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Corinne Möller

Corinne Möller im Porträt

"Unterbrecht auch mal Eure Kollegen, um gehört zu werden!"

Corinne Möller, Projektleiterin bei McKinsey & Company, über ihre Rolle als Juristin in der Unternehmensberatung und „Spinne im Netz“, die Vorbereitung auf diesen Beruf und den gelungenen Auftritt in einem männlich geprägten Umfeld.

Corinne, Du bist seit dreieinhalb Jahren Beraterin bei McKinsey und vor kurzem zur Projektleiterin aufgestiegen. Herzlichen Glückwunsch! Wie haben sich Deine Aufgaben mit diesem Schritt verändert?

Danke! Als Associate, d.h. als Berufsanfängerin in der Beratung, habe ich v.a. eigene inhaltliche Arbeitspakete geleitet und diese von Anfang bis Ende mit den Klientinnen bzw. Klienten bearbeitet. Als Projektleiterin manage ich das komplette Team vor Ort beim zu beratenden Unternehmen, d.h. ich habe den Überblick über alle Arbeitspakete, steuere und unterstütze diese und bearbeite übergeordnete Themen. Als "Spinne im Netz" bin ich erste Ansprechpartnerin für die Unternehmen, die für das Projekt verantwortlichen Partnerinnen oder Partner und das Team. Allerdings musste ich die neuen Aufgaben nicht von heute auf morgen übernehmen, sondern konnte mich vorher als Junior-Projektleiterin ausprobieren und die nötigen Fähigkeiten entwickeln.

Was tust Du, wenn Du selbst mal nicht weiterweißt?

Wenn ich inhaltlich nicht weiterweiß oder eine bestimmten Frage gern noch weiter vertiefen würde, ist es Zeit für "Problem Solving". Das ist so einfach, wie es klingt. Das gesamte Team inkl. der Partner setzt sich zusammen und denkt strukturiert über die Herausforderung nach. Hierbei ist Problem Solving trotz Beteiligung aller nicht hierarchisch – jeder wird gehört und die beste Idee kommt auch oft von jungen Teamkollegen bzw. einem gemeinsamen Gedankenexperiment. Problem Solving steht mehrmals pro Woche geplant im Kalender, findet aber natürlich auch ad hoc statt, wenn sich wichtige Fragen auftun.

Wenn eine Situation persönlich herausfordernd ist, wende ich mich an meine Mentoren und Vorbilder in der Firma. Durch den Dialog und einen ungetrübten Blick von jemandem, den ich menschlich und als Führungskraft schätze, komme ich dann meist weiter.

Jungen Juristinnen rate ich, den Dialog auf Augenhöhe auch mit Führungskräften früh zu suchen und so echte Mentoren und Sponsoren zu finden.

Du hast dein erstes und zweites Staatsexamen, also die klassische juristische Ausbildung absolviert. Wann ist Dir die Unternehmensberatung zum ersten Mal begegnet und warum hast Du Dich gegen einen klassischen juristischen Beruf entschieden?

Das ist eine eher untypische Geschichte. Nach dem ersten Staatsexamen bin ich nach Addis Ababa in Äthiopien gezogen, um dort eine von Bekannten gegründete NGO weiter aufzubauen. Dort fand ich Freunde, die bei McKinsey waren und über die Firma auf eine Initiative im Bereich Economic Development im öffentlichen Sektor gekommen waren. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht genau, was Unternehmensberatungen genau machen. Dass sie aber auch im öffentlichen Sektor und auch in Entwicklungsländern aktiv waren, fand ich spannend. Beeindruckt hat mich, dass der "Impact" solcher Projekte, in denen Regierungen und öffentliche Institutionen sich mit drängenden Fragen an Beratungen wenden, so groß war: Hier wurden letztendlich Strategien entworfen, deren Auswirkungen noch deutlich über die unserer kleinen NGO hinausgingen.

Die NGO, bei der Du in Äthiopien gearbeitet hast, hat benachteiligten Frauen zu einer Ausbildung verholfen. Das Thema „Women Empowerment“ hat in Äthiopien noch eine völlig andere Bedeutung. Kannst Du von einem Erfolgserlebnis berichten?

