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Alltagsvorbild III

Promotion und Zweites Staatsexamen mit Baby/Kleinkind

„Ich habe gelernt, nicht alles in der Hand zu haben und gelassen zu bleiben.“

Unsere Porträtierte hat ihre Promotion und ihr zweites Examen mit einem Kleinkind geschrieben. Sie berichtet im Interview über Strukturen im Alltag, ihr Geheimrezept für stressige Phasen und welche Fragen sich jedes Paar stellen sollte, das in der Ausbildung ein Kind bekommen möchte.

Du bist während der Ausbildung Mutter geworden. In welcher Phase ist dein Sohn genau zur Welt gekommen und was machst du jetzt?

Ich bin in der Examensvorbereitung schwanger geworden und habe dann kurzentschlossen den Freischuss geschrieben, unser Sohn kam drei Monate nach der mündlichen Prüfung auf die Welt. In den ersten Monaten nach der Geburt war ich zuhause, währenddessen hat mein Mann für das zweite Staatsexamen gelernt. Als unser Sohn neun Monate alt war, haben wir beide angefangen mit einer 50 %-Stelle am Lehrstuhl zu arbeiten und zu promovieren. Zwei Jahre später, als unser Sohn drei Jahre alt war, habe ich meine Promotion abgeschlossen und mit dem Referendariat begonnen. Mittlerweile ist unser Sohn sechs Jahre alt und ich bin für meine Habilitation an die Uni zurückgekehrt.

Du hast Dich mit Deinem Partner bewusst für ein Kind in der Ausbildung entschieden. Welche Erwägungen hattet ihr davor angestellt?

Definitiv spielte eine wichtige Rolle, dass wir positive Vorbilder für eine frühe Familienplanung in unserem Umfeld hatten, denn auch unsere eigenen Eltern befanden sich noch in ihrer Ausbildung, als sie Kinder bekommen haben und waren damit sehr zufrieden. Ein anderer entscheidender Faktor war, dass die juristische Ausbildung – zumindest wenn man auch noch promoviert – schon wahnsinnig lange dauert. Will man erst alles abschließen und vielleicht auch noch ein bisschen Berufserfahrung sammeln, bevor man an die Familienplanung geht, ist man schnell schon Anfang/Mitte 30. Das war uns zu spät. Außerdem ist man während Promotion und Referendariat zeitlich und örtlich noch viel flexibler als später im Beruf und hat die Chance auf viel gemeinsame Zeit in den ersten Jahren.

Haben sich Eure Erwartungen erfüllt?

Auf jeden Fall! Die Kinderbetreuung haben mein Mann und ich fair untereinander aufgeteilt, da gab es eigentlich kaum Konflikte. Wir hatten sowohl an der Uni als auch im Referendariat sehr tolerante Arbeitgeber/-innen. Die flexiblen Arbeitszeiten haben es ermöglicht, uns gegenseitig in stressigen Lern- und Abgabephasen unterstützen. Natürlich war nicht immer alles rosig: Gerade die Wochen vor den Staatsexamina waren intensiv und nervenzehrend, da wurde man den eigenen Erwartungen an die Mutter- bzw. Vater-Rolle nicht immer gerecht. Trotzdem würde ich rückblickend alles wieder so machen. Gerade dass wir im ersten Jahr beide so viel Zeit mit unserem Sohn und als Familie verbringen konnten, war toll. Heute merke ich, dass das keineswegs selbstverständlich ist: Bekommt man später Kinder und hat man auch noch einen anspruchsvollen Beruf, ist der/die Partner/in in der Regel den ganzen Tag bei der Arbeit und bekommt vom Familienleben gar nicht so viel mit. Auch steht man häufig unter Druck, nicht zu lange für die Kinder auszusetzen, um den Wiedereinstieg nicht zu gefährden. Das Problem hat man in der Ausbildung nicht, da ist es nicht so schlimm, wenn man mal ein paar Monate länger braucht. Jetzt im Berufseinstieg haben wir den riesigen Vorteil, dass unser Sohn „aus dem Gröbsten raus ist“, sprich sich auch schon gut mal mehrere Stunden selbst beschäftigen kann, nicht mehr so häufig krank ist etc.

