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Antje Klamt im Porträt

„Familie und Karriere sollten nicht als Gegensätze begriffen werden!“

Antje Klamt, Richterin am Kammergericht, über ihre Karriere in der Berliner Justiz und die Vereinbarkeit dieses Wegs mit vier Kindern.

Frau Klamt, Sie hatten keine juristischen Vorbilder. Was hat Sie dazu bewogen, Jura zu studieren und dann im Anschluss an das zweite Staatsexamen in den Richter:innendienst einzutreten?

Nach dem Abitur hatte ich zunächst zwischen den Fächern Kommunikationswissenschaften und Germanistik geschwankt. Letztlich war mein damaliger Freund dann aber ausschlaggebend dafür, dass ich das Jurastudium aufgenommen habe. Er hatte mir damals das Abstraktionsprinzip erklärt. Das hat mich fasziniert. Einfache Sachverhalte rechtlich zu sezieren fand ich sehr interessant und ich erkannte, wieviel Jura mit sprachlicher Präzision zu tun hat. Ich habe mich dann in Regensburg am Fachbereich Rechtswissenschaft eingeschrieben. So richtig Feuer gefangen habe ich aber erst in der Vorbereitung auf das erste Staatsexamen. Im Referendariat wurde mir sehr schnell klar, dass ich Richterin werden möchte. Mich begeisterte von Anfang an, dass jede Akte ein Panorama zwischenmenschlicher Konflikte, Tragödien und Schicksale und unterschiedliche Lebenswirklichkeiten beinhaltet und dass man sich immer wieder mit Sach- und Rechtsgebieten befassen muss, von denen man vorher noch nie etwas gehört hat. Ich hatte großen Respekt davor, für die betroffenen Menschen weitreichende Entscheidungen treffen zu müssen, fand aber auch diese Verantwortungsübernahme attraktiv. Das Schreiben von Urteilen empfand ich schon im Referendariat als sehr befriedigend. Das Handwerk und die Technik, die dahinterstehen, haben mir eingeleuchtet und ich erachtete den Beruf der Richterin als einen sehr kreativen juristischen Beruf. Die Richterpersönlichkeiten und meine Ausbilder, die mir in dieser Zeit begegneten, haben mich positiv beeindruckt und mir ein gutes Feedback gegeben, was mich in meinem Berufswunsch bestärkt hat.

Der Richter:innendienst beginnt mit einem dreijährigen Probedienst. Wie haben Sie diesen erlebt?

Ich bin 1998 in den Richter:innenprobedienst eingetreten. Im Probedienst durchläuft man mindestens drei verschiedene Stationen. Die ersten sechs Monate habe ich am Landgericht Frankfurt (Oder) verbracht, dem ich bereits im Referendariat zugeteilt war. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Meine Erinnerung an dieses erste Jahr ist geprägt von einer historisch besonderen Zeit, der Zeit nach der Wiedervereinigung. Die Kolleg:innen aus der ehemaligen DDR mussten sich einem Überprüfungsverfahren unterziehen, was viele als Zumutung empfunden haben. Die Zusammenarbeit in den Spruchkörpern habe ich vor diesem Hintergrund als sehr spannungsreich, aber auch als sehr interessant erlebt. Im Anschluss an meine Zeit am Landgericht Frankfurt (Oder) habe ich neun Monate am Amtsgericht Schwedt an der Oder verbracht. Dort habe ich vor allem Jugendstrafsachen bearbeitet. Diese Zeit hat mich besonders geprägt, auch weil sie mit einer großen Überforderungssituation begann. Ich fand am ersten Tag ein Büro vor, in dem sich die Akten bergeweise stapelten; man kam kaum durch und gefühlt auf jeder Akte stand „Haft“. Diese Zeit hat mich in besonderer Hinsicht gefordert, aber auch gestärkt. Wenn ich heute mal eine besonders herausfordernde Situation zu meistern habe, kann ich aufkommende Überforderungsgefühle mit dem Gedanken „so schlimm wie damals kann es nicht werden“ schnell relativieren. Im Anschluss daran wurde ich dem Amtsgericht Straußberg zugewiesen. Von dort aus habe ich einen Versetzungsantrag nach Berlin gestellt, weil die Fahrtwege zu lang waren und mein Mann und ich eine Familie gründen wollten. In Berlin habe ich meine letzte Zeit als Proberichterin am Amtsgericht Mitte und am Amtsgericht Wedding verbracht. Zugegebenermaßen musste ich mich erstmal etwas umgewöhnen. Das Kommunikationsklima mit der Anwaltschaft war im Vergleich mit dem in Brandenburg sehr anders.

