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Gisela von der Aue

Gisela von der Aue im Porträt

Frauen sollten solidarischer miteinander umgehen.

 

 

 

Gisela von der Aue, Berliner Justizsenatorin a. D., über ihre Zeit als Juristin in der Verwaltung und als Justizsenatorin in Berlin.

Frau von der Aue, Sie waren schon während des Jurastudiums in der Politik aktiv. Was reizt Sie an der Arbeit in der Politik?

Ich bin kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges geboren. Für die meisten von uns war schon in der Schulzeit klar, dass wir verstehen wollten, wieso es dazu kommen konnte, dass die Deutschen die Nationalsozialisten gewählt und getragen haben – mit all den schrecklichen Verbrechen, die in dieser Zeit verübt worden sind. Wir wollten, dass so etwas sich nicht wiederholt. Deshalb waren wir interessiert am Aufbau und der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland. Und wir fingen früh an, Autoritäten zu hinterfragen, waren geprägt von der 68er Bewegung und sogar noch ein später Teil davon. Das hat sich in meiner Studienzeit fortgesetzt verbunden mit dem Ziel, als Frau dieselben Chancen in der Gesellschaft zu bekommen wie die Männer. Jede Menge Motivation für ein politisches Engagement.

Nach Ihrem zweiten Staatsexamen waren Sie ein Jahr als Rechtanwältin tätig, bevor Sie dann in den Staatsdienst eingetreten sind. War die kurze Zeit in der Anwaltschaft geplant?

Geplant war, die Zeit zwischen Bewerbungen und einer Festanstellung nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. In der Tätigkeit als Rechtsanwältin habe ich schon dazu lernen können. Die Perspektive einer Parteivertreterin war ja auch nützlich.

Sie haben verschiedene Stationen in der Berliner und Brandenburger Verwaltung durchlaufen. Bitte erzählen Sie gern von Ihrer Arbeit in dieser Zeit. Wie sieht der Arbeitsalltag einer Juristin in der Verwaltung aus?

Das war sehr vielfältig. Im Referat Gesetzgebung der Senatsschulverwaltung habe ich beispielsweise gelernt, wie aufwändig und präzise die Erarbeitung von Gesetzen sein sollte, damit sie auch verstanden und angewandt werden können. Schade, dass es solche Verwaltungseinrichtungen heute so gut wie nicht mehr gibt. Das ist ein Qualitätsverlust. In einem Rechtsamt sind Sie ähnlich einem Rechtsanwalt im Interesse der Verwaltung in sehr unterschiedlichen Rechtsgebieten unterwegs. Danach in der Verwaltung eines Parlaments gab es auch sehr unterschiedliche Aufgaben. Ich habe beispielsweise zunächst drei Parlamentsausschüssen als Referentin zugearbeitet. Anschließend bin ich in den Wissenschaftlichen Parlamentsdienst gewechselt und habe dort auf Antrag von Fraktionen, Abgeordneten sowie des Präsidenten des Abgeordnetenhauses Gutachten zu verschiedenen Rechtsfragen erarbeitet. Daneben war ich zuständig für die Vorbereitung der Ausfertigung von Landesgesetzen und Übernahme- und Anwendungsgesetzen durch den Parlamentspräsidenten. Letztere waren erforderlich, weil Berlin aufgrund seines besonderen Status nicht direkt vom Bund regiert und deshalb auch die Gesetze nicht ohne besonderen Rechtsetzungsakt in Berlin angewendet werden durften. In Brandenburg war ich zunächst nicht in der Verwaltung, sondern in der SPD-Landtagsfraktion tätig. Hier war ich zuständig für die Zuarbeit für die Arbeitskreise Inneres, Kommunales und Recht. Alle beruflichen Stationen waren von den Inhalten her immer herausfordernd und spannend. Ansonsten erinnere ich mich besonders gern an die Kolleginnen und Kollegen, die mich unter ihre Fittiche genommen und mir das notwendige Rüstzeug für meinen weiteren beruflichen Werdegang mitgegeben haben.

Während Ihrer Zeit als Präsidentin des Landesrechnungshofes und auch als Sie Justizsenatorin waren, haben Sie einige politische Auseinandersetzungen erfahren und Ihr Handeln war nicht immer unumstritten. Wie sind Sie mit schwierigen Situationen umgegangen?

Die Präsidentin des Landesrechnungshofs Brandenburg wird vom Parlament gewählt. Bei dieser Wahl bin ich insbesondere von vielen Parlamentarierinnen unterstützt worden, was mich bestärkt hat. Trotzdem war die Akzeptanz von Frauen an der Spitze einer größeren Behörde auch Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts noch nicht selbstverständlich. Erst recht nicht, als sich die Behörde Prüfungen in Bereichen gewidmet hat, die öffentlich kritisch betrachtet wurden – noch dazu, wenn solche Prüfungen Unzulänglichkeiten und Fehler zutage förderten. Anders als bei männlichen Kollegen üblich, wurde meine Arbeit zuweilen als von krankhaftem Ehrgeiz und Selbstdarstellungsbedürfnis getrieben dargestellt und nicht etwa anerkannt, dass die Prüfungsarbeit wichtige Erkenntnisse und Empfehlungen gezeitigt hatte. Schließlich hat meine Strafanzeige des damaligen Vizepräsidenten wegen Betruges viele irritiert. So wurden mir öffentlich Unprofessionalität oder – schlimmer noch – persönliche Motive unterstellt. Dies hat mich schon getroffen und das konnte ich auch nicht einfach so wegstecken. Es war unterschwellig mit dem Vorurteil verbunden, dass ich mich als Frau nicht auf andere Weise eines „Konkurrenten“ hätte entledigen können und viel zu emotional reagiert hätte. Diese öffentlichen Angriffe habe ich nur deshalb aushalten können, weil ich von vielen Kolleginnen und Kollegen unterstützt worden bin und sich mit der Verurteilung des ehemaligen Vizepräsidenten bestätigte, dass ich notwendigerweise so vorgegangen bin. Ähnlich groß war auch die Empörung, als ich mich später als Justizsenatorin von meinem Staatssekretär getrennt habe. Es wurden alle möglichen Gründe in den Zeitungen verbreitet, die mich jedenfalls in keinem guten Licht erscheinen ließen. Keiner davon war zutreffend. Inzwischen ist es zum Glück so, dass eine Senatorin ihren Staatssekretär entlassen kann, ohne dass ihr fragwürdige persönliche Gründe unterstellt werden.