 

Während der Promotionszeit, die sich teilweise mit der Deines Partners überschnitten hat, hattet Ihr ein Kleinkind zu versorgen und beide noch einen Nebenjob nebenbei wahrgenommen. Wie habt Ihr Euch im Alltag organisiert?

Bei Promotionsbeginn war unser Sohn neun Monate alt. Wir hatten zwar keine Familie zur Unterstützung in der Nähe, haben aber glücklicherweise gleich über die Uni einen KITA-Platz bekommen. Die KITA hat unser Sohn jeden Tag von 9 Uhr bis 17 Uhr besucht, beim Bringen und Abholen haben wir uns abgewechselt, sodass meistens einer abends ein bisschen länger arbeiten konnte. Morgens bin ich meistens gleich in mein Büro an der Uni gefahren, habe dort vormittags die Aufgaben für den Lehrstuhl erledigt und nachmittags an der Promotion gearbeitet. Freunde habe ich meistens in der Mittagspause getroffen – oder am späten Nachmittag auf dem Spielplatz. Weil man von zwei halben Stellen an der Uni mit Kind doch eher schlecht als recht über die Runden kommt, haben wir beide neben dem Job an der Uni noch Nachhilfe gegeben oder Klausuren korrigiert, meistens abends oder am späten Nachmittag. In den letzten Monaten vor der Abgabe meiner Doktorarbeit habe ich mir angewöhnt, um 5 Uhr aufzustehen und morgens zu arbeiten, bevor der Rest der Familie aufwacht. Das ist bis heute mein Geheimrezept für stressige Phasen: Wenn ich meinen Sohn am späten Nachmittag abhole, habe ich so wirklich frei und muss nicht nochmal zurück an den Schreibtisch.

Wie hast Du es neben dem Schlafmangel und den vielen Aufgaben und Ablenkungen geschafft, Dich immer wieder für so ein langfristiges Projekt wie eine Dissertation zu motivieren, das auf kurze Sicht kaum Druck oder Erfolgsgefühle erzeugt?

Mich zu motivieren, war eigentlich überhaupt kein Problem. Zum einen hat mir das wissenschaftliche Arbeiten schon immer Spaß gemacht und ich wusste auch schon früh, dass ich gerne an der Uni bleiben möchte. Außerdem stand ja immer noch das Referendariat und das zweite Staatsexamen im Raum, und das wollte ich nicht unnötig lange aufschieben. Sicher spielt aber auch eine Rolle, dass ich so einen engagierten Betreuer für meine Promotion hatte, der nicht nur viel Verständnis für meine Lebenssituation, sondern immer auch ein Auge darauf hatte, dass meine Arbeit Fortschritte macht.

Als Du mit dem Referendariat begonnen hast, war Dein Sohn drei Jahre alt. Was waren in dieser Zeit die besonderen Schwierigkeiten und wie hast Du diese bewältigt?

 

