als leitende Angestellte das Geschäft von E.ON mitgestaltet. Was zeichnet Deiner Meinung nach eine Führungspersönlichkeit aus?

Ich erteile nicht so gerne Befehle oder ordne an. Viel wichtiger ist es meiner Ansicht nach, für Entscheidungen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so einzubeziehen, dass sie am Ende selbst hinter den Entscheidungen stehen. Dennoch muss die Chefin wissen, wohin es gehen soll. Wichtig ist es außerdem, offen zu sein und – gerade als Frau – klare Aussagen zu treffen, das ist oft ein schmaler Grat im Ton. Wenn ich also beispielsweise eine Mail schreibe, weil ich etwas haben will, sage ich in kurzen prägnanten Sätzen, was ich bis wann und vor allem warum haben will. Auf Konjunktive wie „würde“ und „hätte“ ebenso wie auf Füllwörter verzichte ich lieber. Außerdem sage ich immer „Bitte“ und „Danke“ –  einfache Regeln, die  sehr wirkungsvoll sind. Und zuletzt ist es mir als Führungskraft sehr wichtig, die Kolleginnen und Kollegen ernst zu nehmen und  mir bei Problemen z.B. zu überlegen, welche Position besser zu dem jeweiligen Mitarbeiter passen würde, anstatt sich von ihr oder ihm direkt zu trennen. Eine gute Führungspersönlichkeit macht sich den Wert ihrer Mitarbeiter bewusst.

Du selbst betonst die große Bedeutung von Vorbildern für den Nachwuchs weiblicher Führungskräfte und engagierst Dich konzernintern wie -extern als Mentorin für jüngere Kolleginnen. Worin siehst Du den Mehrwert von Mentoren-Programmen?

Mentorenprogramme helfen Mentees schon früh dabei, ein Netzwerk zu schaffen und an Sichtbarkeit zu gewinnen. Wenn ich mich in meine Berufsanfängerzeit zurückversetze, wäre genau das etwas gewesen, was ich mir gewünscht hätte! Dabei sehe ich das Mentoring nicht als eine Form von Coaching an. Es geht dabei vielmehr darum, sich auszutauschen und dabei von den Erfahrungen der Älteren zu profitieren. Bei dem Projekt „CM NRW Cross Mentoring“ haben wir sogar unternehmensübergreifend Berufstätige in Mentoring-Paaren zusammengebracht. Das ist wertvoll für die Vernetzung der Unternehmen und weitet für die Beteiligten den Blick dafür, wie es andere machen. Aus dem Programm haben wir auch den „OWL Managerinnen Stammtisch“ gegründet, bei dem sich verschiedene Managerinnen regelmäßig austauschen. Daraus ist inzwischen ein Verein geworden: die MANAGERINNEN OWL, deren erste Sprecherin ich für ca. 1 ½ Jahre war.

Wie stark sind Juristinnen in der Energiebranche vertreten? Gibt es auch dort die sogenannte „gläserne Decke“?

Zwar gibt es tatsächlich inzwischen viele Juristinnen bei uns, in der Rechtsabteilung etwa. Ansonsten sieht es im Unternehmen aber auf den Führungsebenen noch dünn aus. Ich habe die gläserne Decke selbst erlebt bei einer Personalentscheidung, wo ich trotz objektiver Geeignetheit gar nicht in Betracht gezogen wurde. Das würden Männer meines Erachtens meist nicht so sehen, weil sie es oft gar nicht bemerken. Da spielt sich etwas eher auf der unbewussten Ebene ab. Du kommst als Frau ständig in irgendwelche Runden, die  überwiegend aus Männern bestehen, die Zuhause eine Frau haben, die sich um die Familie kümmert und sonst beruflich oft nur mit ihren Assistentinnen  in Kontakt stehen. Für die ist es ungewohnt, mit einer Frau in Führungsposition im Kollegium zu tun zu haben, die etwas zu sagen hat. Da muss man sich erstmal durchsetzen, das fängt mit jeder neuen Männerrunde von vorne an.

