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Annette Kroeber-Riel

Annette Kroeber-Riel im Porträt

„Bring your whole self to work.”

Annette Kroeber-Riel über ihren Job als Vice President of Government Affairs and Public Policy for Europe bei Google, den Zusammenhang zwischen guten Führungsqualitäten und typisch weiblichen Eigenschaften und warum es aus ihrer Sicht so wichtig ist, auch im Job ganz man selbst zu sein.

Annette, Du hast kürzlich Dein 15-jähriges Jubiläum bei Google gefeiert. Glückwunsch dazu! Du hast 2007 das Berliner Büro von Google alleine eröffnet. Mittlerweile arbeiten dort rund 400 Mitarbeiter. Wie kam es dazu?

Auf Google kam ich noch ganz „undigital“ durch eine Stellenanzeige in der FAZ. Meine Schwester hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Es ging um die Rolle als Director für die deutschsprachigen Märkte im Bereich Politik. Zu dem Zeitpunkt gab es noch keine Policy-Abteilung bei Google in Deutschland. Als ich die Rolle dann tatsächlich bekam, war geplant, dass ich vom Hamburger Büro aus arbeiten sollte. Ich hielt Berlin aber für viel sinnvoller, um gute Beziehungen zur Politik aufzubauen. Dann bekam ich das „Go” für die Suche nach einem Büro in Berlin. Angefangen haben wir dann ganz klein in einem angemieteten Büro Unter den Linden, bis wir später in ein größeres Büro umziehen konnten – und zuletzt in unser aktuelles Gebäude, eine ehemalige Klinik, in der Tucholskystraße. Das war schon eine spannende Entwicklung. Und ich bin dankbar für das Vertrauen, das mir von Google entgegengebracht wurde.

Vor Google warst Du bei VeriSign und Jamba im Bereich politische Arbeit tätig und zuvor hast Du einige Jahre als Anwältin im Bereich öffentliches Wirtschaftsrecht und Telekommunikationsrecht gearbeitet. Inwieweit waren diese Berufserfahrungen für den anspruchsvollen Bewerbungsprozess bei Google hilfreich?

Ein juristischer Hintergrund ist für die politische Arbeit äußerst hilfreich. Und gerade für die Rolle bei Google sind Datenschutz-, Wettbewerbs- und Urheberrecht wichtige Bausteine. Der Bewerbungsprozess war in der Tat sehr anspruchsvoll. Ich musste mich durch insgesamt zwölf Interviews schlagen, das war fachlich, aber auch psychisch herausfordernd. Auf der einen Seite wurde natürlich eine gute Ausbildung, am besten mit internationalem Background, vorausgesetzt. Es war aber auch klar, dass ich top vorbereitet sein und meine soziale Intelligenz unter Beweis stellen musste. Bei Google ist es wichtig, dass alle Interviewer am Ende vom Kandidaten überzeugt sind. Hätte einer davon sein Veto eingelegt, hätte es wahrscheinlich nicht geklappt mit meiner inzwischen 15-jährigen Google-Karriere. Heute bin ich irre dankbar für diese Chance als „Quereinsteigerin”.

Google ist bekannt für seine zufriedenen Arbeitnehmer und nicht zuletzt deshalb beliebter Arbeitgeber. Auf welche Qualifikationen und persönlichen Kompetenzen wird aus Deiner Sicht im Bewerbungsprozess (nicht nur bei Google) besonders viel Wert gelegt?

In erster Linie ist eine gute Vorbereitung auf die ganz konkrete Stelle unabdingbar – ebenso wie der leidenschaftliche Einsatz für die Sache. Daneben halte ich persönlich Teamfähigkeit und ein sympathisches, gutes Auftreten für sehr relevant. Bei uns nennen wir das „Googleyness“: Darunter verstehen wir soziale Fähigkeiten wie etwa Bescheidenheit, emotionale Intelligenz und Offenheit, genauso wie Individualität. Für uns bei Google ist die Persönlichkeit wichtiger als ein Mainstream-Lebenslauf.

Seit drei Jahren bist Du Vice President von Government Affairs and Public Policy. Was kann man sich darunter vorstellen?

Ich leite die Teams, die in den europäischen Hauptstädten den Kontakt mit der Politik halten. Dabei geht es primär um Gesetzgebungsthemen. Dabei spreche ich auch mit den Kollegen aus Marketing und PR, und wir definieren, wie wir uns gemeinsam strategisch im jeweiligen Land aufstellen. Mein typischer Arbeitstag startet erst einmal mit den nächtlichen News aus den USA. Ich kommuniziere dann neue Entwicklungen ans Team und halte den Tag über Kontakt mit meinen Leuten. Häufig spreche ich auch auf Konferenzen – dafür bin ich viel unterwegs. Abends sind oft noch Videokonferenzen, weil dann wiederum die Amerikaner ihren Tag starten. Ich habe also keine klassisch juristischen Aufgaben. Das Schöne ist: Jeder Tag ist anders, bunt und spannend.