Am schwierigsten war auf jeden Fall der Berufseinstieg meines Mannes nach etwas mehr als der Hälfte meines Referendariats, für den wir überdies auch noch umgezogen sind: Nach Abschluss seiner eigenen Promotion hat er von seinem super flexiblen Uni-Job zu einer Vollzeit-Beschäftigung in einer Kanzlei gewechselt. Damit war ich auf einmal weitgehend allein mit der Kinderbetreuung, musste parallel noch eine neue Kindergarten-Eingewöhnung managen und mich auf das zweite Staatsexamen vorbereiten. In dieser Zeit hat mir sehr geholfen, dass ich aufgrund der Promotion schon einige Erfahrung darin hatte, wie ich meinen Alltag am effizientesten organisiere. Natürlich sind die Lerntage kürzer, wenn man sich parallel noch um ein Kind kümmern muss. Um die finale Phase der Examensvorbereitung zu entlasten, habe ich deshalb bereits frühzeitig begonnen, parallel den Stoff aufzuarbeiten und Klausuren zu schreiben. Außerdem hatte ich von Beginn an eine Lerngruppe, mit der ich regelmäßig Fälle gemacht habe. Das hat sich voll ausgezahlt. Ich war schon immer die „Ganz oder Garnicht“-Lernerin, deshalb kam mir die kurze, aber sehr intensive Lernphase am Ende entgegen. Anders als viele meiner Ref-Kollegen und Kolleginnen mit Kind habe ich das Examen deshalb auch nicht geschoben. Das ist einfach Typsache, glaube ich. Wichtig ist allein, dass man sich mit seiner Entscheidung wohl fühlt. Meines Erachtens hat mit Kind Examen zu schreiben, sogar einen großen Vorteil. Man bleibt – vergleichsweise – entspannt, weil man weiß: Es gibt wichtigeres im Leben als die Examensnote.

Bist Du irgendwann mal auf Hindernisse gestoßen, sei es in deinem sozialen oder beruflichen Umfeld?

Zu Beginn war unsere Familie etwas befremdet, dass wir unseren Sohn so früh und so lange in die KITA gegeben haben. Ich glaube aber, das lag vor allem daran, dass es in der Generation unserer Eltern noch üblich war, mehrere Jahre mit den Kindern zuhause zu bleiben und es auch kaum Ganztags-Betreuungsmöglichkeiten gab. Nachdem unsere Eltern jedenfalls gesehen haben, wie wohl sich unser Sohn von Beginn an in der KITA gefühlt hat, war das kein Problem mehr.

An welchen Stellen lief die Vereinbarkeit rückblickend gut, weil ihr die Situation einfach gut bewältigt habt, und wann spielte Glück eine besondere Rolle?

Natürlich ist auch viel Glück dabei: So weiß man zum Beispiel nie, ob man überhaupt einen KITA-Platz bekommt, ob das Kind sich dort wohlfühlt, wie oft das Kind krank ist etc. Auch im Referendariat lässt sich nicht alles vorher planen: Wie arbeitsintensiv ist meine Station? Wie verständnisvoll ist mein Ausbilder? Manchmal kann dem Glück allerdings auch etwas auf die Sprünge geholfen werden. Das wichtigste ist meines Erachtens dabei die eigene Einstellung: Familie und Beruf bzw. Familie und Ausbildung miteinander zu vereinbaren, bedeutet in erster Linie, Kompromisse einzugehen. Hierfür ist es nicht nur wichtig, Prioritäten zu setzen, sondern vor allem auch, die eigenen Erwartungen herunterzuschrauben. Der Tag hat nur 24 Stunden und die sind schnell gefüllt. Für manche Sachen bleibt einfach keine Zeit oder Energie, und ständig kommt Unerwartetes dazwischen: Ein krankes Kind, eine geschlossene KITA oder eine zusätzliche Aufgabe bei der Arbeit. Ich habe gelernt, gelassen zu bleiben und zu akzeptieren, dass ich nicht alles in der Hand habe.

Welche Fragen sollte sich jedes Paar stellen, das in der Ausbildung ein Kind bekommen möchte?

Wie stelle ich mir meine Ausbildung vor? Bin ich bereit, dabei Kompromisse einzugehen?

Wie soll mein Kind betreut werden? Bin ich bereit, mein Kind während meiner Ausbildung fremdbetreuen zu lassen?

Wie werden wir uns in der Ausbildung finanzieren?

 

Vielen Dank für Deinen ermutigenden Bericht!

 

Sehr gerne! Für Fragen von Leserinnen oder Lesern stehe ich über das Team von breaking.through gern zur Verfügung.

 

Berlin, 12. Oktober 2020. Unsere Porträtierte hat Ihren Erfahrungsbericht schriftlich verfasst. Der Erfahrungsbericht wurde redaktionell von Jantje Niggemann betreut.

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