Es wird deutlich besser, sobald in einer Runde auch Frauen sitzen. Diese Veränderung ist ab 30 Prozent Frauenanteil deutlich bemerkbar. Das ist ein Grund, weshalb ich eine starre Frauenquote von mindestens 30 Prozent für Führungsebenen von Unternehmen befürworte. Die brauchen wir. Ich bin davon überzeugt, dass echte Veränderung in dieser Hinsicht von ganz oben kommen und getrieben werden muss.

Warum befürwortest Du eine starre Quote von mindestens 30 Prozent? Es gibt Frauen, die z. B. die Sorge haben, dass sie unter diesen Bedingungen bei Einstellung als die „Quotenfrau“ im Unternehmen dastehen könnten...

 

Ich finde, da sollten wir drüberstehen. Ohne Quoten hätte ich selbst einige ehrenamtliche Jobs in der Politik nicht bekommen. Es gibt genug Männer, die über Quoten in ihre Jobs gekommen sind. Die Politik besteht nur aus Quoten. Nur durch eine starre Quote wird sich wirklich etwas bewegen, nur so kann Diversität erreicht werden. Diversität heißt ja auch nicht nur Frauen und Männer, sondern auch das Vorhanden-Sein von verschiedenen kulturellen Hintergründen, von jung und alt etc. Nur dass wir, wenn wir über Quoten diskutieren, ausschließlich in der Gender-Frage das Problem der vermeintlichen fehlenden Qualifizierung aufwerfen... Für die Frage, ob es genug Frauen gibt, welche die beruflichen Anforderungen erfüllen, ist demgegenüber an einem anderen Punkt anzusetzen: Wir müssen Frauen frühzeitig fördern und auf den Karriereweg holen.

Wie können Vorgesetzte wie Du dazu beitragen, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in ihren Unternehmen zu fördern?

Die Arbeit aus dem Home-Office muss ermöglicht werden. Außerdem ermuntere ich Mitarbeiterinnen ganz einfach dazu, zu arbeiten und an Trainee- und Mentoring-Programmen teilzunehmen. Auch die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen sollte gefördert werden und erwünscht sein, wobei es egal ist, wie alt die jeweilige Mitarbeiterinnen sind. Zuletzt rate ich Kolleginnen, die nach einer Mutterschutz-Pause in Teilzeit wieder einsteigen wollen, davon ab, auf 80 Prozent zu reduzieren, denn das ist genau so viel Arbeit wie vorher für weniger Geld – sondern entweder weiter in Vollzeit zu arbeiten oder direkt auf 60 Prozent runter zu gehen.

Wie können wir Juristinnen uns selbst dafür einsetzen, die noch kleine – wenn auch wachsende – Anzahl weiblicher Führungskräfte in Deutschland zu erhöhen? Ich denke voller Begeisterung an Euer Projekt mit dem Deutschen Juristinnen Bund.

Nachfragen! Frauen trauen sich häufig nicht, nachzufragen. Sei es nach der nächsten Beförderung oder danach, weshalb das eigene Gehalt eigentlich unter dem Gehalt des gleich qualifizierten männlichen Kollegen liegt. In dem von Dir angesprochenen Projekt mit dem DJB haben wir beispielsweise 2010 über 70 Hauptversammlungen großer deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften besucht und dabei von unserem Auskunftsrecht als Aktionärinnen Gebrauch gemacht, um nach dem Frauenanteil in den jeweiligen Führungspositionen zu fragen und dessen Erhöhung zu fordern.

Nachfragen erfordert auch, mit Rückschlägen umgehen zu lernen und es nach dem Motto „Keep calm and carry on“ nochmal zu versuchen. Es ist unbedingt notwendig zu artikulieren, was Du willst und Dir mehr zuzutrauen!

Eine weitere Erkenntnis: In reinen Männerrunden lohnt es sich, erstmal abzuwarten, bevor man seine Beiträge bringt. Fachlich muss man ohnehin richtig gut sein und sich entsprechend vorbereiten – da wäre es schade, wenn der Beitrag nur deswegen im Nichts verhallt, weil er zu früh gekommen ist.

Zuletzt ist es wichtig, sich mit Kolleginnen zusammen zu tun. In Tschechien hatte ich beispielsweise eine Kollegin, heute Personalchefin bei einem großen Unternehmen, die anfangs ganz irritiert von meiner Freundlichkeit war und sich intuitiv nach meiner Agenda gefragt hat. Wie häufig ist das so!  Ziemlich schnell haben wir uns dann zusammengetan und konnten uns durch z.B. „name-dropping“ beim Chef und andere Aktionen gegenseitig in Projekte hieven. Deswegen heißt es: Immer im Austausch mit anderen Frauen bleiben!