Trotz Deines offenbar enormen Arbeitspensums strahlst Du vor Energie und Gelassenheit. Woraus ziehst Du Deine Energie oder bist Du einfach klassischer „Workaholic“?

(lacht) Ich bin schon ein ziemlicher Workaholic. Die Arbeit mit meinem Team beflügelt mich, ich arbeite und interagiere eigentlich ständig mit Menschen. Das entspricht ganz meinem Naturell. Manchmal vermisse ich allerdings das ruhigere Arbeiten – deswegen habe ich mir seit kurzem auch eines der wenigen Einzelbüros in diesem Haus gesichert (lacht). Meine Energie ziehe ich aber im Wesentlichen aus der Teamarbeit. Die gemeinsamen Erfolge und Herausforderungen treiben mich an.

Dein Arbeitgeber wird in Deutschland gleichermaßen bewundert und skeptisch beäugt. Als „Frontfrau“ politischer Arbeit bei Google triffst Du sicherlich mitunter auch auf Kritiker. Wie gehst Du damit um?

In Deutschland und Frankreich ist die Ansprache deutlich kritischer als im Rest Europas. Ich nehme das aber sportlich, das ist ja mein Job. Ich bin auch deshalb Juristin geworden, weil ich gerne offen und kontrovers diskutiere und argumentiere. Deshalb finde ich (sachliche) Kritik legitim. In seltenen Fällen geht Kritik auch mal unter die Gürtellinie, ich halte dann mit Fakten und Transparenz dagegen. Insgesamt ist „Cheflobbyistin“ bei Google in Europa zu sein, kein Job mit dem man sich nur Freundinnen und Freunde macht. Damit muss man umgehen können. Aber ich bin da gut hineingewachsen.

Du hast nicht nur die Leitung des Berliner Standorts von Google inne, sondern leitest auch die gesamte politischen Interessenvertretung für Google in  Europa. Deine Mitarbeiter schätzen Dich als Chefin sehr. Was macht gute Führung aus Deiner Sicht aus?

Menschlichkeit, klare Ansagen machen, klare Prioritäten setzen, das Team zusammenhalten, transparent und nahbar sein, ansprechbar und empathisch. Ich hake nach, wenn es jemandem offensichtlich schlecht geht. Es ist wichtig, ein Gespür für die Dynamiken im Team zu haben. Ich denke, das ist es, was meine Mitarbeiter an mir schätzen und ich glaube auch, dass das typisch weibliche Eigenschaften sind. Ich bin quasi die Mutter des Teams (lacht), jeder fühlt sich – hoffentlich – individuell als Mensch gesehen und wertgeschätzt.

Du hast denkbar viel erreicht. Hast Du von Beginn an auf eine solche Karriere hingearbeitet oder hattest Du ursprünglich einen anderen Plan für Dein Leben?

Ich wollte eigentlich immer Diplomatin werden, Botschafterin irgendwo auf der Welt – Hauptsache exotisch. Ich habe mich dann letzten Endes gegen das Auswärtige Amt und für die Kanzlei entschieden, weil meine Freunde (zu Recht) darauf hingewiesen haben, dass ich als familien- und freundesgebundener Mensch für immer auf Reisen im Ausland möglicherweise nicht glücklich würde. Und letzten Endes bin ich dann ja doch irgendwie Diplomatin geworden – von Google (lacht).

Welche Weichenstellungen, oder auch Charaktereigenschaften, sind Deiner Ansicht nach wichtig, um es auf der Karriereleiter ganz nach oben zu schaffen?

Neugierde, Leidenschaft, Kompromisslosigkeit, Durchhaltevermögen und Humor. Aus meiner Sicht werden Authentizität und Ehrlichkeit im Berufsleben generell unterschätzt. Insbesondere Frauen versuchen sich in (bislang) eher männlich geprägten Berufen sehr anzupassen und stellen ihre eigene persönliche Note hinten an. Das ist aber aus meiner Sicht verkehrt.

Mich hat einmal jemand als „most direct, most pragmatic, most emotional” bezeichnet. Das hat mich nachdenklich gemacht, ich habe es aber als großes Kompliment aufgefasst. Für mich persönlich hat es sich als Erfolgsrezept entpuppt, so zu sein, wie ich bin. Man darf Verletzlichkeit und Gefühle zeigen, man darf Dinge ansprechen, nahbar sein, so sein wie man eben ist.

