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Marliese Dicke

Marliese Dicke im Porträt

"Die persönliche Ansprache ist mir wichtig."

Marliese Dicke, Präsidentin des OLG Koblenz, im Interview über die vielseitige Tätigkeit als Richterin, Frauenförderung und guten Führungsstil.

Frau Dicke, Sie sind Präsidentin des OLG Koblenz. Können Sie uns beschreiben, wie ein ganz normaler Arbeitstag Ihnen aussieht?

Meine Arbeitstage werden im Schwerpunkt durch die Aufgaben in der Gerichtsverwaltung geprägt. Dabei ist die Kommunikation eine wesentliche Aufgabe. Das betrifft zum einen die zahlreichen fachlichen Gespräche zu anstehenden Themen und Fragestellungen, die ich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts führe. Zum anderen ist aber auch der Kontakt und Austausch mit den Gerichten und dem Justizministerium wichtig. Daneben fällt in diesem Bereich selbstverständlich auch viel Schreibtischarbeit an, zum Beispiel die Bearbeitung von Berichten und Stellungnahmen zu Entwicklungen und Abläufen innerhalb der Personalverwaltung oder auch zu Gesetzesvorhaben.

Da ich auch Vorsitzende eines Zivilsenats bin, gehören ebenfalls die klassischen richterlichen Aufgaben, wie das Aktenstudium, die Senatsberatungen und die Sitzungen, zu meinem Arbeitsablauf. Allerdings macht die rechtsprechende Tätigkeit nur einen geringen Teil des gesamten Arbeitsanfalls aus.

Warum haben Sie sich entschieden, als Richterin zu arbeiten?

Diese Entscheidung ist bereits in der Schulzeit gefallen. In der Oberstufe hatte ich - nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass uns ein Richter mehrere Stunden in Rechtskunde unterrichtet hat - die Idee, dass Jura für mich ein passendes Studienfach sein könnte. Dabei war es von Anfang an mein Traum, in den Richterberuf zu gehen. Diese Entscheidung habe ich übrigens an keinem Tag in meinem Berufsleben bereut.

In der Justiz gibt es viele Möglichkeiten, sich abordnen zu lassen. Wie haben Sie davon Gebrauch gemacht?

Bereits als Assessorin hatte ich die Möglichkeit, als Klausurreferentin in das Landesprüfungsamt für Juristen zu wechseln. Diese Chance habe ich, nachdem ich gut zwei Jahre als Richterin bei dem Land – und auch dem Amtsgericht in Mainz tätig war, ergriffen.  Die Abordnung als Klausurreferentin umfasst regelmäßig zwei Jahre. Nach diesen bin ich wieder in die Praxis zurückgekehrt. Acht Jahre später habe ich mich erneut aufgrund eines Angebots des Ministeriums in die Aus- und Fortbildungsabteilung abordnen lassen. Daraus ist ein längerer Aufenthalt geworden, denn ich erhielt hier nach ca. viereinhalb Jahren die Möglichkeit, mich auf die Position der Präsidentin des Landesprüfungsamts für Juristen zu bewerben. Nachdem ich diese Behörde elf Jahre geleitet hatte, habe ich die Chance ergriffen, mich wieder meinem eigentlichen Beruf als Richterin zu widmen und hatte das große Glück, zur Präsidentin des Landgerichts in Mainz ernannt zu werden.

Seit 2017 sind Sie auch Mitglied des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz. Wie ist es, in allen drei Rechtsgebieten als Richterin tätig zu sein?

Ich erlebe das als bereichernd. Verfassungsrecht hat mich bereits im Studium sehr interessiert. Daher setze ich mich gern mit den verfassungsrechtlichen Fragen auseinander, die sich in den Verfahren beim Verfassungsgerichtshof stellen. Beim Oberlandesgericht leite ich, wie gesagt, einen Zivilsenat, dem unter anderem die Spezialzuständigkeit für presse- und medienrechtliche Streitigkeiten übertragen ist. Mit strafrechtlichen Themen komme ich nur innerhalb der Gerichtsverwaltung in Berührung, wenn Berichte und Stellungnahmen zu diesem Rechtsgebiet abzugeben sind, beispielsweise bei Anhörungen der gerichtlichen Praxis zu Gesetzesentwürfen. Das öffentliche Recht wiederum macht einen Teil meiner Tätigkeit als Behördenleiterin aus, da ich in dieser Funktion beispielsweise auch Verwaltungsakte erlasse. Die Tätigkeit in mehreren Rechtsgebieten macht gerade den Reiz meiner Tätigkeit aus.

Als Präsidentin des Landesprüfungsamtes, des Landgerichts und des Oberlandesgerichts Koblenz waren Sie jeweils die erste Frau in diesen Ämtern. Welche Bedeutung messen Sie dem zu?

Ich habe es stets als eine besondere Ehre empfunden, dass man mir diese Ämter anvertraut und zugetraut hat. Dabei hat es für mich keine entscheidende Rolle gespielt, dass damit die Wahl auf eine Frau gefallen ist. Was ich aber sagen kann, ist, dass viele junge Kolleginnen es wichtig finden, wenn auch Frauen in der Justiz in Führungspositionen tätig sind. Ich weiß das aus vielen Gesprächen. Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Tatsache, dass eine Frau an der Spitze einer Behörde steht, die ein oder andere Kollegin dazu ermutigt, sich selbst zuzutrauen, in der Justiz nach vorne zu streben. Wenn ich dazu beitragen kann, würde mich das sehr freuen.