Du bist schon lange in der Kommunalpolitik sehr engagiert. Aus welcher Motivation engagierst Du Dich dort? Wie ist das neben Deinem Job noch möglich?

Man kann nicht immer nur meckern, man muss auch etwas tun. Inzwischen engagiere ich mich zwar  weniger in der Politik als früher, aber ich finde es immer noch total spannend. Du kannst in der Kommunalpolitik tatsächlich etwas bewegen. Deswegen würde ich jedem raten, sich neben Studium und Beruf zu engagieren. Die Zeit fehlt immer – auch ich habe keine Zeit. Man muss sich einfach immer wieder neu motivieren und Engagements aussuchen, die Energie geben, auch wenn sie Zeit bedürfen. Außerdem ist es gut für den Beruf – ich merke Kandidatinnen und Kandidaten im Interview meistens schnell an, wenn sie nebenbei irgendwo tätig sind. Denn man lernt unglaublich viel davon!

Viele Juristinnen verunsichert die Kleidungsfrage: Weiblich oder möglichst unauffällig, modern oder klassisch. Was ist Dein Tipp?

Ich bin sehr dafür, sich weiblich zu kleiden: Man muss nicht der bessere Mann sein, positionier Dich als Frau! Elegant und in Kleidung, die Deine Persönlichkeit widerspiegelt. Natürlich habe ich für offizielle Anlässe mit zwei Kostümen auch richtige Klassiker parat. Aber ansonsten halte ich es mit Kombinationen. Wichtig ist, dass man immer gute Stoffe trägt und die Kleidung gut sitzt. Und dann aber ruhig farbenfroh, also etwa ein pinker Blazer, passende hohe Schuhe und immer ein großes Stück Schmuck dazu. Das mache ich extra, einen oben drauf zu setzen. So kann man sich sein Markenzeichen schaffen. Dunkle Hosenanzüge habe ich aus dem Schrank verbannt! Ich persönlich finde es nicht schlimm, wenn man so auffällt oder männliche Kollegen sich zu Kommentaren berufen fühlen.  Gern. Damit  locker umgehen und mit Humor reagieren. Ich weiß auch nicht, wieso weibliche Kleidung vom Inhaltlichen ablenken soll, solange sie elegant ist? Deine fachliche Kompetenz ist gesetzt, wenn Du mit am Tisch sitzt und gute Arbeit leistest. Natürlich ist das leichter umzusetzen, wenn Du wie ich bereits einige Jahre Berufserfahrung und eine gewisse Reputation hast, in den ersten Berufsjahren habe ich mich auch  noch zurück gehalten.

Gab es in Deiner beruflichen Laufbahn auch mal eine scheinbar ausweglose Situation? Wie hast Du die Lösung gefunden?

Ja, so eine Situation hatte ich natürlich auch. Ich habe mir damals, eigenfinanziert, einen Coach organisiert. Das hat sehr geholfen. Gemeinsam haben wir uns gefragt: Wo habe ich Erfolg gehabt und lässt sich das jeweilige Erfolgsmodell übertragen? So habe ich mir ins Bewusstsein gerufen, worin meine Stärken liegen und wie ich meine berufliche Karriere daran ausrichten kann. Außerdem habe ich dabei gelernt, wie wichtig es ist, das Emotionale rauszunehmen – damit kann man selbst vergiftete Situationen auflösen.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

Ich nominiere Jitka Logesová, Partnerin bei Wolf Theiss in Prag, weil sie ihren Job aus meiner Sicht extrem gut macht und das Thema Kind und Arbeit perfekt verbindet. Ich habe in Tschechien mit ihr zusammengearbeitet.

Vielen Dank für das Gespräch und die Zeit, die Du Dir dafür genommen haben!

Berlin, 25. März 2019. Das Interview führte Clara zu Löwenstein.
* Anm. d. Red.: Als das Interview geführt wurde, war Susanne Fabry noch Leiterin der Steuerung Deutsches Netz bei E.ON SE.

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