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Sarah Scharf & Anna-Catharina v. Girsewald

Foto: © Andreas Anhalt

Sarah Scharf und Anna-Catharina von Girsewald im Porträt

„Wir wussten, dass das Job-Sharing-Modell mit uns funktionieren wird.“

 

Sarah Scharf und Anna-Catharina von Girsewald, Junior Partnerinnen bei Oppenhoff, darüber wie das Job-Sharing-Modell erfolgreich in einer Wirtschaftskanzlei funktionieren kann und die Bedeutung einer Chefin, die selber die Vereinbarkeit von Beruf und Familie vorlebt.

Liebe Frau Scharf, liebe Frau von Girsewald, nachdem Sie beide lange Vollzeit gearbeitet haben, sind Sie seit 2016 bzw. 2017 Junior Partnerinnen bei Oppenhoff und teilen sich seit Anfang 2018 in Teilzeit via Job-Sharing-Modell eine Stelle. Wie funktioniert das organisatorisch?

Es gibt eine Reihe von organisatorischen Maßnahmen, die wir ergriffen haben. Wir arbeiten die meisten Tage die Woche in einer Früh- und einer Spätschicht, d.h. die Verantwortung für einzelne Nachmittage/Abende ist zwischen uns aufgeteilt. Es gibt kein Schema F für die Mandatsbearbeitung, sondern wir treffen immer individuelle Regelungen: große Mandate bearbeiten wir gemeinsam, kleinere werden i.d.R. einer von uns beiden zugeteilt – z.B. nach besonderem fachlichem Schwerpunkt/Sektor des Mandats. Außerdem stimmen wir uns schnell und informell über Sprachnachrichten auf dem Arbeitshandy ab und setzen uns in der E-Mail Korrespondenz immer in cc, damit beide im Bilde sind und auch spontan reagieren können.

Es bestehen viele Vorurteile bezüglich Job-Sharing-Modellen insbesondere in Berufen mit einer großen Verantwortung. Wer ist auf die Idee gekommen, dass dieses Modell in Ihrer Kanzlei und mit Ihnen funktionieren kann?

Das war die Idee unserer Chefin, Myriam Schilling. Anna arbeitete damals gar nicht mehr bei Oppenhoff, sondern war bei einer anderen Kanzlei in München tätig. Wie es der Zufall wollte, waren Sarah und Myriam Schilling zur gleichen Zeit schwanger und brauchten einen erfahrenen Anwalt/erfahrene Anwältin zur Überbrückung des Ausfalls bedingt durch Mutterschutz und Elternzeit. Anna, die sich zu dem Zeitpunkt noch in Elternzeit befand, wollte wieder von München zurück ins Rheinland. Aus dieser Konstellation machten wir eine Win-Win-Situation: Anna, die vorher schon drei Jahre bei Oppenhoff gearbeitet hatte, kam zunächst in Teilzeit wieder zu Oppenhoff und als Sarah nach der Elternzeit zurückkehrte, stiegen wir in das Job-Sharing-Modell ein. Dass es funktionieren kann, wussten wir, da wir schon einige Jahre vor dem Job-Sharing bei Oppenhoff als Berufseinsteiger zusammen auf großen Transaktionen gearbeitet hatten.

Was hat Sie davon abgehalten jeweils eine Vollzeitstelle als Partnerin oder eine Teilzeitstelle als Partnerin anzutreten (ohne Job-Sharing)?

Vollzeit kam für uns beide nicht in Betracht, da wir immer wussten, dass wir in einer Teilzeittätigkeit unsere Vorstellung einer "family-work-balance" am besten umsetzen könnten.

 

Im M&A Bereich ist allerdings eine reine Teilzeittätigkeit nicht einfach zu realisieren. Wenn eine Transaktion in der heißen Phase ist, ist es schwierig, die Teilzeittätigkeit umzusetzen. Da bietet das Job-Sharing schon eine Entlastung.

Insbesondere in M&A-Transaktionen möchten Mandant*innen gerne einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin haben, die möglichst 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Wie reagieren Mandant*innen auf dieses Modell?