Die vielen Dezernatswechsel waren insgesamt schon anstrengend. Ich konnte aber viel Hilfe in Anspruch nehmen. Ich hatte sehr hilfsbereite Kolleg:innen und konnte viele Fortbildungen für Dezernatswechsler:innen in Anspruch nehmen. Insgesamt habe ich die Proberichter:innenzeit als eine abwechslungsreiche und gute Zeit in Erinnerung, in der ich sehr viel gelernt habe und viele tolle Menschen kennengelernt habe.

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​Sie haben vier Kinder, die jeweils im Abstand von zwei Jahren zur Welt kamen. Wie ist es Ihnen gelungen, die familiären Herausforderungen und den Richter:innendienst miteinander zu vereinbaren?​

(lacht) Mal besser und mal schlechter! In der Woche, in der ich als Richterin am Landgericht Berlin auf Lebenszeit ernannt wurde, begann meine erste Mutterschutzzeit. Die Tatsache, dass ich bereits auf Lebenszeit ernannt war, hat mich sehr entlastet und hat mir den Rücken frei gemacht, sodass ich mich ganz auf meine Mutterschutz- und Elternzeit konzentrieren konnte. Ich hatte von Freundinnen damals schon mitbekommen, wie es ist, als Rechtsanwältin aus der Elternzeit zurückzukommen, degradiert zu werden und plötzlich nur noch „Hilfstätigkeiten“ machen zu dürfen. Das konnte mir nicht passieren. Ich wusste, wenn ich aus der Elternzeit zurückkehre, dann kehre ich ans Landgericht Berlin in meinen bisherigen Arbeitsbereich zurück. Unsere Kinder sind im Abstand von jeweils zwei Jahren geboren, was dazu führte, dass ich nach dem Jahr Elternzeit jeweils für ein Jahr in den Dienst zurückkehrte. Nach der Geburt unseres vierten Kindes machte ich in der Elternzeit eine Fortbildung zur Güterichterin. Es ist nämlich möglich, auch in der Elternzeit die Fortbildungen der Justiz zu besuchen. Diese Fortbildung hat mich dazu inspiriert, den zweijährigen Masterstudiengang „Mediation und Konfliktmanagement“ an der Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder) zu absolvieren. Wegen dieses Studiengangs habe ich dann schließlich meine zunächst für ein Jahr beantragte vierte Elternzeit auf drei Jahre ausgeweitet. Der Masterstudiengang wird überwiegend online abgehalten. Die sechs Präsenzmodule waren mit meiner Familie gut umsetzbar. Insgesamt war es mit meiner damaligen Familiensituation leichter, den Studiengang zu absolvieren, anstatt wieder in den Dienst zurückzukehren. Es war planbarer und ich war sehr flexibel, was das Studium anging. Von den Inhalten des Studiums habe ich persönlich und beruflich sehr profitiert und habe diese Entscheidung nie bereut.

Nach der erfolgreichen Beendigung des Masterstudiengangs kehrte ich zurück in den Dienst an das Landgericht Berlin. Man muss es nicht schönreden, der Wiedereinstieg mit den Kindern war sehr herausfordernd! Ich hatte zeitweise das Gefühl, immer und überall zu spät zu sein und nicht zu genügen. Bei aller anfänglichen Anstrengung war es aber gut für unsere Familie und hat alles in allem auch gut funktioniert. Insbesondere für die paritätische Aufteilung der Care-Arbeit zwischen meinem Mann und mir war es eine Bereicherung. Und ich habe gelernt, meine Ansprüche an mich zu überdenken und Hilfe einzufordern. Meiner Mutter bin ich sehr dankbar für ihre diversen ad-hoc-Einsätze bei Erkrankungen der Kinder. Was ich aus dieser Zeit gelernt habe: Man muss nicht immer und überall 100%ig performen und es kann auch einfach mal nur Wiener Würstchen abends geben!

Wie haben Sie den Wiedereinstieg nach der letzten Elternzeit empfunden?