Ziel von "Project E" war, benachteiligte jungen Frauen, wie Waisen, die nach Abschluss der Schule keinen Platz im Heim mehr hatten, in einer dualen Ausbildung mit Unternehmen zu Sekretärinnen auszubilden. Hier war eins meiner Ziele ein Mentoring-Programm mit Frauen aus der äthiopischen Wirtschaft, um die Schülerinnen auf ihrem individuellen Weg zu unterstützen und vor allem weitere Entwicklungsmöglichkeiten und Wege aufzuzeigen. Nachdem es viele Hindernisse gab, beispielsweise war der E-Mail-Kontakt im Jahr 2013 noch nicht so verlässlich, wir hatten große Schlaglöcher auf dem Weg zu unserem etwas abgelegenen Campus und anderes, fand am Ende eine große Auftaktveranstaltung mit vielem Teilnehmern bei uns statt. Hier erzählten einige Mentorinnen inspirierende Geschichten und die Schülerinnen und Mentorinnen lernten sich kennen und starteten in das Programm.

Hattest Du wegen des fehlenden wirtschaftlichen Hintergrunds Schwierigkeiten, Dich als Unternehmensberaterin zurechtzufinden?

Etwas neu war das alles natürlich. Aber die Hälfte der Einsteiger(-innen) bei uns hat keinen wirtschaftlichen Hintergrund und beginnt daher vor der eigentlichen Arbeit mit dem "Mini-MBA", einer Art Crashkurs in Wirtschaft. Das hat sowohl für Verständnis als auch für das Selbstbewusstsein sehr geholfen. Letztendlich merkt man aber schnell, dass es vor allem auf Denkweisen und interdisziplinäre Zusammenarbeit ankommt. Einzig, dass ich Excel und PowerPoint so gut wie nie vorher geöffnet hatte, führte zu Beginn zu einigem Nachholbedarf, aber mit etwas Unterstützung durch geduldige Kollegen ging das ganz fix und ich habe mich mit der Erklärung rechtlicher Sachverhalte revanchiert.

Was macht Dich zu einer guten Beraterin, vielleicht auch gerade, weil Du Juristin bist?

Zum einen können wir Juristinnen bzw. Juristen dank des jahrelangen Trainings Probleme sehr gut strukturieren und abschichten. Das hilft sehr, wenn Sachverhalte sehr komplex und verschachtelt werden. Zum anderen sind wir wortgewandt und argumentativ stark in Verhandlungen und Diskussionen; auch das hilft, um im Gespräch mit auch senioren Klientinnen oder Klienten und Partnern oder Partnerinnen ernst genommen zu werden.

Im Rahmen der Bewerbung für Unternehmensberatungen wird ein großer Schwerpunkt auf den sogenannten „Personal Fit“ und die Case-Lösung gelegt. Wie intensiv sollte sich ein Jurist/eine Juristin ohne wirtschaftliche Praxiserfahrung auf die Interviews vorbereiten?

 

Persönlich habe ich mich 3-4 Wochen neben dem Referendariat mit der Vorbereitung beschäftigt und würde diesen Zeitraum auch empfehlen. Für den Teil zum Personal Fit braucht es nur die eigene, über Jahre entstandene Persönlichkeit und etwas grobe Vorbereitung auf Fragen, die einem das Recruiting-Team vorher erklärt. Wichtig ist für Juristinnen und Juristen die Vorbereitung auf die Case-Lösungen: Eine gewisse Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Sachverhalten und Problemstrukturierungen ist sicherlich sinnvoll, da sich die Fälle doch stark vom bekannten "Täter T lauert abends dem Opfer O im Park auf…" unterscheiden. Außerdem sollte man sich Kopfrechnen (Grundrechenarten, Dreisatz- und Prozentrechnung) sowie ein Gefühl für Größenordnung und Bedeutung von Zahlen noch einmal aktiv ins Gedächtnis rufen.

Du hast Dich auf Beratungsprojekte im Öffentlicher Sektor und im Gesundheitswesen spezialisiert. Neben der Projektarbeit verantwortest Du aber auch noch das Jura-Recruiting bei McKinsey, führst Bewerber-Interviews und nimmst an Konferenzen teil. Was macht Dir an diesen Tätigkeiten am meisten Spaß?