Die meisten größeren Transaktionen werden ohnehin von mehr als einer Anwältin oder einem Anwalt bearbeitet, insofern ist es keine Neuerung, wenn wir zu zweit auftreten. Auch intern sind die Kolleg*innen es bereits gewohnt, uns beide anzusprechen, sodass wir schnellstmöglich auch gegenüber den Mandant*innen kommunizieren und reagieren können.

 

In jedem Mandat bestimmen wir eine Person als Lead und eine als Vertreter und schaffen damit eine klare und verständliche Struktur. Bei kleineren Transaktionen teilen wir die Bearbeitung zwischen uns auf. Es findet so eine gewisse Entzerrung statt.

Wir sind außerdem überzeugt, dass auch die Mandant*innen von unserem Modell profitieren: Es gibt zwei Ansprechpartner, die vollumfänglich im Bilde sind und wir haben als Teilzeitkräfte größtmögliche Motivation, unseren Job im eigenen Interesse möglichst effizient zu erledigen. Das müssen wir bei neuen Mandanten natürlich auch immer wieder neu vermitteln. Das wurde aber bislang auch immer mit Interesse und unproblematisch aufgenommen.

Nicht nur Mandant*innen haben eine hohe Erwartungshaltung an Partner*innen. Welche Erwartungen haben Kolleg*innen von Ihnen und wie gehen Sie mit dieser Erwartungshaltung um?

Responsiveness. Wir sind auch nachmittags/außerhalb der Kanzlei gut übers Handy zu erreichen.

 

Haben Sie tatsächlich Freizeit oder Familienzeit, wenn Sie nicht arbeiten oder ist es eine große Herausforderung sich selber von dem Druck zu befreien jederzeit erreichbar sein zu müssen?

Erreichbar müssen wir schon sein, auch wenn wir gerade einmal nicht im Büro sind. Unsere Kolleg*innen und Mandant*innen erwarten, dass Anfragen innerhalb kurzer Zeit beantwortet werden.

Natürlich ist es aber eine große Entlastung zu wissen, dass gerade die jeweils andere im Büro die Stellung hält, so dass man nicht andauernd aufs Handy schauen muss, wenn man gerade mit den Kindern unterwegs ist. Falls etwas anbrennt, würden wir uns aber sofort gegenseitig informieren, so dass beide dann kurzfristig einspringen können..

Was sind Ihre größten Herausforderungen als Partnerinnen einer Großkanzlei in Teilzeit und in einem Job-Sharing-Modell?

Kurzfristige Dienstreisen zu Vertragsverhandlungen sind teilweise eine Herausforderung. Wenn die Anfrage kommt, z.B. am nächsten Tag nach München zu Verhandlungen zu fliegen, dann muss schnell "über Nacht" nicht nur der Flug gebucht, sondern auch die Versorgung der Kinder geregelt werden. Zum Glück haben wir beide engagierte Großeltern, die spontan gerne einspringen. Es ist alles eine Frage der Organisation...

Wie gehen Sie als "Doppelspitze" mit möglichen Fehlern um - tragen Sie beide die Verantwortung?

 

Grundsätzlich gilt auch hier das Lead-/Vertretungsmodell. Und, was noch viel wichtiger für das Verständnis ist: Wir arbeiten wie zwei reguläre Partner*innen in einer Transaktion: wenn z.B. die Arbeitsrechts-Partner*in oder der Partner einen Vertrag versendet, liest die Corporate-Partnerin oder der Partner das auch nicht mehr im Detail durch. Da gehört natürlich eine ganz Menge Vertrauen in die jeweils Andere und ihre Arbeitsweise dazu.

Was sind insgesamt die Vor- und Nachteile des Job-Sharing-Modells als Partnerinnen einer Großkanzlei?

Vorteil: Man kann dem anderen den Ball zuspielen, wenn es selber gerade eng wird. Die Andere steht auch als Sparrings-Partner zur Verfügung, wenn man sich fachlich oder strategisch austauschen möchte.

Nachteil: Ab einem gewissen Punkt ist es bei manchen Themen so, dass die eine so tief in der Materie drin ist, dass dieser Aspekt einer Transaktion sinnvollerweise dann nur noch von ihr bearbeitet werden kann. In diesen Fällen stößt das Job-Sharing an seine Grenzen.

Woran fehlt es aus Ihrer Sicht bisher, dass sich dieses Modell noch nicht in vielen Unternehmen und Kanzleien durchgesetzt hat?