Naja, ich war ja für lange Zeit immer nur für kurze Intervalle und dann nach der Geburt des letzten Kindes drei Jahre aus dem Dienst. Die drei Wiedereinstiege nach den jeweils einjährigen Elternzeiten waren recht einfach. Aber ich muss sagen, dass der Wiedereinstieg nach der letzten dreijährigen Elternzeit nicht ganz leicht für mich war. Ich hatte große Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit unseres Familienlebens und meiner Arbeit in der Arzthaftungskammer, weil die Sitzungen in diesem Rechtsgebiet bis in den Nachmittag andauern können. Dazu kam, dass mein berufliches Selbstbewusstsein nach der langen Auszeit sehr klein geworden war. Ein Telefonat mit der damals zuständigen Personaldezernentin im Kammergericht hat mir viele Ängste genommen und letztlich war der Wiedereinstieg viel einfacher als erwartet. Ich hatte viel Unterstützung meiner Kolleg:innen. Insgesamt kann ich sagen, dass eine Elternzeit in der Berliner Justiz kein Karrierehemmnis ist und man insgesamt ganz viel Unterstützung und Entgegenkommen erfährt.

Sie sind neben Ihrer regulären Spruchrichterinnentätigkeit auch noch Güterichterin am Kammergericht in Berlin. Was begeistert Sie an dieser Tätigkeit?​

Die Tätigkeit als Güterichterin hat mich von Anfang an begeistert. Sie ist meiner Meinung nach die ideale Ergänzung zur Spruchrichter:innentätigkeit, wenngleich das Güterichterverfahren nicht für alle Rechtsstreitigkeiten ein geeignetes Verfahren ist. Der Grundgedanke des Güterichterverfahrens ist, dass die Parteien, eigenverantwortlich eine Lösung ihres Problems erarbeiten. Die Rolle des / der Güterichter:in ist es, dabei zu unterstützen. Das steht in starkem Gegensatz zum gerichtlichen Verfahren, in dem die Parteien ihre Verantwortung für den Konflikt an ihre Prozessbevollmächtigten und das Gericht delegiert haben und oft nur „Zaungäste ihres eigenen Konflikts“ sind. Auf diese Weise können in manchen Fällen bessere und nachhaltigere Konfliktlösungen erzielt werden. Als Güterichter:in erfährt man viel positive Resonanz, die Tätigkeit ist zukunftsgestaltend und wertschöpfend. Besonders gut gefällt mir die Kommunikations- und Fehlerkultur unter den Güterichter:innen: Fehler werden als Ressource betrachtet. Durch den Rollenwechsel gibt man die Verantwortung für das Ergebnis des Verfahrens ab. Im Gegenzug dazu hat man als Güterichter:in eine anders geartete Verantwortung, nämlich die Strukturverantwortung. Man muss die Parteien durch das gesamte Verfahren führen, ohne für den Inhalt oder das Ergebnis Verantwortung zu tragen. Das Güterichterverfahren ist eine Schnittstelle zwischen Psychologie und Recht.

Seit 2010 bilde ich in Berlin und Brandenburg sowie an der Deutschen Richterakademie gemeinsam mit einer Kollegin Richter:innen zu Güterichter:innen aus. Diese Arbeit bereitet mir große Freude und ist fachlich sehr bereichernd.

In Berlin ist die Mehrheit der Güterichter:innen weiblich. Warum scheinen sich deutlich mehr Frauen für die Tätigkeit als Güterichterin zu begeistern?​ 

Zunächst einmal kann ich bestätigen, dass sich mehr Frauen als Männer für die Güterichtertätigkeit interessieren und Frauen in den Fortbildungsgruppen auch den stärkeren Anteil stellen. Es gibt deutlich mehr Frauen als Männer, die als Güterichter:innen tätig sind. Nach einer Erklärung, warum das so ist, suche ich schon lange. Möglicherweise hängt es damit zusammen, dass Kommunikationskompetenzen in der Vergangenheit als „softskill“ nicht ernst genommen oder als weniger beurteilungsrelevant angesehen wurden. Wenn man anhand des Umstands, dass nach wie vor die Zahl der Frauen in Beförderungsämtern niedriger ist als die der Männer, darauf schließt, dass Frauen eher als Männer auch andere berufliche Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten für sich sehen als die Beförderung, mag das der Grund sein. Ich habe allerdings den Eindruck, dass es immer weiter ins Bewusstsein rückt, was für eine wichtige Rolle der professionelle Umgang mit kommunikativen Tools auch für die spruchrichterliche Tätigkeit spielt. Möglich ist auch, dass manche Männer sich den Rollenwechsel nicht zutrauen und sich den kommunikativen Anforderungen nicht gewachsen fühlen. Ich möchte aber auch gezielt Männer ermutigen, sich für die Tätigkeit als Güterichter zu begeistern. Ich kenne viele Männer, die großartige Güterichter sind und die nötigen Kommunikationstools kann man lernen. Meiner Meinung nach darf die Güterichter:innentätigkeit keine weibliche Disziplin sein.