Zum einen spreche ich leidenschaftlich gern mit neuen Menschen über ihre Leidenschaften, Perspektiven und bisherigen Lebenswege. Hier habe ich durch Recruiting und Bewerber-Interviews die Möglichkeit, tolle Leute kennenzulernen und mir Gedanken über den Personal Fit zur Firma zu machen.

Inhaltlich begeistere ich mich schon immer für internationale Beziehungen und die öffentliche Sicherheit. Sich hier im Rahmen von Initiativen wie den WEF Global Shapers oder bei Konferenzen wie Atlantik Brücke Young Leaders mit anderen Perspektiven auseinanderzusetzen und gemeinsam Projekte zu starten, inspiriert mich enorm.

Der Frauenanteil lag bei den Neueinstellungen zuletzt bei 40 %, er dünnt sich aber in den höheren Karrierestufen sehr schnell aus. Warum fällt es Frauen immer noch schwer, im Unternehmen aufzusteigen? Was tut McKinsey zur Förderung von Frauen? 

Es ist nicht immer einfach, Beruf mit Familie zu vereinbaren, vor allem, wenn zum Beruf häufig regelmäßige Geschäftsreisen gehören. McKinsey unterstützt Frauen durch Initiativen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Jede Beraterin erhält zudem auch die persönliche Förderung durch Mentorinnen. Außerdem versuchen wir seit einigen Jahren, den Anteil von 50% Frauen bei Festeinstieg und Praktikum zu erreichen, um den Frauenanteil daraus auch in den oberen Stufen erhöhen zu können.

Jungen Juristinnen würde ich raten, auch in einem männlich geprägten Umfeld selbstbewusst aufzutreten. Dazu kann auch gehören, die Kollegen mal zu unterbrechen, um gehört zu werden oder nach kleineren Fehlern sehr schnell nach vorne zu schauen und "Schwamm drüber" zu denken, statt sich lange den Kopf zu zerbrechen.

Die Vereinbarkeit des Jobs mit der Familie sollte idealerweise nicht nur den Müttern den Kopf zerbrechen. Wie nimmst Du die Väter im Unternehmen wahr? Funktioniert die Karriere bei McKinsey eben doch nur mit dem klassischen Familienmodell – Eine muss zu Hause bleiben?  

Ich habe leider keinen besonders guten Überblick über unsere Väter. Ich weiß jedoch, dass auch viele Väter bei uns Elternzeit nehmen und auch die Part-Time-Angebote nutzen. Es gibt daneben auch eine Sammlung von "Role Model"-Geschichten, also persönliche Berichte vieler unserer Kolleginnen und Kollegen mit Kindern, wie sie persönlich mit dem Thema Familie und Elternzeit bzw. Wiedereinstieg in den Beruf umgegangen sind. Sowas hilft natürlich enorm zur Orientierung.

Hattest Du schon einmal eine Situation, in der Du aufgrund Deines Geschlechts Schwierigkeiten hattest? Wie bist Du damit umgegangen?

Bei einem Projekt in Japan fühlte ich mich als Frau sehr einsam, da ich unter ca. 30 Klienten und auch in unserem Team die einzige Frau und noch dazu nicht japanisch-sprechende Europäerin war. Das führte auch dazu, dass Klienten mir teilweise keine Zwischenstände von Arbeitsergebnissen senden wollten, da wohl der Kultur nach "nicht perfekte" Ergebnisse gegenüber Frauen als peinlich empfunden wurden.

Das Ganze löste sich schnell, weil unsere Partner den anderen vermittelt haben, dass sie viel von mir hielten, indem sie mir beispielsweise Redezeit bei wichtigen Meetings gaben. Dadurch erhielt ich schnell den Respekt der Gruppe. Arbeitsergebnisse habe ich dann an einen anderen Berater schicken lassen, der sie mir weitergeleitet hat – so war es den Menschen nicht unangenehm.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Doris König (Richterin am BVerfG), weil sie mich als Professorin an der Bucerius Law School mit ihrer Art und Persönlichkeit sehr beeindruckt hat. 

Herzlichen Dank!

Berlin/Hamburg, 20. August 2019. Das Interview führte Jantje Niggemann.

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