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Anna Masser

Anna Masser im Porträt

 

"Ich fülle eine Position aus, die nicht durch mein Frau-sein gekennzeichnet ist."

Anna Masser, Partnerin bei Allen & Overy*, im Interview über den Berufseinstieg als deutsche Juristin in der Schweiz und darüber, wie gestrig das Modell einer umgekehrten Rollenverteilung ist.

Anna, seit 2008 bist Du als Anwältin für verschiedene Großkanzleien tätig gewesen; heute bist Du Of Counsel bei Jones Day. Inwieweit haben sich die Arbeitsbedingungen und Gepflogenheiten in Großkanzleien seit Deinem Berufseintritt verändert?

Wenn ich an meinen Arbeitsanfang bei Freshfields denke und ihn mit meiner Tätigkeit bei Jones Day vergleiche, ist mein Eindruck, dass sich wenig verändert hat. Vielleicht ist der Partnertrack noch länger geworden, aber eine Tendenz dazu bestand damals schon. Oder ich habe mich einfach mitverändert und nehme die Veränderungen daher weniger wahr.


In Who’s Who Legal 2017 – 2018 beschreiben Dich Mandanten u.a. als "ausgezeichnete" und "großartige" Anwältin. Was kennzeichnet eine ausgezeichnete oder großartige Anwältin (oder einen entsprechenden Anwalt) in Deinen Augen?

Das Wichtigste ist, glaube ich, dass man Spaß an der Arbeit hat - das merkt der Mandat, das merken die Kollegen und die Wettbewerber. Außerdem ist das juristische Werkzeug ein Muss. Wer auf diesem Niveau arbeitet, bringt das aber im Regelfall mit. Daneben kommt es auch auf menschliche "soft factors" an: Man muss die Mandaten verstehen und deren Geschäft. Außerdem muss man mit den Gegenanwälten eine Art Harmonie aufbauen, um für den Mandanten zur besten Lösung zu kommen. Das macht unter anderem den Reiz für mich aus und macht mir Spaß. Daneben gehört im Bereich Schiedsverfahrensrecht auch Internationalität und Weltoffenheit dazu.

Welche Funktionen und Aufgaben hat ein Of Counsel bei Jones Day?

 

Die Position ist vergleichbar mit der eines Salary Parters oder Local Partners bei anderen Kanzleien. Man erhält Einblicke in die Partnerschaft und wird zu den deutschen Partnersitzungen eingeladen, nicht aber den europäischen und internationalen. So wird man sich an die Tätigkeiten eines Equity Partners, die einzige Partnerposition, die Jones Day hat, herangeführt. Im Einzelfall kann die Position Durchgangsstufe zur Partnerschaft oder aber auch eine dauerhafte sein.

Du hast lange Zeit auch in Zürich gearbeitet, nachdem Du zunächst als Anwältin bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Hamburg tätig warst. Welche kulturellen Unterschiede sind Dir aus der Zeit in Zürich besonders im Gedächtnis geblieben?

Die Schweizer, bzw. die Zürcher im speziellen, sind vor allem zurückhaltender, gleichzeitig aber unkomplizierter im Umgang, z.B. sind alle per Du. Man nimmt sich selbst mehr zurück. Am meisten fällt das auf, wenn man in Zürich Tram fährt. Wenn jemand auffällig laut spricht, sind es fast immer die Tüütschen. Mir persönlich hat diese Erfahrung viel gebracht: Ich habe gelernt wie offensiv ich sein kann bzw. bin. Seither bin ich mir dessen eher bewusst und habe mir in bestimmten Situationen etwas mehr Zurückhaltung angewöhnt.

Was würdest Du Juristinnen bzw. Juristen empfehlen, die sich beruflich in der Schweiz entwickeln wollen?

Wenn man sich die Schweiz während des Referendariats anschauen möchte, kann man seine Wahlstation dort machen, das ist sicherlich ein guter Schritt, wenn man sich vorstellen kann, dort zu arbeiten. Auch ist es hilfreich an einem der Moot Courts teilzunehmen, jedenfalls wenn man in den Bereich Dispute Resolution möchte. Daneben kann man sich gut zunutze machen, dass es in der Schweiz üblich ist, erst anzufangen zu arbeiten und nach 2-3 Jahren Arbeitserfahrung einen LL.M. zu machen. Das kann man gut für einen Kanzleiwechsel nutzen, da dann ohnehin viele wechseln bzw. rotieren. Sich mit dem CISG auszukennen ist auch nicht schlecht. Das kann eh nicht schaden.

Wenn man sich zugleich eine Karriere in Deutschland offenhalten möchte, würde ich empfehlen, hier das Referendariat abzuschließen. Danach kann man in der Schweiz als Associate anfangen, so wie hier auch. Nach drei Jahren erhält man dann – sofern man bis dahin eine Tätigkeitsliste führt und auf der Liste für ausländische europäische Anwälte eingetragen ist – auf Antrag eine Schweizer Anwaltszulassung

Wo steht die Schweiz mit Blick auf die Bedingungen für Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Vergleich zu Deutschland?

Ganz weit hinten. Es gibt - außer 14 Wochen nach der Geburt - keine gesetzlich geregelte Auszeit. Es gibt keine Elternzeit, es gibt kein Elterngeld (jedenfalls nicht in dem Sinne, wie wir es inzwischen aus Deutschland kennen), Vaterschaftsurlaube sind nahezu unbekannt. Kinderbetreuung ist außerdem wahnsinnig teuer. Merkwürdigerweise sind die Frauen meiner Peer Group dort aber nach meinem Eindruck durchschnittlich erfolgreicher als die Frauen hier. Ich verstehe nicht wirklich wieso. Was mir aber gefallen hat, ist dass es dort leichter ist, bis zur Geburt zu arbeiten. Überhaupt ist die Einstellung in der Schweiz generell eher davon geprägt, dass man viele Sachen selbst verhandelt und somit auch selbst bestimmt, anstatt dass etwas gesetzlich vorgeschrieben ist. Bei meinen beiden Kindern habe ich z.B. ausgehandelt, dass ich nach der Geburt jeweils sechs Monate Auszeit nehmen konnte. Das war auch kein Problem.