Sie waren in mehreren leitenden Funktionen tätig. Wie sieht Sie guter Führungsstil aus?

Zunächst einmal finde ich es wichtig, Entscheidungen transparent und nachvollziehbar zu treffen und sie auch sorgfältig zu begründen. Der Kommunikation mit allen von einer Entscheidung Betroffenen messe ich eine große Bedeutung bei. Mir war und ist auch immer sehr daran gelegen, meine Entscheidungen nicht einsam, sondern im Team zu treffen. Auf Beratungen mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lege ich dabei sehr großen Wert.

Innerhalb der OLG – Präsidentenkonferenz haben Sie eine Arbeitsgruppe gegründet, um Richterinnen zu fördern. Wie sieht spezielle Förderung von Frauen mit Interesse an Führungspositionen aus?

 

Die Arbeitsgruppe hat einen etwas längeren Arbeitstitel: „Arbeitsgruppe zur Förderung von für Führungsaufgaben qualifizierten Richterinnen und Richtern und Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen“. Da der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Justiz jedenfalls bei Spitzenpositionen verbesserungswürdig ist, geht es darum, Ursachen zu ermitteln und sodann zu untersuchen, wie man auf eine Erhöhung des Frauenanteils hinwirken kann. Die Arbeitsgruppe hat festgestellt, dass eine mögliche Ursache darin liegt, dass Frauen sich Führungsaufgaben weniger zutrauen als ihre männlichen Kollegen. Deshalb ist die persönliche Ansprache ein wichtiges Instrument, um Frauen auf ihrem beruflichen Weg dazu zu ermuntern, sich etwas Neues zuzutrauen.

Wichtig wird es auch sein, sich um Fragen der Kinderbetreuung „vor Ort“ zu kümmern, weil entsprechende Angebote einen Beitrag dazu leisten können, dass Frauen, sofern sie das möchten, frühzeitig nach der Elternzeit wieder in den Beruf zurückkehren können. Die Arbeitsgruppe hat zudem festgestellt, dass Mentoring-Programme speziell für Frauen, die sich für Führungspositionen interessieren, einen Beitrag zur Förderung leisten können.

Als Sie Richterin am Landgericht waren, kam Ihr Sohn zur Welt. Wie haben Sie die Betreuung damals organisiert?

Ich hatte im Vorfeld meinen Urlaub angesammelt, sodass ich nach Ablauf der Mutterschutzzeit von acht Wochen noch einige Wochen mehr mit meinem Sohn verbringen konnte. Anschließend habe ich eine Kinderfrau beschäftigt, ca. 2 Jahre später besuchte mein Sohn dann eine KiTa. Ich hatte aber – wofür ich sehr dankbar war- immer auch verständnisvolle Vorgesetzte und Kollegen sowie viel Hilfe seitens der Familie und durch gute Freunde.

Welche Qualitäten braucht es Ihrer Meinung nach, um eine gute Richterin zu sein? 

Neben einer guten juristischen Qualifikation und Einsatzfreude ist es vor allem wichtig, denjenigen, die vor Gericht stehen, zuzuhören und auf ihre Argumente einzugehen. Man muss dabei ebenso ausgleichend wirken wie an der richtigen Stelle auch klare Worte sprechen können. Man sollte sich nicht vorschnell eine feste Meinung bilden und für Gegenargumente stets offen bleiben.

Wie wichtig ist Netzwerken in der Justiz? Und wie knüpft man dieses am besten?  

Das „Netzwerken“ ergibt sich gerade in der Justiz häufig sehr schnell und von selbst. Beim Eintritt in den Beruf schließen sich die jungen Kolleginnen und Kollegen an den Amtsgerichten oft von sich aus zusammen, um sich über ihre tägliche Arbeit mit allen Facetten auszutauschen, an den Landgerichten sind sie ohnehin in eine Kammer eingebunden. In den einzelnen Bezirken unterstützen die Behördenleitungen dies häufig durch entsprechende Angebote zu regelmäßigen Arbeitstreffen. Kollegiale Unterstützung ist für neu in ein Gericht eintretende Kolleginnen und Kollegen ohnehin weitestgehend selbstverständlich. Auch wir Behördenleiterinnen und -leiter in der Justiz pflegen ein gutes, oft auch freundschaftliches Miteinander, sodass wir selbstverständlich und gut zusammenarbeiten, uns nicht nur bei regelmäßigen Tagungen austauschen, sondern uns auch generell mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Hatten Sie eine Mentorin, die Sie auf Ihrem beruflichen Weg begleitet hat?

Nein. Ein Mentoring im herkömmlichen Sinne hatte ich nicht. Aber ich hatte Vorbilder, an denen ich mich orientieren konnte – übrigens nicht nur weibliche. Von den Ratschlägen einer sehr guten Freundin, die lange Zeit vor mir Behördenleiterin war, habe ich beispielsweise außerordentlich profitiert.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.trough nominiert werden sollte und wieso?

Frau Dr. Lore Peschel-Gutzeit. Die „Lex Peschel“ mit der Ermöglichung von Teilzeit-Arbeit war ein Meilenstein, um Frauen ein gleichberechtigtes berufliches Fortkommen zu ermöglichen.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Koblenz, 23. Oktober 2019. Marliese Dicke hat die Interviewfragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Jennifer Seyderhelm.

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