Als der Anruf des damaligen Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, kam und er Sie fragte, ob Sie sich vorstellen könnten, Justizsenatorin von Berlin zu werden, haben Sie sich zwei Tage Bedenkzeit erbeten. Welche Erwägungen haben Sie angestellt, bevor Sie zugesagt haben?

Ich habe mich bei jeder beruflichen Veränderung und Herausforderung gefragt, ob ich mir das wirklich zutraue. Es war ja auch immer etwas Anderes, etwas Neues. Ich habe mich jeweils mit meinem ganz persönlichen Umfeld beraten und dann entschieden. Die Übernahme einer Senatsverwaltung als Teil einer Landesregierung, also im direkten politischen Verantwortungsbereich, ist natürlich noch intensiver, vor allem auch zeitlich, als die der Leitung einer obersten Landesbehörde. Dieses musste ich natürlich auch mit meinen privaten Herausforderungen in Einklang bringen. Der erforderlichen Unterstützung musste ich mich vergewissern, bevor ich mich entschieden hatte.

Inwieweit war die juristische Ausbildung für die Tätigkeit als Justizsenatorin nützlich?

Das Verständnis für den gesamten Justizbereich ist natürlich viel größer, als wenn man sich die Justiz aus einer fachfremden Ausbildung heraus erschließen muss.

Bis zu Ihrem Ruhestand waren Sie Mitglied in Aufsichtsräten verschiedener kommunaler Wohnungsbaugesellschaften. Wie kann man sich die Arbeit in einem Aufsichtsrat vorstellen?

Mitglied in Aufsichtsräten bin ich erst nach meinem Ausscheiden aus dem Berliner Senat geworden. Die Bestandsverwaltung von Wohnungen oder der Neubau und der Ankauf von Wohnungen sind eine ganz andere Materie als die Justiz. Da musste ich mir wieder einiges erarbeiten. Bei der Tätigkeit als Aufsichtsrätin ist mir aber meine Erfahrung als Präsidentin des Landesrechnungshofes sehr zugute gekommen. Der Aufsichtsrat ist das Kontrollorgan für den Vorstand einer Gesellschaft. Der Aufsichtsrat übt seine Kontrolle dadurch aus, dass er über die Geschäfte des Vorstandes informiert wird. Dadurch kann er dessen Tätigkeit überwachen, kann ihn beraten. In entsprechend vorgesehenen Fällen bedarf der Vorstand für seine Aktivitäten auch der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats. Dadurch sollen Fehlentwicklungen zum Schaden des Unternehmens verhindert werden, denn der Aufsichtsrat ist dem Wohle des Unternehmens verpflichtet.

Was macht für Sie ein erfülltes Berufsleben aus?

Dass ich weit überwiegend in herausfordernden und interessanten Bereichen mit Freude und mit geschätzten Kolleginnen und Kollegen im Interesse der Gesellschaft arbeiten konnte.

Was glauben Sie, können Frauen tun, um die gleichberechtigte Teilhabe im beruflichen Kontext zügiger voranzubringen?

Im privaten Bereich auf Gleichberechtigung bei den täglichen Arbeiten und der Kinderbetreuung Wert legen. Als Frauen im Berufsalltag solidarisch sein, was nämlich durchaus nicht immer der Fall ist. Sich öfter um Führungspositionen bewerben. Nach meinen Erfahrungen gibt es immer noch sehr viele Frauen, die keine Führungspositionen anstreben, weil sie sich zeitlich nicht so stark engagieren und weil sie auch nicht gern in herausgehobenen Positionen unter stärkerer Beobachtung stehen wollen.

Wie war es Ihnen möglich, diesen beeindruckenden Karriereweg mit Ihren drei Kindern zu vereinbaren?

 

Das ging nur, weil mein Mann bereit war, entsprechend viel Arbeitsanteil zu übernehmen. Außerdem war ich privilegiert durch das enorme Engagement meiner Mutter und meiner Schwiegermutter bei der Betreuung unserer Kinder und einen Kindergarten in unmittelbarer Wohnungsnähe. Und nicht zuletzt haben verständnisvolle und unterstützende Freunde nicht gefehlt.

Würden Sie, rückblickend betrachtet, Ihren Karriereweg wieder so gehen?

Ja.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Das ist eine schwer zu beantwortende Frage, weil verschiedene Frauen in unterschiedlichen Positionen mich beeindruckt haben. Dazu gehört die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Frau Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jutta Limbach, eine meiner Vorgängerinnen im Amt der Justizsenatorin, Frau Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit oder die ehemalige Generalbundesanwältin, Prof. Monika Harms. Ich kenne natürlich auch weitere beeindruckende Juristinnen, die in verschiedenen Bereichen vorbildlich gewirkt haben. Die Liste wäre beachtlich, aber nie vollständig. Daher tue ich mich mit weiteren Namen schwer.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Berlin, 13. April 2023. Gisela von der Aue hat die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Dr. Stefanie Schweizer.

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