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Sandra Korzenski

Sandra Korzenski im Porträt

"Es kann auch von Vorteil sein, anfangs unterschätzt zu werden."

Sandra Korzenski, Strafverteidigerin bei Kanzlei Korzenski in Berlin mit Schwerpunkt Sexual- und Wirtschaftsstrafrecht, über die ersten Schritte einer Kanzleigründung, ihre Motivation, (Sexual-)Straftäter zu verteidigen und die Vorteile eines Überraschungseffekts.

Liebe Sandra, du bist seit fünf Jahren Strafverteidigerin und hast Dich vor einem Jahr – noch vor Vollendung Deines 30. Lebensjahres – mit der Kanzlei Korzenski in Berlin selbstständig gemacht. Wie groß war das Herzklopfen, als Du die Kanzlei verlassen hast?

Sehr groß – eine Mischung aus Vorfreude und Angst. Für mich war aber immer klar, dass ich mich früher oder später selbstständig machen werde. Ich habe deswegen in einer Kanzlei als Angestellte begonnen, weil ich den Mut noch nicht gefunden hatte, mich direkt selbstständig zu machen. Auch gab mir die Anstellung die Möglichkeit von erfahrenen Kollegen zu lernen und gleich zu Beginn große und interessante Fälle zu bearbeiten. Nach einer Weile ist mir aber eines klar geworden: Angestellt-Sein ist nichts für mich. Ich bin in meiner Zeit dort kaum in Hauptverhandlungen gekommen, bei Besprechungen mit Mandanten war ich nie allein. Das Strafrecht ist für ein Anstellungsverhältnis ohnehin gar nicht so geeignet. Denn es braucht für die Mandatsarbeit in der Regel nur einen festen Ansprechpartner.

 


Würdest Du Strafverteidigerinnen, die sich selbstständig machen wollen, trotzdem raten, in einer bestehenden Kanzlei zu beginnen?

Das ist stark vom jeweiligen Typ abhängig. Wenn einem das Anstellungsverhältnis gar nicht liegt, sehe ich keinen Grund, warum man sich nicht auch sofort selbstständig machen sollte. Das kostet allerdings sehr viel Energie, weil man sein Netzwerk aus dem Nichts aufbauen muss, indem man sein Gesicht auf Veranstaltungen zeigt und Visitenkarten verteilt. Es ist deutlich schwieriger, sich einen Namen zu machen.

Der Vorteil eines Beginns in einer Kanzlei ist demgegenüber, dass man ein Netzwerk an Mandanten und Kollegen mitnimmt, die einen weiterempfehlen können. Davon habe ich profitiert. Außerdem kann man sich schon mal in der Szene bekannt machen.

Was sind die ersten Schritte der Gründung einer Kanzlei? Gibt es Unterstützung von staatlicher Seite?

Am Anfang steht natürlich die Idee der Gründung. Anschließend hilft ein Gründer-Coaching dabei, einen Business Plan zu entwerfen und sich die erforderlichen weiteren Schritte zu verdeutlichen. Dann müssen ein Konzept für die Webseite entworfen und eine Corporate Identity geschaffen, außerdem Visitenkarten gedruckt werden. Diese Dinge sollten mit Einzug in das Büro am ersten Arbeitstag stehen. Auch sollte man direkt die erforderliche Technik besorgen (Drucker, Scanner, Laptop etc.). Insgesamt ist darauf zu achten, dass die Fixkosten so niedrig wie möglich gehalten werden – denn hohe Kosten lassen einen nachts schlecht schlafen. Ich arbeite in einer Bürogemeinschaft, in der wir uns das Sekretariat teilen. Die Mandanten kommen dann, wenn alles steht, schneller als man denkt – etwa auf Empfehlung von Kollegen oder durch die Internetseite. Auf Veranstaltungen zu gehen, hilft natürlich auch.

Für Gründungen kriegt man den Gründer-Zuschuss von der Agentur für Arbeit, der aus 6 Monaten Arbeitslosengeld besteht und dabei hilft, die ersten Monate über die Runden zu kommen. Wichtig ist allerdings dafür, dass man aus der Arbeitslosigkeit heraus startet und einen Businessplan vorweisen kann, der den Verdienst in Aussicht stellt.

Und, hat sich der Aufwand gelohnt? Was ist das Schönste an der Selbstständigkeit? Was stellt dich vor die größten Herausforderungen?

Definitiv, das war die richtige Entscheidung. Das schönste am Selbstständig-Sein ist gleichzeitig die größte Herausforderung - die Freiheit. Die Freiheit, sich einerseits nicht gegenüber einem Chef rechtfertigen zu müssen. Aber auch auf der anderen Seite die Verantwortung, die mit dieser Freiheit einhergeht: Man kann sich auf niemand anderen verlassen. Wenn ich krank bin, kümmert sich niemand um die Mandate. Dafür brauche ich keinen Urlaubsantrag zu stellen, wenn ich wegfahren möchte. Außerdem ist die Verantwortung für die Mandatsarbeit auch motivierend, es wird nie langweilig.