Es muss auch personell viel zusammenkommen, damit das Modell funktionieren kann: Es muss sich um Mitarbeiter*innen aus dem gleichen Fachbereich, mit sehr ähnlicher Seniorität und den passenden Arbeitsstilen handeln. Idealerweise kennen die beiden Personen einander und den jeweiligen Arbeitsstil des anderen auch schon und haben Vertrauen ineinander.

Was raten Sie (jungen) Juristinnen, die den Wunsch haben, Karriere in einer Großkanzlei zu machen, aber auch nicht auf Familie verzichten möchten?

Einfach mal ausprobieren! Meist finden sich individuelle Lösungen mit denen man beides unter einen Hut bringt. Wenn man sieht, dass es nicht funktioniert, kann man sich immer noch umorientieren.

Gibt es aus Ihrer Sicht einen richtigen Zeitpunkt für die Familienplanung?

Im Endeffekt kann man nicht alles minutiös planen. Wir kennen auch gute Beispiele von Frauen, die bereits im Referendariat ihre Kinder bekommen haben und dann zum Berufsstart damit punkten konnten, nicht mehr im Rahmen der Familienplanung auszufallen. Für uns wiederum war es von Vorteil, bereits erste Karriereschritte ohne Kind(er) gemacht zu haben, da wir so bereits die fachliche Sicherheit und Routine hatten, die die Teilzeittätigkeit sehr erleichtert.

Was können Großkanzleien tun, um Frauen auf Ihrem Karriereweg zu unterstützen, Beruf und Familie erfolgreich zu verbinden?

Weg von der Facetime-Denke: Teilzeitkräfte erbringen viel "unsichtbare" Arbeit: z.B. abends von zu Hause aus. Es ist auch mittlerweile so, dass viele unserer Mandant*innen genauso flexibel aus dem Homeoffice arbeiten und solange die Erreichbarkeit stimmt, sich überhaupt nicht daran stören, von wo aus Telefonate entgegengenommen oder E-Mails versandt werden. Spätestens zu Zeiten von Corona hat sich ja auch bewiesen, dass flexible Homeoffice-Regelungen funktionieren.

Digitalisierung: Homeoffice und Organisations-Apps helfen bei der Umsetzung flexibler Arbeitszeitmodelle. Auch im Homeoffice ist man durchgehend über Bild und Ton erreichbar, sowie über Zeiterfassung/Anwesenheitsanzeigen "erfassbar".

Wie wichtig sind und waren Netzwerke für Ihren Karriereweg?

Interne Netzwerke sind sehr wichtig, ohne internen Rückhalt geht nichts. Externe Netzwerke spielen (bislang) keine Rolle, werden aber natürlich für die Eigen-Akquise immer relevanter.

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Anna-Catharina v. Girsewald: Barbara Keil, Partnerin im Bereich M&A und Leiterin der weltweiten Sektorgruppe General Industries bei Freshfields, die auch mit Kind wahnsinnig engagiert ihre Mandate führt und von der ich bei meiner Zeit bei Freshfields sehr viel lernen durfte, was Vertragsgestaltung und Verhandlungsführung angeht.

Sarah Scharf: Constanze Ulmer-Eilfort. Ich habe sie persönlich leider nie getroffen, aber als Studentin ein Interview über sie gelesen und dachte mir: Ach, guck mal einer an. Daran musste ich bei der Anfrage zu diesem Interview wieder denken ‒ das ist doch genau die Idee von breaking.through.

Beide zusammen: Und last but not least natürlich unsere Chefin, Myriam Schilling, die sehr flexibel und innovativ denkt und nicht zuletzt Initiatorin unseres Job-Sharing-Modells war. Sie selbst bringt Karriere und Familie unter einen Hut und hat auch immer an uns und das Job-Sharing-Modell geglaubt. Für uns hat sich daher nie die Frage gestellt, ob Karriere und Familie gut im Einklang unterzubringen sind, da wir an ihr immer gesehen haben, dass es geht.

Vielen Dank für das spannende Interview! 

München und Köln, 30. August 2020. Sarah Scharf und Anna-Catharina von Girsewald haben die Fragen schriftlich beantwortet. Die Fragen stellte Marina Arntzen, LL.M.

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