 

Googles Motto „bring your whole self to work“ bringt das gut auf den Punkt. Als ich aus der Kanzlei kam, war ich erst einmal irritiert darüber, weil das nicht dem klassischen „Kanzlei-Spirit“ entspricht. Aber gleichzeitig habe ich gemerkt, dass gelebte Authentizität zu einem hohen Maße an Diversität, ehrlicher Kommunikation und dadurch auch zu einer sehr angenehmen Arbeitsatmosphäre führt. Und wenn man in einem Unternehmen Karriere machen will, muss man sich dort auch als Mensch wohl fühlen, sonst macht es aus meiner Sicht keinen Sinn. Es ist insofern eine Botschaft, die ich auch jungen Juristinnen nachhaltig ans Herz legen möchte: Spielt keine Rolle, die ihr denkt, spielen zu müssen. Seid mutig und zeigt ehrlich, wer ihr seid und was euch ausmacht!

Welche Rolle spielen andere Personen bei der eigenen Karriere – Mentoren, Netzwerk, Partner?

 

Eine ganz wesentliche. Natürlich ist der direkte Mentor wichtig. Er oder sie muss Dich als Mensch und Fachkraft sehen und angemessen fördern. Hier aber auch der Tipp, die Mentoren-Mentee-Beziehung nicht nur einseitig zu betrachten. Klar kann der Mentor einem erst einmal viel beibringen. Man sollte sich aber auch selbst einbringen, Ideen äußern, sowohl Feedback einfordern als auch geben.

Ein gutes Netzwerk ist enorm hilfreich, denn man braucht ständig Leute, die einem einen Gefallen tun. Daher sollte man sehr früh damit anfangen, ein Netzwerk aufzubauen. „Netzwerken“ sollte aber nicht nur als Mittel zum Zweck dienen, man sollte wirklich tragfähige Beziehungen daraus entwickeln, die dann auch belastbar sind.

 

Last but not least braucht man auch einen Partner bzw. eine Partnerin, der bzw. die einen bedingungslos unterstützt und gut findet, was man macht, die Leistung anerkennt und auch zurückstecken kann.

Frauen sind in Führungspositionen wie Deiner nach wie vor sehr selten. Woran liegt das aus Deiner Sicht?

Es liegt auch daran, dass es einfach zu wenige Frauen oberhalb der „gläsernen Decke“ um sie herum gibt. Es fehlt an Gleichgesinnten. Es ist einfach weniger vielfältig und manchmal eingefahren, wenn man immer nur mit Männern agiert. Das kostet sehr viel Energie. Wenn man stets die einzige Frau in Meetings ist, dann ist es einfach anstrengender.

Gibt es hier im internationalen Vergleich nach Deiner Erfahrung (deutliche) Unterschiede?

Ja, riesige! Deutschland sieht da leider nicht gut aus; Osteuropa, Frankreich, England, Brüssel, da sind überall mehr Frauen in höheren Positionen, in den USA sowieso. Die Männerzirkel sind in Deutschland einfach sehr zäh. Auch bei Google war ich lange die Einzige im deutschen Managementteam. Zum Glück hat sich das inzwischen geändert.

Gab bzw. gibt es Momente, in denen Du Dich als Frau gegenüber Männern diskriminiert fühlst?

Diskriminiert würde ich nicht sagen. Aber es ist natürlich in gewisser Weise diskriminierend, dass man als Frau in männlich dominierten Kreisen so viel Energie aufbringen muss, um sich an dort herrschende Gepflogenheiten anzupassen. Und unpassende Sprüche hört man natürlich immer mal wieder als Frau – und dann muss man sich sagen „da rein, da raus”. Bei Googles Unternehmenskultur ist das aber sowieso kein Thema. Was mich auch über lange Jahre genervt hat, ist, dass man als unverheiratete, kinderlose Frau regelmäßig (allerdings primär von Frauen!) darauf angesprochen wird, ob man nicht endlich heiraten bzw. Kinder bekommen möchte. Ich denke, das passiert Männern auch eher seltener.

Last but not least: Was machst Du in Deiner Freizeit, wo findest Du Ausgleich zum Alltag?

Ich bin leidenschaftliche Taucherin, allerdings logischerweise nur im Urlaub. Außerdem mache ich täglich Yoga und / oder lege eine Session mit dem Peloton ein, wenn ich nicht gerade reise. Während meiner zahlreichen Dienstreisen versuche ich dort auch immer einen Urlaubsmoment zu kreieren, der mir Zugang zur Stadt verschafft, einen Moment des „Ausbüchsens“ vom Arbeitsalltag. Und ansonsten verbringe ich gerne Zeit mit Freunden, Familie und meinem Partner.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Ich bin ein großer Fan von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Ich habe sie als gute, präsente und strahlende Justizministerin in Erinnerung. Sie hat aus meiner Sicht eine sehr klare Diktion und ist durchweg bei sich geblieben.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Berlin, 22. September 2022. Das Interview führte Dr. Graziana Kastl-Riemann.

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