Einer Kollegin, die sich für die Tätigkeit als Strafanwältin interessiert hat, wurde von einem renommierten Strafverteidiger davon abgeraten, als Frau den Beruf der Verteidigerin zu wählen. Gerade im Bereich organisierter Kriminalität ließen sich wenige Mandanten von einer Frau beraten. Was ist da dran?

Das ist völlig falsch. Ganz im Gegenteil: Gerade weil es bisher so wenig Frauen in unserer Berufsgruppe gibt, hat man als Frau einige Vorteile. Mandanten sehen viele Vorteile an weiblichen Verteidigerinnen, weil diese oft als einfühlsam gelten und gut zuhören können, ein Gespür dafür haben, welche Fragen man stellen sollte und welche besser nicht. Das gilt im Übrigen auch für den Bereich der Organisierten Kriminalität. Weibliche Kolleginnen, die in diesem Bereich tätig sind, werde von ihren Mandanten respektiert und mit dem stolzen Kommentar: „Das ist meine Anwältin“ vorgestellt. Auch meine Kollegen bedauern oft, dass es so wenig Kolleginnen gibt.

Mit welcher Motivation verteidigst Du Straftäter, insbesondere Sexualstraftäter?

Es ist jedenfalls nicht so, dass ich das wegen eines besonderes ausgeprägten Gerechtigkeitsempfindens mache. Als Verteidigerin vertrete ich die Interessen meines Mandanten. Dabei bin ich notwendiger Pfeiler und Stütze eines ordnungsgemäßen Strafverfahrens, wenn notwendig aber auch Korrektiv und Kontrollinstanz. Tatsächlich bin ich auch froh, nicht Richterin zu sein. Ich setze mich gerne und lieber für die Interessen meiner Mandanten ein, als eine Entscheidung über Schuld oder Unschuld treffen zu müssen. An meiner Tätigkeit gefällt mir außerdem die Kommunikation mit „normalen Menschen“, d.h. nicht nur mit Juristen. Auch deswegen habe ich mich nicht für den Staatsdienst entschieden – da wird in der Regel von einer überlegenen Position aus und eher förmlich mit den Menschen gesprochen. Ich begegne meinen Mandanten auf einer Ebene und baue ein Vertrauensverhältnis zu ihnen auf.

An dem Sexualstrafrecht mag ich, dass die Mandanten mir gegenüber angenehm auftreten. Sie zahlen pünktlich, arbeiten konstruktiv mit und bauen Vertrauen zu mir auf. Das mag abgebrüht klingen, aber die Materie belastet mich nicht so, da ich die Fälle mit professioneller Distanz sehe. Auch die strafprozessualen und materiellen Fragen sind im Sexualstrafrecht spannender als beispielsweise bei vom Ladenpersonal beobachteten Warendiebstählen, bei denen sich die Diskussion eigentlich nur noch darum dreht, ob es ein gewerbsmäßiger Diebstahl war oder nicht.

Wie oft sagen Dir Mandanten die Wahrheit darüber, ob der Anklagevorwurf begründet ist? Wie ist es, zu wissen, dass Du jemanden verteidigst, der ein Verbrechen tatsächlich begangen hat?

Wenn es nach den Mandanten geht, waren sie es so gut wie nie. Ich habe eine große Hochachtung vor Mandanten, die mir die Wahrheit sagen. Ich frage aber nie explizit nach. Wenn ein Mandant mir die Wahrheit erzählt, dann von sich aus. Denn für meine Arbeit macht es keinen Unterschied, ob der Mandant es war oder nicht, ich werde in beiden Fällen alle Möglichkeiten nutzen, die mir das Recht bietet und niemanden dafür verurteilen, was er oder sie getan haben soll. Das ist mein Job als Verteidigerin. Ich habe mir zum Beispiel noch nie gedacht: „Das Schwein“. Im Gegenteil, häufig fühle ich mit meinem Mandanten mit. Schließlich kann ein Strafverfahren - egal ob schuldig oder unschuldig - eine immense Belastung darstellen. Außerdem weiß ich doch selbst nicht, in was für Situationen man im Leben kommt und was einen dazu führen kann, eine Straftat zu begehen. Ich maße mir nicht an, das zu verurteilen.

Hast Du als verhältnismäßig junge, attraktive Frau schon mal Schwierigkeiten gehabt, von Mandanten, Mitarbeitern der JVA oder männlichen Kollegen vor Gericht ernst genommen zu werden? Wie gehst Du mit solchen Situationen um?

Klar gibt es Situationen, in denen ich anfangs unterschätzt werde, manchmal auch nicht sofort ernst genommen. So wurde ich zu Beginn meiner Tätigkeit von JVA-Mitarbeitern gefragt, ob ich sicher bin, dass ich schon Anwältin bin. Aber es kann auch von Vorteil sein, unterschätzt zu werden - weil ich von dem Überraschungseffekt profitiere, wenn die Mandanten oder die Gegenseite plötzlich realisiert, was ich wirklich kann.