Für die Erprobung haben Sie einige Jahre am Kammergericht in Berlin eine leitende Position in der Verwaltung innegehabt. Dort haben Sie die Referendar:innenabteilung geleitet. Inwieweit ist diese Erprobung für Sie bereichernd gewesen?​ 

Nach dem fünften Jahr nach der Ernennung als Lebenszeitrichter:in ist man erprobungsreif. Um sich für ein Beförderungsamt bewerben zu können, muss man sich zuvor an einem Obergericht, regelmäßig neun Monate, oder im Rahmen einer zweijährigen Verwaltungserprobung bewähren. Ich habe mich 2016 für eine Verwaltungserprobung entschieden. Ich wurde zunächst für zwei Jahre an das Kammergericht in Berlin abgeordnet. Neben einem kleinen Anteil Spruchrichterinnentätigkeit in einem Senat war ich für eine Vielzahl an Verwaltungstätigkeiten zuständig. Im Vordergrund stand hierbei sicherlich die Leitung der Referendar:innenabteilung. In dieser Position hatte ich einige Herausforderungen zu bewältigen. Besonders hervorzuheben ist der Cyberangriff auf den Server beim Kammergericht im Jahr 2019 und die Bewältigung der Auswirkungen der Corona Pandemie auf die Ausbildung der Referendar:innen. Die Leitung der Referendar:innenabteilung war mir sehr ans Herz gewachsen, nicht zuletzt, weil ich mit Unterstützung der Kammergerichtsleitung viel gestalten und bewirken konnte. Ich habe mit einem großartigen Team arbeiten dürfen und ich habe über mich lernen dürfen, dass mir Organisation und Personalführung besondere Freude bereiten. Aus diesem Grunde habe ich nach meiner zweijährigen Erprobung diese Stelle für vier weitere Jahre innegehabt. Ich würde jedem / jeder Richter:in zur Erprobung raten. Selbst wenn man keine Beförderung anstrebt, ist die Erprobung eine gute Erfahrung und eine Erweiterung des beruflichen Horizonts. Heutzutage ist eine Teilzeiterprobung auch nicht mehr die Ausnahme.

Nach der Erprobung wurden Sie befördert und sind seither in einem Familiensenat am Kammergericht tätig, ohne in Ihrer bisherigen Richterinnenlaufbahn mit dem Familienrecht beschäftigt gewesen zu sein. Wie haben Sie den fachlichen Wechsel empfunden?

 

Die Richter:innentätigkeit in zweiter Instanz bringt schon eine besondere Verantwortung mit sich, zumal im Familienrecht nach der zweiten Instanz meist keine weitere Instanz eröffnet ist. Ich habe, bis ich zum Kammergericht befördert wurde, kein Familienrecht in erster Instanz gemacht. Ich muss sagen, es ist schon ein Sprung ins kalte Wasser, wenn einem das Wissen und die Erfahrung aus der ersten Instanz fehlen. Das Verfahren in Familiensachen unterscheidet sich in vieler Hinsicht stark vom Zivilprozess, insbesondere durch den Grundsatz der Amtsermittlung und die vielen Verfahrensbeteiligten. Ich hatte das Glück, Mitglied in einem sehr netten und hilfsbereiten Senat zu werden. Auch hier hatte ich wieder Kolleg:innen, die mich sehr unterstützt haben. Zudem habe ich viele und umfangreiche Fortbildungen wahrgenommen, so dass ich sagen kann, dass ich mich mittlerweile nach zwei Jahren auf sicherem Boden bewege.

Woher kommt die Begeisterung für das Familienrecht?