Dein Mann und Du lebt gewissermaßen eine umgekehrte Rollenverteilung: Du arbeitest Vollzeit und er kümmert sich verstärkt um die Kinderbetreuung. Wie hat Euer Umfeld darauf reagiert und wie geht Ihr mit diesen Reaktionen um?

Lustigerweise war das für alle immer vollkommen selbstverständlich und daher auch nie ein Problem. Für uns ist das einfach die beste Lösung und das merkt natürlich auch unser Umfeld. Das liegt sicher auch daran, dass mein Mann da so dahintersteht. Irritationen erlebe ich eigentlich nur manchmal bei mir selbst, wenn Pärchen zu Besuch sind, die uns nicht so gut kennen und ich merke, dass die Männer mit meinem Mann über die Arbeit reden wollen und die Frauen mit mir über die Kinder. Dann habe ich manchmal den Gedanken: „Das passt gerade einfach gar nicht“. (Lacht.)

Auch lustig finde ich übrigens, dass uns alle so modern finden. Dabei empfinde ich dieses Modell eigentlich als gestrig. Es ist ja einfach dasselbe wie früher üblich, nur andersrum.

Bietet Jones Day Unterstützung bei der Kinderbetreuung an? Falls ja, welche?

Nein.

Empfindest Du es als hilfreich oder eher hinderlich sich bei der eigenen Karriereentwicklung (auch) als Frau – und nicht einfach als Person vom Fach – zu verstehen?

Ich finde es überflüssig. Es ist weder hilfreich noch hinderlich, sondern einfach überflüssig: Ich bin Anwalt, Schiedsrechtler, oder whatever. Ich fülle eine Position aus, die nicht durch mein Frau-sein gekennzeichnet ist. Das wäre als Mann auch nicht anders.

Gab es trotzdem Situationen, in denen Du Dich in diese Betrachtungsweise versetzt gefühlt hast?

(Lacht sehr.) Immer nur, wenn ich mir Gedanken über die Frage mache, ob ich ArbitralWomen beitrete, was ich bis heute nicht getan habe.

Um mehr Frauen bei ihrer Karriereentwicklung zu unterstützen werden heute zahlreiche Seminare und Workshops angeboten, die Frauen dabei trainieren sollen, stark aufzutreten, stark zu verhandeln und bessere Netzwerker zu werden. Wie stehst Du zu diesem Ansatz?

Das ist grundsätzlich mit Sicherheit ein richtiger Schritt. Es sollte nur nicht der einzige Schritt sein, denn es gibt ja auch andere wichtige Schritte, wie z.B. das Adressieren von unconscious bias. Das macht z.B. Louise Barrington, die Gründerin von ArbitralWomen, sehr gut. Es müssen sich ja nicht immer nur die Frauen anpassen.

Was kann man tun, um auch die Männer hieran mehr zu beteiligen?

Mit Männern reden. Sie einbeziehen. Das muss auch von den Männern noch mehr ausgehen. Ihnen muss bewusst werden, dass es auf Dauer nicht ausreicht immer nur Männer um sich zu haben. Stattdessen geht es darum, hochintelligente Menschen von beiden Geschlechtern zusammen zu bringen. Dazu können Initiativen wie breaking.through etwas beitragen, z.B. indem Ihr Interviews mit Männern führt. Oder nimm die Equal Representation Pledge [Anm. der Red.: Dabei handelt es sich um eine Initiative zur Förderung der Diversität im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit]. Damit kann ich mich persönlich auch mehr identifizieren, da es hier ganz allgemein um Minderheiten geht und nicht nur um Frauen. Das ist neutraler, als sich ausschließlich auf das Geschlecht zu beziehen und sich darüber zu definieren.

Gab es in Deiner Karriere ein bestimmtes Ereignis, das für Deine Entwicklung besondere Bedeutung hatte? Falls ja, wie kam es dazu?

Ja, meine Teilnahme am Vis Moot für die Universität Heidelberg. Dabei kam ich nur durch Zufall dazu: Ich war während meines Studium mit einem Bekannten in der Fachschaft, der unbedingt beim Vis Moot mitmachen wollte. Mit dem bin ich zur Informationsveranstaltung gegangen und habe gleichzeitig die Hand gehoben. Alles weitere meines Berufswegs ist daraus entstanden.

Welche Juristin hat Dich so inspiriert, dass sie als Vorbild für breaking.through nominiert werden sollte? Wieso?

Das wären gleich mehrere: Melissa Magliana (Partnerin bei Lalive), Andrea Meier (Partnerin Wartmann Merker), Nadja Jaisli Kull (Partnerin bei Bär & Karrer), Alexandra Johnson (ebenfalls Partnerin bei Bär & Karrer) und Anya George (Senior Associate bei Schellenberg Wittmer). Sie alle sind beeindruckend und in meinem Alter.

Herzlichen Dank für das spannende Interview!

Frankfurt am Main, 20. Juni 2018. Das Interview führte Nadja Harraschain.

* Anm. d. Red.: Als das Interview geführt wurde, war Anna Masser noch Of Counsel bei Jones Day.

Mehr zu hören von Anna Masser gibt es im Podcast von Irgendwas mit Recht, hört rein!

 

 

Hier mit Kapitelübersicht und Transkript.

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