So hatte ich beispielsweise mal eine Mandantin in Haft, der ich als Pflichtverteidigerin beigeordnet wurde. Die hat laut aufgelacht, als ich in ihre Zelle kam: „War ja klar, dass ich das junge Mädchen als Pflichtverteidigerin bekomme.“ Ich habe ganz ruhig reagiert und gesagt: „Warten Sie mal ab, ich bin jung, aber ich kann was.“ Letztendlich habe ich sie in der 2. Instanz von einem Jahr und 2 Monaten Freiheitsstrafe auf 130 Tagessätze Geldstrafe runter verteidigt. Sie war danach so überzeugt von meinen Fähigkeiten, dass ihr Freund in einer anderen Gelegenheit gleich seinen Verteidiger gewechselt hat und mein Mandant geworden ist.

Inzwischen habe ich sogar den Eindruck, dass Mandanten junge Kolleginnen gut finden. Die wissen, als junge Anwältin bin ich schnell erreichbar, flexibel, optimistisch und auf dem neuesten Stand. Als Frau bin ich auch ganz gut darin, mich in den Mandanten herein zu versetzen. Das wird honoriert.

Ist Dein Beruf und insbesondere die Selbstständigkeit mit Familie vereinbar? Liegst Du manchmal nachts wach und fragst Dich, wie Du den nächsten Monat finanzieren sollst?

Ja, manchmal liege ich nachts wach, etwa wenn ich gerade wenige Mandate habe und keine neuen in Aussicht sind. Aber solche Situationen kommen in Wellen und mit der Zeit wird man entspannter und gewöhnt sich an die Wellenbewegungen. Außerdem hilft es, die Fixkosten so gering wie möglich zu halten. Ich bin trotzdem der festen Überzeugung, dass die Selbstständigkeit gut mit Familie vereinbar ist. Zwar gehen mit der Familiengründung häufig höhere finanzielle Belastungen einher, aber die Freiheit in der Selbstständigkeit ist toll. Außerdem besteht jederzeit die Möglichkeit, wieder in ein Anstellungsverhältnis zu wechseln.

Neben Deiner Anwaltstätigkeit arbeitest Du auch als Dozentin im Straf- und Prozessrecht und korrigierst Klausuren. Macht Dir die Ausbildung Freude oder ist es schlicht notwendig, sich als Selbstständige mehrere finanzielle Standbeine aufzubauen?

Ich habe die Lehrtätigkeit schon während meiner Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin begonnen, weil ich Freude daran hatte. Das hat außerdem den positiven Nebeneffekt, dass es ein guter Akquise Faktor ist. Die Korrektur von Klausuren war rein ideologisch motiviert, weil ich anderen noch Etwas für das Examen mitgeben wollte. Aber beides lohnt sich finanziell zu wenig, um es dauerhaft als zweites Standbein zu nutzen. Zu Beginn der Selbstständigkeit bietet es aber ein gut kalkulierbares Grundeinkommen.

Gab es schon mal einen Fall, der Dir zu schaffen gemacht hat?

Es gab einen Fall mit einem Angeschuldigten, der wegen Körperverletzungsdelikten angeklagt war und mir vom Gericht beigeordnet wurde. Der hat mich am Telefon bedroht und gesagt, er werde nicht zögern, mir Gewalt anzutun. Das hat mich noch die ganze Nacht beschäftigt. Erst hab ich mir gesagt: „Sei nicht so zimperlich, du bist Strafverteidigerin und hast eben mit Straftätern zu tun.“ Aber als ich am nächsten Morgen einen erfahrenen Kollegen um Rat bat, sagte der sofort, ich solle meine Entpflichtung beantragen. Das sei ein triftiger Grund, um ein Mandat – auch eine Beiordnung - nicht anzunehmen und schlicht zu gefährlich. Aus der Situationen habe ich viel gelernt - heute nehme ich mir die Freiheit, Mandate abzulehnen, bei denen ich ein schlechtes Gefühlt habe.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte und wieso?

Leider gab es einfach zu wenig Strafverteidigerinnen, als dass ich auf meinem Werdegang das Glück eines Vorbilds gehabt hätte. Es gibt aber eine Counsel bei Linklaters, Ann-Catherine Hoffmann, die mich sehr beeindruckt hat. Als ich mein Praktikum dort gemacht habe, dachte ich, so will ich auch mal werden. Sie ist ruhig, geerdet und sehr zielstrebig, daneben noch lässig und lustig. Sie konnte sich in einem männlich dominierten Umfeld durchsetzen. Sie möchte ich nominieren.

Vielen Dank für das nette Gespräch und die Zeit, die Du Dir dafür genommen hast!

Berlin, 3. Dezember 2018. Das Interview führte Clara zu Löwenstein.

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