Mich interessieren grundsätzlich Konflikte in ihren Ursachen und Wirkungen und hinsichtlich möglicher Lösungen. Im Familienrecht betreffen die den Verfahren zugrundeliegenden Konflikte oft sämtliche Aspekte des Lebens und sind daher existentiell. Auch wenn viele Beteiligte, die ihren Streit in die zweite Instanz tragen, einer Entscheidung des Gerichts bedürfen, kann die Anhörung und Erörterung im Gerichtstermin eine befriedende Wirkung haben und neue Weichen stellen. Diese Chance zu nutzen, den oft sehr verzweifelten Menschen mit Empathie, Respekt und gegebenenfalls auch Autorität zu begegnen und ihnen gerecht zu werden, ist eine große Herausforderung. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man als Familienrichter:in oft sehr massive Eingriffe in das Leben von Menschen vornimmt. Deshalb trifft man die Entscheidungen in der Regel auch nicht allein, sondern als Spruchkörper. Der fachliche Austausch und das Ringen um eine gute Entscheidung für die Familie mit den Kolleg:innen sind für mich besonders bereichernd.

Würden Sie sich für den Richter:innenberuf heute noch einmal entscheiden?

Immer wieder! Ich liebe den Beruf wirklich sehr! Es gibt keinen Tag, an dem ich bereut hätte, ihn ergriffen zu haben. Mir wurden sehr viele Möglichkeiten eingeräumt, mich auszuprobieren und die richtige Nische für mich zu finden. Mein Berufsleben ist von dem Bewusstsein geprägt, eine gesellschaftlich wertvolle und verantwortungsvolle Tätigkeit auszuüben. Man weiß an jedem Tag, wofür man morgens aufsteht!

Eine Karriere in der Justiz ist Ihnen trotz Ihrer vier Kinder gelungen. Haben Sie Ratschläge für Frauen, die Zweifel daran haben, ob sie es schaffen können, Familie und Karriere miteinander zu vereinbaren?

Mein Ratschlag wäre, Familie und Karriere nicht als Gegensätze zu begreifen, sondern als gegenseitige Ressource. Die Arbeitgebenden profitieren maßgeblich von Menschen, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren können und schätzen dies meines Wissens auch. Wenn man Kinder hat und berufstätig ist, ist man regelmäßig teamfähig, kommunikativ, in besonderer Weise belastbar und organisatorisch gut aufgestellt. Und auch für die Familie ist eine berufliche Tätigkeit befruchtend. Kürzlich in einem Gespräch mit meiner Tochter hat sie mir erzählt, dass sie dankbar war und ist, dass ich berufstätig war, auch als sie noch jünger war. Sie sagt, dass ich ihr insoweit ein Vorbild bin und es ihr trotz meiner Berufstätigkeit an nichts gemangelt hat. Ich denke, Frauen haben es heute viel leichter als vor fünfzig Jahren. Erziehungsaufgaben können paritätisch geteilt werden und Väter können genauso Elternzeit nehmen wie die Mütter. Mein Rat ist, auch während der Elternzeit die Karriere nicht aus dem Blick zu verlieren und Kontakt zu den Personalverantwortlichen zu halten. Gut ist es, eine Zusatzqualifikation in dieser Zeit zu erwerben und die Elternzeiten nicht zu lang werden zu lassen, damit die Hemmschwelle zurückzukehren nicht so hoch wird. Und: Mit hocherhobenem Haupt zurückkehren! Man hat in der Elternzeit schließlich eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe erbracht. Und ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist auch, dass man kommuniziert, ob und inwieweit man Hilfe braucht.

Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn als Richterin trotz der vielen Elternzeiten und Arbeit in Teilzeit nie das Gefühl gehabt, hinsichtlich des Inhalts meiner Tätigkeit und der Förderung benachteiligt zu werden. Das sehe ich als großes Plus für eine Tätigkeit in der Justiz.

 

Welche Juristin hat Sie so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Ganz viele, aber eine Frau ganz besonders: Anne-Ruth Moltmann-Willisch. Sie war eine Richterkollegin. Seit zwei Jahren ist sie im Ruhestand. Sie war immer ein Rolemodel für mich. Inspirierend finde ich nun ihren Umgang mit dem Ruhestand. Diesen nutzt sie, um sich intensiver denn je mit Mediation zu beschäftigen. Sie hat sich als außergerichtliche Mediatorin etabliert und ist weiterhin als Fortbilderin und Supervisorin tätig. Ihre Begeisterung für die Mediation ist ansteckend!

Vielen Dank für das spannende Interview!

 

Berlin, 22. Februar 2024. Das Interview führe Dr. Stefanie Schweizer.

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